Krankenhaus im Kinderzimmer

Krankenhaus im Kinderzimmer
Paul hat keine Nieren und wird zu Hause betreut. Zu Besuch bei einem tapferen Patienten.

Ein weißes Gitterbett, hellblauer Vorhang, dahinter eine Tapete mit den bunten Autos aus dem Animations-Film "Cars". Das Zimmer des 18 Monate alten Paul sieht aus wie das von vielen Kindern – wäre da nicht der große Ständer mit dem Beutel Dialyseflüssigkeit.

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Ruhig und gelassen liegt der Bub auf dem Wickeltisch, während Kinderkrankenschwester Gertrude Mariacher den Verband auf seinem Bauch kontrolliert. Unter seinem Leibchen verbirgt sich ein Katheter, der in die Bauchhöhle führt. Dass die Nieren ihres Sohnes nicht richtig arbeiten, erfuhr Pauls Mutter Natascha Folly unmittelbar nach seiner Geburt. "Für mich ist eine Welt zusammengebrochen. Man rechnet ja damit, dass man ein gesundes Kind bekommt ..." Die ersten vier Monate musste der Bub im Spital verbringen. Mittlerweile wurden ihm beide Nieren entfernt. Mariacher oder eine ihrer Kolleginnen von der mobilen Kinderkrankenpflege MOKI-Wien versorgen ihn zu Hause – täglich ein bis drei Stunden.

Mariacher arbeitet seit 30 Jahren im Krankenpflegebereich. Sie bereitet im Zimmer alles für Pauls Dialyse vor – die zweite von insgesamt sechs pro Tag. Und sie bringt etwas Normalität in den Alltag von Familie Folly. "Es geht auch darum, dass ich die Eltern entlaste." Für Pauls Mutter bedeutet dies, dass sie Zeit mit ihren anderen beiden Kindern (5 und 6 Jahre) verbringen kann, etwa auf dem Spielplatz. Die Geschwister kennen "Schwester Gerti", wie sie von der Familie genannt wird, schon gut. Sie gehört zur Familie. "Es ist ein großer Vertrauensbeweis von den Eltern, wenn sie uns die Kinder übergeben. Da muss auch das Verhältnis stimmen."

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Obwohl Paul anfangs tapfer alles über sich ergehen ließ, fließen nun ein paar Tränen. Schwester Gerti beruhigt ihn. Schnell huscht wieder ein Lächeln über sein Gesicht. Der Bub krabbelt vergnügt auf dem Sofa in die Arme seiner Mutter.

Lebensbegleitung

Neben Paul betreut Mariacher noch sieben andere Kinder, die mental oder körperlich beeinträchtigt sind. "Hier kommt es sehr viel auf nonverbale Kommunikation an. Ich muss die Signale der Kinder an ganz anderen Merkmalen erkennen, ob sie jetzt lachen, fiebern oder raunzen. Manche lebensbedrohlich erkrankte Kinder betreuen wir MOKI-Schwestern vom Spital weg, bis nach Hause, wo sie im Kreis ihrer Familien versterben." Sie bezeichnet das als Lebensbegleitung. "Dabei zählt jeder Augenblick – lachen, weinen und spielen. Wir versuchen den Eltern beizustehen und alles zu tun, damit es ihnen und den Kindern in diesen Situationen gut geht. Das Sterben kommt zum Schluss." Man geht demütig nach Hause, so Mariacher. Alltagssorgen werden klein. Die Hauskrankenpflege verlangt den Schwestern viel ab. "Man hat keinen Arbeitsplatz mit Geräten, wie im Spital. Ich fahre mit dem eigenen Auto, viele Kolleginnen jedoch mit den Öffis – oft mit einer bis zu zehn Kilogramm schweren Ausrüstung." Die Momente mit den Kindern wiegen die Mühen der Arbeit wieder auf. "Wenn die Kinder lachen, obwohl sie krank sind – das gibt viel Kraft."

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Auch Paul ist, trotz täglicher Dialyse und Spritzen, ein fröhlicher Bub. Munter blättert er das Bilderbuch durch. Am 6. Mai, erzählt seine Mutter stolz, bekommt er eine Niere transplantiert. "Die ganze Familie fiebert diesem Tag entgegen. Wir werden seinen Geburtstag künftig zwei Mal im Jahr feiern." Schwester Gerti werden sie trotzdem vermissen.
Der Verein

Seit der Gründung im Jahr 1999 haben die Krankenpflegepersonen von MOKI mehr als 3500 Kinder und Jugendliche betreut. MOKI- Wien pflegt derzeit 450 Kinder pro Jahr. Zu den Klienten gehören jene, die zu früh geboren wurden, oder schwer krank sind. Sie betreuen auch Kinder, die an einer lebensverkürzenden Krankheit leiden. In diesen Fällen arbeiten sie mit den Palliativärzten von Wiens mobilem Kinderhospiz (MOMO) zusammen. 120 Kinder sterben jährlich in Wien an den Folgen von unheilbaren Krankheiten. MOKI ist auch in Niederösterreich, Burgenland, Oberösterreich und Kärnten tätig. Der Verein finanziert sich durch Spenden. Am 24. Mai findet das 6. MOKI-Wien-Kinderfest in den Blumengärten Hirschstetten statt. Mehr Infos dazu finden Sie online unter www.moki.at

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