Midlife-Crisis existiert tatsächlich

In der Lebensmitte fordern viele Belastungen ihren Tribut.
Britische Forscher analysierten, warum die meisten Menschen in ihren frühen 40ern Probleme haben - aber vorher und später nicht.

Die Midlife Crisis hat bekanntlich viele Gesichter. Die einen leben sie mit neuen – jüngeren – Partnern aus. Die anderen geben sich modisch partout „forever young“. Viele starten beruflich nochmals neu durch oder suchen nach Aufgaben, die sie mehr befriedigen als bisherige. Aber ist dieser oft inflationär gebrauchte Begriff für ein Lebensgefühl zwischen 40 und 50 real existent? Ja, haben nun Forscher der britischen Universität Warwick herausgefunden. In der Lebensmitte geht die persönliche Einschätzung von Glück und Zufriedenheit dramatisch nach unten und steigt erst mit zunehmendem Alter wieder. Das Glück ist demzufolge kein Vogerl – sondern ein U.

Verschiedene Phasen

Damit wurde eine US-Studie widerlegt, derzufolge die Jahre der Lebensmitte die besten im ganzen Leben seien. Die nun im Economical Journal veröffentlichte Untersuchung gilt als die erste, die Glück und Wohlbefinden quer durch verschiedene Lebensphasen und Regionen beobachtete. Dafür hatten 50.000 Erwachsene in Australien, Großbritannien und Deutschland über viele Jahre hinweg Fragebögen zu ihrer jeweiligen Zufriedenheit ausgefüllt.
Das Ergebnis: Am zufriedensten waren die Teilnehmer als junge Erwachsene, ebenso kam es zwischen 55 und 77 Lebensjahren zu einem Hoch. Ein Faktor dafür könnte etwa sein, dass Jugend und Alter als „geschütztere“ Phasen gelten. Ebenso seien an beiden Enden des Lebens die Verantwortungen generell geringer, betonen die Studienautoren.
Warum das Tief just in der Lebensmitte auftrete, können die Forscher zwar nicht genau sagen. Fest stehe aber, dass nicht nur Mehrfachbelastungen zwischen Beruf, kleinen Kindern und Haushalt dafür verantwortlich sein können.

Wertewandel

Die Ergebnisse der Studie überraschen die Psychologin Heide-Marie Smolka nicht. In der Mitte des Lebens kommt es sehr oft zu einem Wertewandel, man denkt anders als noch als junger Erwachsener. „Sich neu orientieren zu müssen, kann mitunter für Verunsicherung sorgen.“ Smolka beschäftigt sich seit Jahren damit, was Lebensglück ausmacht. „Mir fällt auf, dass die Teilnehmer meiner Seminare tatsächlich zwischen 40 und 50 Jahre alt sind. In dieser Lebensphase stellen sich viele die Frage nach dem Sinn.“

Für Natalia Ölsböck, Psychologin mit Schwerpunkt Selbstwert und Stressmanagement, stellt sich diese Frage spätestens, wenn die Pläne, Wünsche oder Ziele nach den jungen Jahren auf ihre Realisierbarkeit überprüft werden. „Schon ab 30 merken manche, dass es anders kommen kann, als geplant oder dass man es eben nicht schafft.“ Das müsse aber gar nicht negativ sein. „Das Glück kann u-förmig verlaufen, das muss aber nicht bei jedem so sein. Ohne Zweifel kriegen jedoch die „Mittelalterlichen“ den größten Druck ab. „Sie haben meistens mehrere Rollen zu erfüllen. Im früheren und späteren Alter ist mehr Freiheit gegeben.“ Dass da das Glücksempfinden sinke, sei daher verständlich. „Wenn man im Hamsterrad drinnen ist, hat das eine Sogwirkung – viele glauben, auf der Strecke zu bleiben.“ Das Gefühl, Zeit zu haben für die Dinge, die man gerne macht, ist daher ein wesentlicher Faktor fürs Glücklichsein.

Auseinandersetzung

Die Auseinandersetzung mit sich selbst sowie die Fähigkeit zur Reflexion ist für Ölsböck ein weiterer Parameter. „Diese Fragen stellen sich besonders in der Lebensmitte, mit diesen Anforderungen muss man sich konfrontieren. Wer sich und sein Leben öfters überdenkt, kann mit Krisen besser umgehen.“ In der Bewältigung von Krisen liege etwas Stärkendes. „Das Wissen, etwas geschafft zu haben, motiviert, stärkt den Selbstwert – und ist damit entscheidend für das persönliche Wohlbefinden.“

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