Macht Cannabis doch nicht dumm?

Macht Cannabis doch nicht dumm?
Nicht das Kiffen, sondern die sozialen Umstände vermindern laut einer neuen Studie die Intelligenz jugendlicher Haschischraucher.

Macht Kiffen blöd oder doch nicht? Die Diskussion um die Wirkung von Cannabis ist durch eine aktuelle Studie neu entflammt. Erst im Sommer 2012 glaubte eine Forschergruppe um Terrie Moffit von der Duke University, die Frage endgültig beantwortet zu haben.

Bei der aufwendigen Studie wurden 1037 Neuseeländer von ihrer Geburt bis zu ihrem 38. Lebensjahr begleitet – dabei wurde unter anderem dokumentiert, ob und wie viel Cannabis die Teilnehmer konsumierten (der KURIER berichtete). Das Ergebnis: Wer schon vor seinem 18. Lebensjahr angefangen hatte zu kiffen, büßte später bis zu acht IQ-Punkte ein, berichteten die Forscher im Fachblatt PNAS.

Lebensumstände

Dem widerspricht jetzt allerdings der norwegische Ökonom Ole Rogeberg (wieder im Fachblatt PNAS). Ihm zufolge ist nicht das Kiffen für den IQ-Verlust verantwortlich, sondern der sozioökonomische Status der jugendlichen Konsumenten. Rogeberg: „Der Cannabiskonsum im Jugendalter ist eng mit Lebensumständen verbunden, die in vielen Fällen zu frühem Schulabbruch, Arbeitslosigkeit und Kriminalität führen können.“

Etliche Studien haben bereits belegt, dass das soziale Umfeld einen großen Einfluss auf die intellektuelle Entwicklung eines Kindes haben kann. Nach der Schule werden Kinder aus bildungsfernen Schichten weniger gefordert – der Intelligenzquotient kann sinken, so die Theorie Rogebergs. „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum in der Jugend und dem Intelligenzquotienten in der Studie überschätzt wurde. Die tatsächlichen Effekte gehen vielleicht sogar gegen null.“

Nicht nur Arme

Diese Vorwürfe lässt Moffitt nicht auf sich sitzen: Nur 23 Prozent der Untersuchten stamme aus Familien mit Eltern in niedrigqualifizierten Berufen. Die Auswertung zeige außerdem, dass die IQ-Ergebnisse von Kindern aus niedrigen Schichten generell stabil bleiben. „In den USA und Großbritannien konsumieren junge Menschen aller sozialen und ökonomischen Schichten Cannabis, der Konsum beschränkt sich nicht auf die Armen.“

Auf Österreich bezogen erklärt die Suchtforscherin Univ.-Prof. Gabriele Fischer von der MedUni Wien: „Im Oberstufenalter wird bei uns regelmäßig Cannabis probiert – im Rahmen des Risikoverhaltens. Problematisch wird es erst, wenn das regelmäßig und hochdosiert geschieht.“ Generell gelte: Je niedriger der sozioökonomische Hintergrund ist, desto eher werden Suchtmittel von Alkohol bis hin zu Rauschgift genommen.

Zur Frage, ob Cannabis blöd mache oder eben nicht, sagt Fischer: „Das ist eine Frage der Intensität und der Frequenz.“

Das medizinische Potenzial von Cannabis wird seit einigen Jahren intensiv erforscht und auch schon eingesetzt: Bei Krebs- und HIV-Patienten lindert es die Übelkeit, es hilft gegen Schmerzen bei Multipler Sklerose und wirkt sogar bei spastischen Schmerzen, bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen oder rheumatoider Arthritis. Auch im Einsatz gegen Depressionen und Migräne soll Cannabis hilfreich sein.

Allerdings verursacht der Hauptwirkstoff THC (Delta-9-Tetrahydrocannabinol) im medizinischen Einsatz keinen Rausch und wird auch nicht über einen Joint eingenommen. Die Cannabinoide werden in einem aufwendigen Verfahren aus Nutzhanf teilsynthetisch hergestellt und in Apotheken in Form von Kapseln oder Tropfen abgegeben. Dort sind sie nur auf ärztliche Verschreibung erhältlich. Während in vielen Ländern (etwa Spanien, Kanada, Niederlande, Deutschland) auch schon natürliches Cannabis für medizinische Zwecke zugelassen ist, bleibt dies in Österreich verboten.

Geschichte Cannabis ist eines der ältesten und bekanntesten Rauschmittel. Indien hat die psychoaktiven Wirkungen der Pflanze schon früh für kultische Handlungen genutzt. In Europa nutzte man Hanf lange Zeit zur Fasergewinnung. Erst im 19. Jahrhundert wurde die Rauschwirkung bestimmter Sorten bekannt, der Konsum verbreitete sich aber später in den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts.

Wirkstoffe Die berauschende Wirkung haben nur die weiblichen Pflanzen der Cannabis sativa durch den psychoaktiven Hauptwirkstoff
Tetrahydrocannabinol (THC). Dieses und andere rauscherzeugende Inhaltsstoffe (Cannabinoide) befinden sich außerdem im Harz der Drüsenhaare. Legal und zur Fasergewinnung dürfen nur Hanfsorten mit einem THC-Gehalt von maximal 0,2 Prozent gezüchtet werden.

Unterscheidung Bei Marihuana (umgangssprachlich Gras) handelt es sich um die getrockneten, meist zerkleinerten harzhaltigen Blütentrauben und blütennahen, kleinen Blätter der weiblichen Pflanze. Haschisch (auch Shit oder Dope) besteht aus dem extrahierten Harz, das auch zu Haschischöl weiterverarbeitet wird. Der THC-Gehalt kann abhängig von der Pflanzensorte, Anbaugebiet und -sorte sowie der Verarbeitung der Pflanzen stark variieren.

Konsum Cannabis kann geraucht (pur oder zusammen mit Tabak), aber auch in Nahrungsmitteln (etwa in Tee oder Süßspeisen) verarbeitet und verzehrt werden. Die Wirkung hängt von der Art des Konsums, der Menge, der Grundstimmung und der psychischen Stabilität des Konsumenten ab.

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