Wo die Linkshänder anecken

Wo die Linkshänder anecken
Menschen, deren dominante Hand die linke ist, fühlen sich noch immer klar benachteiligt.
Von Uwe Mauch

Sie erzählt, dass sie ihrer Mutter viel zu verdanken hat. Ihre Mutter, Jahrgang 1940, ist Linkshänderin wie sie. Doch das Schreiben lernen musste sie mit der "schönen Hand", wie das viel zu lange hieß, mit ihrer Rechten.

13. August, es ist wieder einmal Linkshändertag, heuer bereits zum 40. Mal. Wieder machen Betroffene weltweit darauf aufmerksam, dass sie in der Rechtshänder-Welt benachteiligt werden.

Als Eva-Maria Huger zu Beginn der 1970er-Jahre in die Volksschule kam, gab es noch ausreichend Pädagogen, die in alter Tradition die Linkshänder als patscherte Depperln abtaten.

"Meine Handarbeitslehrerin hat mir gleich in der ersten Klasse zu verstehen gegeben, dass sie mir nichts beibringen kann", erinnert sich die Linkshänderin noch immer ungern. Dabei hatte sie durch das spiegelverkehrte Nachahmen ihrer Mitschüler absolut brauchbare Handschuhe gehäkelt.

In ihrem Zeugnis stand dennoch unter lauter Einsern dieser zum Heulen anregende Zweier, dafür aber auch wenige Tage später eine sehr entschlossene Mutter vor der uneinsichtigen Pädagogin. Der Rest löste sich bald in Wohlgefallen auf.

Inzwischen hat sich in den Schulen des Landes die Erkenntnis durchgesetzt, dass Links- ebenso wie Rechtshändigkeit angeboren ist und das Umlernen zu Konzentrations- und Gedächtnisschwächen führen kann, ebenso zu Schwierigkeiten beim Erlernen des Schreibens sowie beim schnellen Schreiben. "Pseudo-Rechtshänder" klagen außerdem über geringere Belastbarkeit und das mangelnde Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit.

Pseudo-Rechtshänder

Auch zum 40. Linkshändertag wird spekuliert, wie viele Menschen tatsächlich Linkshänder sind, aber mit rechts schreiben und werken: Während die einen felsenfest überzeugt sind, dass gleich viele Links- wie Rechtshänder geboren werden, geht eine deutlich konservativere Schätzung von ungefähr zehn Prozent aus.

Abseits dieser Debatte haben Linkshänder in einer für sie verkehrten Welt viel zu tun und zu denken, um mit links alles in den Griff zu bekommen. Eva-Maria Huger erzählt, dass sie 48 Jahre alt werden musste, um den Segen eines Brotmessers für Linkshänder kennen lernen zu dürfen: "Es ist für mich noch immer unglaublich, wie viel weniger Kraft ich jetzt beim Brotschneiden aufwenden muss."

Die Liste der Werkzeuge, die für sie im Alltag hilfreich sind, beginnt beim Bleistiftspitzer und reicht über den Suppenschöpfer bis hin zur Gartenschere. "Leider gibt es für uns Linkshänder immer noch zu wenige Geschäfte."

Die diplomierte Montessori-Pädagogin rät aus eigener Erfahrung Eltern, genau darauf zu achten, mit welcher Hand ihr Kind bevorzugt greift. Dass diese Frage nicht immer einfach zu beantworten ist, zeigt die Erfahrung mit ihrer zweitältesten Tochter: "Da bin ich mir noch immer nicht sicher, ob sie nicht auch Linkshänderin ist."

Ist mein Kind Linkshänder?

Anhaltspunkte:

+ Beim spontanen Greifen nach Gegenständen, die für beide Hände gleich weit entfernt sind;

+ bei spontanen Gesten (Hinzeigen, Grüßen, Winken);

+ bei der Einsatz der Hand beim Spielen (Schieben eines Autos, Bewegen von Bausteinen oder Spielfiguren);

+ bei nicht gelenktem Musizieren (Trommeln oder Zupfen von Saiten);

+ bei feinen Greifbewegungen (z. B. Pinzettengriff, dabei lernt die dominante Hand zuerst);

+ beim Öffnen einer Flasche.

Wenig aussagekräftig ist dagegen die Verwendung von Stiften und Besteck, weil das Handhaben von Werkzeugen häufig nachgeahmt wird.

Tipp, solange Unklarheit herrscht

Sagen und zeigen Sie Ihrem Kind deutlich, dass es als Links- oder Rechtshänder gleichermaßen erwünscht ist.

Reichen Sie Ihrem Kind Gegenstände zur Körpermitte hin, ermöglichen Sie so die freie Wahl. Legen Sie ebenso das Besteck mittig in den Teller.

Wenn Sie mit dem Kind Handlungsabläufe trainieren, bieten sie beide Varianten an.

Akzeptieren Sie unkommentiert sowohl die linke als auch die rechte Hand zum Gruß.

Schützen Sie Ihr Kind vor den gut gemeinten Ratschlägen anderer Bezugspersonen.

Service für Linkshänder

Beratung und Testung von der ausgebildeten Linkshänder-Betreuerin Andrea Hayek-Schwarz in Wien.

Linkshändershops gibt es unter anderem in Wien und Bludenz.

Verein zur Förderung linkshändig begabter Menschen.

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