Konkurrenz für Viagra: Das blaue Wunder wird „grün“

Der Patentschutz von Pfizer ist am 22.Juni ausgelaufen. Nun gibt es auch steirisches Viagra zum Kauen.

Das Geschäft mit der Potenz läuft besser denn je. Allein im Vorjahr machte der Patentinhaber Pfizer rund 1,5 Milliarden Euro Umsatz damit. Seit 22. Juni dürfen auch andere Firmen das Potenzmittel vertreiben.

Aktuell sind laut AGES 26 Generika im österreichischen Arzneispezialitätenregister gelistet, die mit gleicher Wirkung und Sicherheit als Alternative zu Viagra verwendet werden können. Ob sie tatsächlich alle vermarktet werden, ist offen.

Unter ihnen ist auch ein echt steirisches Produkt – vom Medikamenten-Hersteller Gerot Lannach. Dessen Geschäftsführer sind der ehemalige Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (ÖVP) und dessen Ehefrau. Ein Firmensprecher verriet im Vorfeld: „Wir bringen eine Kautablette mit Minzgeschmack heraus, die deutlich günstiger sein wird.“ Also wird es künftig Potenzhilfe „made in Austria“ geben – in Form eines Minz-Zuckerls.

15 Jahre ist es her, seit mit Viagra die „zweite sexuelle Revolution“ begonnen hat und müde Lenden wieder zum Leben erweckt wurden. Doch war es stets ein teures Vergnügen, denn Viagra ist rezeptpflichtig und kostet 56 Euro (für eine Packung mit vier Tabletten). Das hauseigene Pfizer-Nachahmerprodukt, das unter dem Wirkstoffnamen „Sildenafil“ herauskommt, gibt’s künftig um 40,60 Euro. Auf dem Potenzmarkt ist eine regelrechte Preisschlacht zu erwarten.

Internet-Handel

Schon bisher machten nicht zugelassene Billig-Angebote aus dem Internet dem blauen Wunder gehörig Konkurrenz. Die Zollbehörden beschlagnahmen gefälschte Potenzmittel mit teils wirkungslosen und teils gefährlichen Inhaltsstoffen. Mediziner werden daher nicht müde zu warnen, dass die unkontrollierte Einnahme sogar tödliche Folgen haben kann.

Dass Viagra kein Allheilmittel für potenzschwache Männer ist, erklärt Univ.-Prof. Karl Pummer, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Urologie und Andrologie: „Viagra ist keine Orgasmusgarantie, sondern eine Erektionshilfe. Sie können eine ganze Schachtel Viagra einwerfen – wenn Sie sich nachher an die Buchhaltung setzen und keinen sexuellen Anreiz haben, wird sich nichts tun.“ Und auch die sexuelle Lust wird durch Viagra nicht beflügelt: „Die Libido hängt mit dem Testosteron und der psychischen Bereitschaft zusammen.“

In zweierlei Hinsicht hat die Potenzpille viel verändert, sagt die Sexualmedizinerin Elia Bragagna: „Wenn die Potenz nachlässt, fangen Männer oft an, sich zurückzuziehen und werden sprachlos. Die Partnerin bemüht sich umso mehr, verzweifelt und die Unzufriedenheit sinkt auf beiden Seiten ins Bodenlose. Viagra hat vielen Paaren geholfen, die persönliche und sexuelle Zufriedenheit wieder zu verbessern.“ Angesichts der Mengen, die verkauft werden, macht Bragagna auf einen weiteren Aspekt aufmerksam: „Es müssen viele verunsicherte Männer herumlaufen, die für diese hohen Umsätze sorgen. Die Tablette macht sie sicherer in ihrer Sexualität und erfüllt die Funktion einer wichtigen Krücke.“

Erhöhter Druck

Auf der anderen Seite hat die Potenzpille den Druck auf die stressgeplagten Männer erhöht, funktionieren zu müssen. Pummer: „Eine Potenzschwäche hat oft organische Ursachen wie Herzprobleme oder Diabetes, die abgeklärt werden müssen.“ Oft stecken psychische Ursachen, Versagensängste oder falsche Zielvorstellungen dahinter. „Etwa, wenn Männer glauben, es sei normal, so lange wie in einem Pornofilm durchzuhalten. Durch die Versagensangst baut sich viel Druck auf.“ Das führe dazu, dass die Qualität der Sexualität auf die Stärke der Erektion reduziert wird, sagt Bragagna. „Eine gute Erektion gibt zwar beiden Partnern Sicherheit, aber Männer haben oft gar kein Gespür mehr für Sexualität, sondern wollen nur noch funktionieren.“

Insofern gibt das Potenzmittel eine kleine Starthilfe, sagt Pummer: „Manche haben die Pille nur ein paar Mal gebraucht und danach ging es eh wieder von selbst. Wir empfehlen, es zwischendurch ohne Pille zu versuchen.“

Konkurrenz für Viagra: Das blaue Wunder wird „grün“
Konkurrenz für Viagra: Das blaue Wunder wird „grün“

Dass sich Menschen mit der männlichen Potenz und deren Erhaltung bzw. Steigerung beschäftigen, hat Tradition. Mitunter griff man zu harten Bandagen. Im 18. Jahrhundert kam etwa der „russische Ring“ als mechanisches Hilfsmittel zum Einsatz. Das Wirkprinzip ähnelte dem Viagra von heute: Der Ring verhinderte, dass das Blut zu schnell aus dem Penis abfließt.

Im frühen 20. Jahrhundert verbreitete sich die Penispumpe. In Europa heute weniger populär, sorgt sie in den USA nach wie vor für Höhenflüge. Die Pumpe wird über den Penis gestülpt und erzeugt einen Unterdruck, der den Schwellkörper steif werden lässt. Nach Abnahme der Pumpe verhindert wiederum ein Penisring, dass die Erektion zu rasch nachlässt.

Injektionstherapie

Die ersten Versuche der Medizin, die männliche Potenz zu steigern, waren meist invasiv. In den 1980er-Jahren verhalf die sogenannte Injektionstherapie den leidgeplagten Männern zu neuen Höhenflügen. Die Sehnsucht nach sexueller Erfüllung ließ Männer zur Spritze greifen, um sich diese direkt in den Penis zu injizieren. Kleiner Haken: Die Spritzen mussten stets gekühlt aufbewahrt werden – das erwies sich vor allem für Urlaube als unpraktisch.

Bei der Injektionstherapie konnte es außerdem vorkommen, dass die Erektion kam – und blieb. So massiv, dass dies mitunter zu Schmerzen führte.

In manchen Fällen wurde Männern mit einem Gel geholfen, das in die Harnröhre eingebracht werden musste. Doch weil es viele Ursachen für Erektionsprobleme gibt, half das Gel nicht jedem zu Stehvermögen. Erst mit der legendären blauen Pille gelang der Durchbruch – zumindest für jene, bei denen sie hilft. „Er“ kann sie ohne Aufwand einnehmen und vor allem, ohne dass es die Partnerin bemerkt. Doch auch Viagra ist nicht für jeden gleich geeignet. Als Alternativen gibt es daher noch immer die oben erwähnten „guten, alten“ Methoden.

Viele haben sich daran schon versucht, alle sind gescheitert. Die weibliche Sexualität lässt sich offenbar nicht ganz so einfach steuern wie die männliche. Außerdem hat die Wissenschaft viel später begonnen, sich der weiblichen Libido zuzuwenden.

Studien zufolge leidet zumindest jede zehnte Frau unter einer Form von Lustlosigkeit. Das Problem: Es gibt viele Dinge, die ihr die Freude an der Sexualität verderben können. Das Spektrum reicht von hormonellen oder organischen Störungen über Depressionen, Diabetes bis hin zu Beziehungsproblemen. Die Sexualmedizinerin Elia Bragagna erzählt: „Es gab etwa viele Testreihen, bei denen Frauen Testosteron verabreicht wurde. Das hilft jenen, denen die Eierstöcke entfernt wurden oder die einen niedrigen Testosteron-Spiegel haben. Doch Frauen mit einem normalen Testosteron-Spiegel bekommen davon nur eine unreine Haut bis hin zu Bartstoppeln.“ Auch Versuche mit Viagra für Frauen sind bisher immer gescheitert.

„Lybrido“

Aktuell weckt ein neues Präparat Hoffnung: Die US-Gesundheitsbehörde FDA entscheidet derzeit über die Zulassung von „Lybrido“. Entwickelt von dem holländischen Biochemiker Adriaan Tuilten, vereint es offenbar Testosteron und eine Viagra-ähnliche Substanz. Bisherige Studien sollen „sehr beeindruckende“ Ergebnisse geliefert haben. In den Niederlanden ist die Pille bereits als sicher und wirksam eingestuft. Der Entwickler hofft, sie bis Ende 2016 auf den europäischen und auf den US-Markt bringen zu können.

Bragagna ist dennoch skeptisch: „Es sind schon einige kurz vor dem Ziel gescheitert.“ Das Grundproblem: Frauen haben zwei Arten von Erregung – die genitale und die subjektive. „Es braucht aber die subjektive Erregung, damit sich genital etwas tut. Das Dilemma ist, dass ein Großteil der betroffenen Frauen gar nicht spürt, wenn sie stärker durchblutet sind, weil sie keinen Kontakt zu ihren Genitalien haben.“

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