Könnten Dämme die schwindenden Gletscher Europas ersetzen?

Könnten Dämme die schwindenden Gletscher Europas ersetzen?
Das haben Schweizer Klimaforscher untersucht. Sie behaupten, dass zwei Drittel der im Sommer fehlenden Wassermenge durch ein aktives Wassermanagement kompensiert werden könnten.

Stauseen könnten in Zukunft den Wassermangel lindern, der angesichts schwindender Gletscher im Sommer zu erwarten ist. Dies berichtet ein Forscherteam der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL, das die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gletscher in den europäischen Alpen simuliert hat. Es kommt zum Schluss, dass zwei Drittel der im Sommer fehlenden Wassermenge durch ein aktives Wassermanagement kompensiert werden könnten.

Viele Flüsse Europas werden von Wasser aus Schnee und Gletschern gespeist. Steigen die Temperaturen, werden schneebedeckte Gebiete kleiner und über kürzere Zeit bestehen, während die Gletscher erheblich schrumpfen. Deshalb ist zu erwarten, dass im Sommer künftig deutlich weniger Wasser aus dem Hochgebirge zur Verfügung steht.

Die in der Fachzeitschrift Environmental Research Letters veröffentlichte Studie schätzt nun erstmals ab, wie dieser Mangel durch aktives Wassermanagement gelindert werden könnte. Die Idee ist es, das im Frühjahr wegen der früheren Schmelzsaison verfügbare zusätzliche Wasser in die Sommermonate hinüberzuretten. Dies könnte durch das temporäre Speichern des Wassers in Stauseen erfolgen, berichten die WSL, die Gemeinsame Forschungsstelle (JCR) der Europäischen Kommission in Ispra, Italien, und die Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW) der ETH Zürich.

Mit Hilfe der neusten Klimaprognosen und einem numerischen Gletschermodell schätzen die Forschenden, dass diese Strategie bis Ende des Jahrhunderts bis zu zwei Drittel (65%) der erwarteten Wasserdefizite ausgleichen könnte. Dazu müsste etwa ein Kubikkilometer Wasser zwischengespeichert werden, was einem Wasserwürfel mit einer Kantenlänge von einem Kilometer entspricht.

Künstliche Dämme

Als etwas provozierendes Gedankenspiel verglichen die Autoren diesen Speicherbedarf mit dem Speichervolumen, das verfügbar wäre, wenn künstliche Dämme an den Standorten der schrumpfenden Gletscher gebaut würden. Sie platzierten dazu in ihrem Modell virtuelle Dämme an derzeitigen Gletscherstandorten und berechneten das Volumen der dadurch gebildeten Seen. Es zeigte sich, dass damit zehnmal mehr Wasser als das tatsächlich benötigte Volumen verfügbar wäre. Etwa ein Dutzend zentralisierter Dämme könnten den Speicherbedarf decken.

Diese technische Lösung würde allerdings nur einen Teil des Problems beheben, warnen die Autoren. Zum einen müsste man das Wasser der vielen Alpengletscher (gegenwärtig etwa 4.000) irgendwie zu diesen großen, zentralisierten Dämmen bringen. Andererseits könnte das Speichern des Wassers bis zum Sommer den durch den Gletscherschwund bedingten Wasserverlust nicht wettmachen. Die Forschenden schätzen, dass der Abfluss von Wasser aus Gletschern in den europäischen Alpen bis 2100 um eine Menge schrumpft, die etwa 80 Prozent des heutigen Trinkwasserverbrauchs der Schweiz entspricht.

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