Kardiologie-Ziel: LDL-Wert von Neugeborenen
Die Konzentration an "bösem" LDL-Cholesterin im Blut kann offenbar gar nicht niedrig genug sein, um "Herzinfarkt & Co." zu verhindern. Neue Behandlungskonzepte erlauben die Absenkung auf sogar unter 50 Milligramm LDL-Blutfett pro Deziliter. Das entspricht dem Wert von Neugeborenen, sagte der Wiener Kardiologe Gerald Maurer bei einer Pressekonferenz in Wien.
Den Hintergrund bildet die Jahrestagung der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft (ÖKG), die in den kommenden Tagen in Salzburg stattfindet. Dort stehen wissenschaftliche und standespolitische Themen der Herzspezialisten im Mittelpunkt der Vorträge und Diskussionen.
Brandneu sind die Daten zur möglichst intensiven LDL-Cholesterinsenkung, zumindest bei Risikopersonen. Ein Eckpunkt ist hier die IMPROVE-IT-Studie, bei der bei Patienten nach einem akuten Herzkreislauf-Ereignis (Herzinfarkt, instabile Angina pectoris) der LDL-Cholesterinwert mit einem herkömmlichen Statin-Präparat (Simvastatin) und noch zusätzlich mit dem Wirkstoff Ezetimibe gesenkt wurde. Ezetimibe verringert die Rückresorption von Cholesterin aus dem Darm.
Geringeres Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko
Gerald Maurer, Leiter der Klinischen Abteilung für Kardiologie im Wiener AKH: "Die Patienten hatten an sich schon die Zielwerte erreicht. Bei der Gruppe, die Ezetimibe zusätzlich erhalten hatte, wurde ein zusätzlicher Effekt erzielt." So zeigte sich, dass die Absenkung von 69,9 Milligramm LDL pro Deziliter Blut auf 53,2 Milligramm - ein extrem niedriger Wert - das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko (Schlaganfälle: minus 21 Prozent) weiter senkte.
Maurer: "Ich glaube, dass die Empfehlungen für die LDL-Senkung weiter herunter gehen werden. 50 Milligramm LDL pro Deziliter sind der Wert eines Neugeborenen. The lower the better." Mit den in Zulassung befindlichen monoklonalen Anti PCSK9-Antikörpern dürften in Zukunft noch schärfere Medikamente zur Cholesterinsenkung zur Verfügung stehen. Sie kommen vor allem für Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie, Unverträglichkeit für Statine und für Personen infrage, bei denen die herkömmlichen Medikamente nicht ausreichend wirken.
"Symptom versus Prognose - Nutzen versus Risiko"
Die Jahrestagung der ÖKG mit ihrem Präsidenten Franz Weidinger (Rudolfstiftung Wien) steht unter dem Motto "Therapieziel: Symptom versus Prognose - Nutzen versus Risiko". Es gehe darum, für die einzelnen - oft schon hochbetagten Patienten - das Optimum für eine Verlängerung der Lebenserwartung und/oder der Lebensqualität zu wählen.
"Wir haben neue Möglichkeiten der Therapie komplexer koronarer Herzkrankheiten, mit denen wir Bypass-Operationen verhindern können (Stent-Interventionen per Katheter; Anm.). Bei Herzklappenveränderungen ist TAVI (Transkatheter-Aortenklappen-Implantation, Anm.) im Vormarsch", sagte Weidinger. Mit TAVI-Interventionen über einen Katheter, der über die Leisten-, manchmal bereits über eine Armarterie, bis zum Herz vorgeschoben wird, können mittlerweile auch "neue" Aortenklappen implantiert werden. Auch Mitralklappenersatz ist bereits möglich.
"Heute behandelt man damit Patienten, die ein zu hohes Operationsrisiko haben. Es ist aber abzusehen, dass TAVI in Zukunft auf große Patientengruppen anwendbar wird", fügte der Wiener Kardiologe hinzu. Gemeinsam mit den österreichischen Herzchirurgen soll deshalb von den Kardiologen ein TAVI-Register aufgezogen werden, um die Ergebnisse von Operationen und Katheter-Interventionen vergleichen zu können. Derzeit werden noch 70 bis 80 Prozent der Aortenklappen-Eingriffe per Operation durchgeführt, doch das dürfte sich in Zukunft stark ändern.
Herausforderung Demografie
Große Herausforderungen wird für Österreich die demografische Entwicklung bei den Herzspezialisten selbst bieten. "Derzeit gibt es 610 Kardiologen. Der Hauptteil von ihnen ist Mitte 50 Jahre alt. Ende 2020 müssten 366 Ärzte als Ersatz für ausgeschiedene Kollegen sowie zusätzlich 288 Ärzte aufgrund von Zusatzeffekten verfügbar sein. Das sind insgesamt 654 Kardiologen", warnte Wolfgang-Michael Franz, Chef der kardiologischen Universitätsklinik in Innsbruck.
Dem stehen ausgesprochen beschränkte Ausbildungskapazitäten sowie die neuen Ärzte-Arbeitszeitregelungen in den Krankenhäusern gegenüber. Laut Franz könnten im Jahr 2021 nur 44 Prozent der benötigten Herzspezialisten in Österreich ausgebildet werden. Kommende Woche soll auch für sie die Ausbildungsreform beschlossen werden. Mit der dafür nötigen Zeit von sechs statt bisher acht bis neun Jahre und der entsprechenden Struktur wird die Ausbildung in Österreich erstmalig auch international anerkannt sein.
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