"Jolie-Effekt": Anfragen zu Brustkrebs verfünffacht

Die Entscheidung Angelina Jolies zur Brustentfernung hat zu deutlich mehr Bewusstsein geführt.

Wenn sich die für viele schönste Frau der Welt, Angelina Jolie, vorsorglich die Brüste entfernen lässt, um nicht an Brustkrebs zu erkranken, sorgt das weltweit für Aufsehen – und offenbar auch für Verunsicherung. Darauf weisen zumindest gestiegene Anfragen bei Brustkrebs-Experten hin.

Hochbetrieb herrscht etwa in der Ambulanz für erblichen Brust- und Eierstockkrebs am AKH Wien, wo genetische Beratungen durchgeführt werden. Hier haben sich die Anfragen von täglich ein bis zwei auf zehn verfünffacht. „Es ist explodiert“, berichtet Univ.-Prof. Christian Singer. „Wir kommen kaum zurande, die Wartezeiten sind sehr lang.“ Auch in vielen der österreichweit 60 Beratungsstellen (www.brustgenberatung.at) stiegen die Anfragen deutlich. Singer merkt die Verunsicherung der Anruferinnen. „Viele erkundigen sich zu Recht, weil in ihrer Familie Brustkrebs gehäuft auftritt. Andere sind grundlos in Panik, weil ein entferntes Familienmitglied Brustkrebs hat.“ Die Devise laute: Aufklären, informieren, beruhigen.

Eine Totalentfernung, für die sich Angelina Jolie entschied, ist nur eine von mehreren Optionen. Und nur dann, wenn Mutationen der Brustkrebsgene BRCA 1 oder BRCA 2 festgestellt werden. Diese Frauen gelten als Hochrisiko-Patientinnen. Ihr Brustkrebs-Risiko, liegt bei 85 Prozent. Das trifft auf rund 25.000 Österreicherinnen zu. Singer: „15 bis 20 % dieser Frauen entscheiden sich für eine vorbeugende beidseitige Mastektomie.“

Einschnitt

Der Verlust der Brust ist für jede Frau ein massiver Einschnitt, weiß Prim. Thomas Hintringer, Präsident der Gesellschaft für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie. „Die Wiederherstellung nach der Tumorentfernung ist ein wichtiger Schritt zurück zum weiblichen Körperbild.“ Früher war eine Komplettentfernung die einzige operative Möglichkeit bei Brustkrebs. „Heute operieren wir zu 80 Prozent brusterhaltend.“

Dazu stehen in der sogenannten onkoplastischen Chirurgie viele Möglichkeiten zur Verfügung (siehe links). Etwa die Entscheidung, ob die Brust mittels Eigengewebe oder Implantat rekonstruiert wird. Jede Methode hat Vor- und Nachteile und passt nicht für jede Frau. Auch grundlegenden Infobedarf gebe es immer wieder: „Brusterhaltend zu operieren, heißt nicht, dass die Brust wie vorher aussieht. Das muss man vermitteln.“ Ziel sei eine möglichst harmonische Form. „Leider sehen wir noch immer schlechte ästhetische Ergebnisse, die nicht sein müssten.“

Die Arbeit des plastischen Chirurgen beginne nicht erst mit dem Skalpell. Schon das erste Gespräch gehört zur Behandlung. Auch wenn noch nicht klar ist, wie viel Brustgewebe entfernt werden muss. „Das Wissen, was im Fall des Falles möglich ist, gibt Frauen das Gefühl, handlungsfähig zu bleiben.“

„Frauen möchten die Normalität wieder zurück“, sagt Uni-Professor Lars-Peter Kamolz, plastischer Chirurg am Uni-Klinikum in Graz. „Eine Brust, die normal aussieht, mit der man sich auf die Straße wagt.“

Eine Studie unter 1000 Österreicherinnen bestätigt die Einschätzung des Mediziners. Befragt, was für sie an einer rekonstruierten Brust am wichtigsten sei, erreichte die „passende Größe“ 70 Prozent der Zustimmung, gefolgt von 67 Prozent für „eine schöne Form der Brust“. 61 Prozent Zustimmung bekam das „normale Aussehen“, 48 Prozent das „gute Gefühl beim Blick in den Spiegel“.

Echter und ästhetischer

Die Hälfte aller Frauen wünscht sich, dass eigenes Gewebe beim Wiederaufbau verwendet wird. Das habe Vorteile, betont Kamolz: Die Brust wirke echter und ästhetischer. Außerdem sei das Risiko, dass es durch den Eingriff zu Komplikationen komme, geringer als bei der Verwendung von Silikon. Diese Methode werde vermehrt nachgefragt.

Dabei entnehmen die Ärzte etwa einen Teil der Bauchdecke samt Unterhautfett und formen eine Brust. Das funktioniert auch mit Material aus Oberschenkel, Gesäß und Rückenmuskel. Die Brustwarzen werden ebenfalls daraus gestaltet.

Eigengewebe und Implantat lassen sich auch kombinieren. Unter dem Hautmuskellappen einer anderen Körperregion wird das Silikonkissen eingebettet und platziert.

Es gibt auch die ausschließliche Verwendung von Implantaten, für die sich Angelina Jolie entschieden haben dürfte: Der Chirurg setzt das Silikonkissen unter die Haut und gestaltet die Brust. Man kann sie zuvor mit einem Expander dehnen.

Es ist möglich, die Brust gleich nach der Krebs-OP wieder aufzubauen, der Eingriff dauert vier bis sechs Stunden. Die psychische Belastung ist geringer, Haut kann meist erhalten werden. Wird die Rekonstruktion später durchgeführt, erfolgt die Operation frühestens ein halbes bis ein Jahr später.

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