„Healthness“ als neuer Megatrend

„Healthness“ als neuer Megatrend
Mehr Menschen werden einen gesunden Lebensstil pflegen, prophezeit Matthias Horx.

Wellness war gestern: „Healthness ist die nächste Stufe des Megatrends Gesundheit“, sagte Donnerstag Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx. Er sprach beim Forum Hospital Management in Wien, welches das Wiener AKH, die Executive Acadamy der WU Wien und die Vinzenz-Gruppe (Träger von Ordensspitälern, Pflege- und Rehaeinrichtungen) organisierten. Schulmedizin und Alternativmedizin werden in Zukunft eine „neue Integrationsmedizin“ bilden, der Arzt wird zum Mittler zwischen beiden werden, so Horx.

KURIER: Die Zahl der übergewichtigen Menschen steigt, ebenso die der jungen Raucherinnen. Auch das Ausmaß der täglichen Bewegung ist in vielen anderen Ländern höher. Ist Gesundheit wirklich ein Megatrend in Österreich?
Matthias Horx: Diese Zahlen sind selektiv ausgesucht. In manchen Ländern ist die Obesity-Epidemie (Fettleibigkeit, Anm.) bereits am Zenit angekommen und verbessert sich wieder. In der Tat bewegen sich in Finnland mehr Menschen täglich – nur vier Prozent der Finnen machen keinen Sport. Aber dennoch sind heute mehr Menschen auf dem Weg in gesündere Lebensweisen als früher, auch in Österreich. Mehr Menschen machen Ausdauersport, und in der Gesamtbevölkerung geht die Raucherquote deutlich zurück. Allerdings gibt es auch eine „hartnäckige“ Gruppe von Menschen, die sich nie bewegt und schlecht ernährt, die blind auf die technische Medizin setzt, die den Herzinfarkt dann schon reparieren wird... Die Gesundheit polarisiert sich also: Es gibt mehr Fitte, aber auch mehr chronisch-multipel Kranke, die es eigentlich nicht sein müssten. Das traditionelle, „technische“ Gesundheitssystem ist da bisweilen auch unfreiwilliger Komplize falscher Lebensweisen.

Österreich hat eine hohe Lebenserwartung, aber bei den Jahren in Gesundheit liegen wir nicht an der Spitze. Auch die Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen steigt nur langsam.
Vorsorge löst nicht alles, und viele Menschen sind vielleicht auch zu Recht skeptisch, ob ihnen Untersuchungen bei Krankheiten nutzen, die man im Endeffekt nicht heilen kann. Da gibt es die Überzeugung: Lieber sterbe ich schnell und weiß bis kurz vor Schluss nichts von meinem Krebs. Das kann ich verstehen. Und dann haben wir in Österreich einfach das Problem mit den allzu leckeren Mehlspeisen... Ich gebe zu, da bin auch ich schwach. Aber wen können wir für die österreich-ungarische Küche zur Rechenschaft ziehen?

Warum bezeichnen Sie Gesundheit als „Megatrend“?
Wir sehen einfach, dass inzwischen in allen Bereichen das Kriterium Gesundheit eine Rolle spielt – im Wohnen, beim Reisen, beim Sex – „der Arzt empfiehlt mindestens zwei Mal wöchentlich“ – , natürlich bei der Ernährung. Im Grunde ist auch die Umwelt-Debatte eine Gesundheitsdebatte. Wenn man Menschen fragt, warum sie wollen, dass die Umwelt sauberer wird, sind nicht Naturschutz-Argumente, sondern Gesundheits-Wertungen maßgebend.

Wir nennen das Phänomen auch „Healthness“: Gesundheit wird eine Art Meta-Wert, eine Leitidee. Andererseits ist es sehr schwer, herauszufinden, was „gesund“ überhaupt ist.

Was ist es aus Ihrer Sicht?
Hier haben wir endlich eine Hinwendung zu einer ganzheitlicheren Diskussion. Wahre Gesundheit bedeutet Vitalität, Lebensfreude, Gemeinschaft, Motivation. Sich Herausforderungen suchen, eine gewisse Form von positivem Stress annehmen, ist viel wichtiger als die richtige Dosierung von Omega-3-Fettsäuren. Diese dynamische Auffassung von Gesundheit muss sich gegen einen eher mürrischen Verzichts-Gesundheitskult, billige Versprechungen der Vitaminindustrie und eine Schonungs-Ideologie durchsetzen. In der Industriegesellschaft ist ja alles irgendwie „gesund“, was uns möglichst wenig fordert. Gesundheit wird in den Freizeit-Sektor versetzt, und das Resultat ist jene „Wellness“, bei der man nach dem Bio-Schweineschnitzel auch noch massiert wird. Das macht echt dick! Meine These ist: erst wenn wir Gesundheit als Energie-Zustand, als aktive Lebensqualität verstehen, wird sich besseres Gesundheitsverhalten in der Gesellschaft durchsetzen. Nicht durch eine Verzichts- und Verbotsdebatte im Sinne von „Du darfst nicht“, und auch nicht durch Gemütlichkeits-Ideologie.

Auf der anderen Seite meinen Kritiker wie der deutsche Psychiater Manfred Lütz, das Streben nach Gesundheit sei schon bei vielen Menschen so etwas wie eine neue Ersatzreligion und ein „Gesundheitswahn“ geworden: „Die Menschen leben nur noch vorbeugend und sterben dann dafür gesund.“
Das ist schön provokativ formuliert, und es ist etwas dran. Die Frage ist nur, ob uns das weiterhilft. Denn es ist ja so: Wenn wir es nicht schaffen, ein Gesundheitssystem zu entwickeln, das effektiver in der Vorbeugung und effizienter in der Behandlung ist, werden wir uns als gesamte Gesellschaft an der Alterung ruinieren. Das ist die große Zukunftsaufgabe, und die Zukunftsforschung sucht hier nach Strategien, die funktionieren. Außerdem leben Hypochonder länger, weil sie öfter hinhören und hinfühlen, was in ihrem Körper vor sich geht. Hypochondrie kann auch, man glaubt es kaum, Spaß machen. Ich weiß, wovon ich rede...

Die Wirtschaftskrise hat in vielen Bereichen den Druck am Arbeitsplatz erhöht – psychosoziale Erkrankungen wie Burn-out nehmen zu. „Gleichzeitig wurden in der ersten Phase – international betrachtet – sowohl in Unternehmen als auch im öffentlichen Bereich Ausgaben z.B. für freiwillige Sozialleistungen wie Präventionsangebote oder auch Weiterbildungen zurückgefahren“, sagt Univ.-Prof. Gottfried Haber, Leiter des Centers für Gesundheitsmanagement der Donau-Universität Krems und einer der Referenten beim „Forum Hospital Management“.

Doch mittlerweile setze langsam eine Gegenbewegung ein: „Viele Firmen haben erkannt, dass sie die Bindung ihrer Beschäftigten an das Unternehmen erhöhen müssen. Denn langfristig verspricht nur diese Strategie den größten Erfolg – für Unternehmen, aber auch für das Gesundheitssystem insgesamt. Und deshalb wird jetzt wieder mehr in Präventionsprogramme investiert.“ Hier gebe es in Österreich verschiedene interessante Initiativen, sagt Haber: Sei es vom Hauptverband (etwa das geplante Mammografie-Screening-Programm, Anm.) oder das Modell der SVA, bei dem der Selbstbehalt reduziert wird, wenn vorher gemeinsam mit dem Arzt festgelegte Gesundheitsziele erreicht werden.

„Wir brauchen in Zukunft sicher mehr Angebote, wo Wissen um Prävention vermittelt wird“, so Haber. „Auf der anderen Seite macht uns die Krise aber auch bewusst, dass jeder Mensch Selbstverantwortung übernehmen muss. Firmen können ebenso wie das öffentliche Gesundheitssystem nur etwas anbieten, aber es kann nichts verordnet und niemand zu etwas gezwungen werden.“

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