Grippe-Saison "kann ziemlich heftig werden"

A woman is vaccinated against pandemic Influenza A (H1N1) virus in Marseille, November 12, 2009. France launches its swine flu vaccination programme for the general public. REUTERS/Jean-Paul Pelissier (FRANCE HEALTH)
Schlimmste Welle in den USA seit zehn Jahren. Auch heimische Experten sind besorgt.

Notstand wegen Grippe: Der Bürgermeister der Stadt Boston, USA, hat zu diesem drastischen Mittel gegriffen. Denn die Zahl der Erkrankten ist heuer zehn Mal so hoch wie im Vorjahr. Laut US-Gesundheitsbehörden handelt es sich um die schlimmste Grippewelle seit dem Winter 2003/2004. Mindestens 20 Kinder sind bereits als Folge einer Influenza-Infektion gestorben. Verantwortlich dafür ist ein Subtyp des Influenza-A-Virus (H3N2). Er verursacht schwerere Krankheitsverläufe als das „Schweinegrippe-Virus A/H1N1.

„Welches der beiden Viren sich heuer in Österreich durchsetzen wird, lässt sich derzeit noch nicht sagen – wir haben beide schon nachgewiesen“, sagt die Virologin Monika Redlberger-Fritz von der MedUni Wien. „Die Zahl der Virusnachweise steigt langsam an.“ „Noch ist die Grippe-Welle in Österreich nicht angelaufen“, so Christine Willerstorfer vom Gesundheitsdienst der Stadt Wien.

Allerdings gibt es derzeit eine sehr starke Aktivität bestimmter Erkältungsviren (RS-Viren): „Sie können besonders bei Kindern schwere, tiefe Atemwegsinfektionen auslösen“, sagt Redlberger-Fritz. Und auch eine Noroviren-Welle (diese führen zu Magen-Darm-Infekten) grassiert derzeit.

Eine Frage der Zeit

„Wir haben mehrere durchschnittliche Grippe-Saisonen hinter uns – es ist klar, dass wieder einmal eine stärkere kommen wird. Ob dieses Jahr oder erst danach – das lässt sich noch nicht sagen“, so Redlberger-Fritz. Sollte sich das H3N2-Virus ausbreiten, hätten die meisten Kleinkinder keinen Schutz: Voriges Jahr gab es nur eine sehr schwache A/H3N2-Welle, die beiden Jahre davor eine A/H1N1-Welle. „Die Kinder infizieren Eltern und Großeltern und sind die Motoren einer Epidemie. Über Kindergärten und Schulen breiten sich die Viren rasch aus.“

Sozialmediziner Univ.-Prof. Michael Kunze: „Noch ist es bei uns nicht dramatisch, aber wir können nichts ausschließen. Es kann noch ziemlich heftig werden.“
„Irgendwann kommt eine schwere Welle“, sagt Allgemeinmediziner Paul Prem, ärztlicher Leiter des Ärztefunkdienstes in Wien: „Es ist nur eine Frage der Zeit.“

In Teilen Europas steigen die Erkrankungszahlen bereits deutlich an: So melden die Schweizer Behörden bereits offiziell eine Grippe-Epidemie , auch Tschechien oder Frankreich verzeichnen deutlich steigende Virusnachweise. Beim Wiener Ärztefunkdienst nimmt man die Situation sehr ernst: „Wir stocken für die kommenden Wochenenden und Nächte die Zahl der fahrenden Ärzte auf bis zu 20 auf“, so die organisatorische Leiterin, Hanna von Schrader.

In den USA hat eine enorme Nachfrage nach „flu shots“ (Grippeschutzimpfungen) eingesetzt: Regional kommt es bereits zu Engpässen. „Eine Impfung ist jetzt auf jeden Fall noch sinnvoll“, betont Redlberger-Fritz.

Die US-Seuchenkontrollbehörde CDC wirbt unterdessen mit prägnanten Sprüchen für die Grippe-Impfung: „Spread fun, not flu“ (Verbreite Freude, nicht die Grippe). Der Chefmediziner Sanja Gupta des US-TV-Senders CNN rät: „Waschen Sie sich die Hände für die Dauer von zwei ,Happy-Birthday‘-Songs – mit Seife und Wasser.“

„Momentan haben wir viele Fälle mit akuten Magen-Darm-Infekten sowie RS-Viren (aggressive Erkältungsviren), die vor allem für Frühgeborene sehr gefährlich sind“, sagt Kinderarzt Peter Voitl. Die typische Influenza komme derzeit nur vereinzelt vor und wird sich, laut Voitl, erst in den den nächsten zwei Wochen ausbreiten. Auf die städtischen Kindergärten hatte dies bisher keine Auswirkungen. „Uns sind noch keine Krankheitsfälle gemeldet worden, auch nicht wegen Noroviren“, sagt Kerstin Waltz von der MA 10.

Keine Aufregung

„Die Apotheken sind jedenfalls vorbereitet und haben genug Impfstoff“, sagt die Sprecherin der Apothekenkammer, Gudrun Reisinger. Sie sieht keinen Grund zur Aufregung: „Es gibt keinen Ansturm oder Schlangen vor den Kassen. Klar, es ist gerade Erkältungszeit, aber das ist normal im Jänner. Wir sind gerüstet.“ Auch Allgemeinmediziner Rolf Jens beschwichtigt. In seiner Praxis ist es ruhig. „Im Augenblick gibt es keine Grippewelle, auch Norovirenerkrankungen sind im Abklingen. Erfahrungsgemäß geht’s wieder mit Beginn der Energieferien los. Da kommen die meisten Grippe-Patienten. Das hält sich drei bis vier Wochen lang. So war es zumindest in den letzten Jahren.“

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