Leibniz: Letzter Universalgelehrte starb vor 300 Jahren

Gottfried Wilhelm Leibniz lebte von 1646 bis 1716.
Der deutsche Philosoph, Mathematiker, Diplomat, Historiker und politischer Berater Gottfried Wilhelm Leibniz hinterließ 200.000 Seiten.

Gottfried Wilhelm Leibniz war Entdecker, Erfinder und Weltverbesserer. Das Universalgenie galt schon zu Lebzeiten als einer der wichtigsten Gelehrten der Frühaufklärung. Als er am 14. November 1716 siebzigjährig in Hannover starb, hinerließ er eine Zettelwirtschaft von 200.000 Seiten. Dabei hatte "ich beim Erwachen schon so viele Einfälle, dass der Tag nicht ausreichte, um sie niederzuschreiben“. Sein Werken wirkt immer noch nach.

Schmackhaftes Nachwirken

Es ist schon etwas unfair: Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) beschäftigte sich mit vielfältigen Themen wie Gesundheitspolitik, Theologie und der Entstehung der Erde. Viele Menschen denken bei dem Namen trotzdem zunächst an Kekse. Das süße Nachwirken ist Hermann Bahlsen zu danken.

Leibniz: Letzter Universalgelehrte starb vor 300 Jahren
Der Anfang des Jahres gestohlene goldene Bahlsen-Keks wird am 25.04.2013 während einer Pressekonferenz im Landesmuseum in Hannover (Niedersachsen) gezeigt. Der Keks wird im Rahmen der Ausstellung "Faszination Nofretete. Bernhard Hoetger und Ägypten" präsentiert. Im Mittelpunkt der Ausstellung (26.04. bis 25.08.2013) steht die Hinwendung des deutschen Künstlers (1874-1949) zur ägyptischen Kunst, die von seinem Mäzen und Gründer der Keksdynastie, Hermann Bahlsen, gefördert wurde. Foto: Holger Hollemann/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Der Unternehmensgründer aus Hannover brachte 1891 die „Leibniz Cakes“ auf den Markt und benannte sie nach dem berühmten Hofrat, der Jahrzehnte in Hannover wirkte. Ende des 19. Jahrhunderts war es durchaus üblich, Lebensmittel nach bekannten Persönlichkeiten zu benennen. Populär wurden etwa auch Bismarckhering, Schillerlocke oder Mozartkugel.

Mehr als nur ein Keks

Gottfried Wilhelm Leibniz wurde am 21. Juni (nach gregorianischem Kalender am 1. Juli) 1646 in Leipzig als Sohn eines Professors geboren. Zeit Lebens sprudelte er über vor Ideen und suchte Lösungen für die großen Fragen der Menschheit. Unerschütterlich war er getrieben von Optimismus. Der Philosoph, Mathematiker und Fürstenberater war bis zu seinem Tod überzeugt davon, die Welt verbessern zu können. Er wollte die Spaltung der Kirche überwinden und entwickelte eine Universalsprache, um Missverständnisse zwischen den Völkern zu beenden.

Leibniz: Letzter Universalgelehrte starb vor 300 Jahren
epa05082962 A view of the Leibniz memorial at the Opernplatz square in Hanover, Germany, 29 December 2015. Hanover is planning major commemorations of German philosopher Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) in 2016, which sees the 370th anniversary of his birth and the 300th anniversary of his death. EPA/HAUKE-CHRISTIAN DITTRICH

„Seine Visionen auf unterschiedlichsten Gebieten inspirieren Wissenschaftler bis heute“, sagt Michael Kempe, Leiter des Leibniz-Archivs in Hannover. So sei kürzlich ein Software-Entwickler aus den USA angereist, um in Leibniz' Schriften Anregungen für neue Algorithmen zu finden. Die niedersächsische Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek verwahrt den Nachlass des großen Denkers. Etwa 200.000 handschriftlich beschriebene Seiten lagern hier, darunter der zum Unesco-Welterbe gehörende Briefwechsel mit 1300 Briefpartnern rund um den Erdball. Leibniz dachte global und suchte die Nähe zu Russland und China, um von anderen Kulturen zu lernen.

In der Mathematik war der hochbegabte Wissenschaftler, der 40 Jahre lang als Hofrat und Bibliothekar des Welfenherzogs in Hannover wirkte, seiner Zeit weit voraus. Ohne das von Leibniz beschriebene Dualsystem gäbe es keine Computer. Seine Überlegung, dass Raum nichts Absolutes ist, verweist bereits auf Einsteins Relativitätstheorie. Mit Isaac Newton stritt er darüber, wer von beiden die Differential- und Integralrechnung erfunden hat.

Leibniz beschränkte sich nicht auf die Theorie, er war ein Forscher mit Hang zum Abenteuer. Der Hofrat kraxelte durch die Bergwerke des Harzes und konstruierte Windmühlen zum Antrieb von Pumpen. Weil ihm das Schreiben in der wackligen Postkutsche schwer fiel, entwarf er bequeme Reisesitze und Kabinen. Stets hatte der Frühaufklärer das große Ganze im Blick: Seine nie vollendete Geschichte der Welfen im Auftrag des Hofes begann Leibniz mit einer Abhandlung über die Entstehung der Erde. Grundlage waren auch eigene Fossilien wie ein versteinerter Mammutzahn.

„Er hat assoziativ gearbeitet und alles auf einmal gemacht“, erzählt Kempe. So kann sich auf einem einzigen Blatt eine technische Zeichnung, eine philosophische Idee, eine mathematische Formel und Klatsch vom Hofe finden. Später zerschnitt der Junggeselle, der gern seinen Wein mit Kirschsaft panschte, solche Zettel. Derzeit wird Leibniz' Werk „Mathematica“, das aus über 7000 Schnipseln besteht, mit modernster Computertechnik zusammengesetzt.

Leibniz: Letzter Universalgelehrte starb vor 300 Jahren
epa05082963 A view of the Leibnizhaus (C) in Hanover, Germany, 29 December 2015, where German philosopher Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716)lived and died. Hanover is planning major commemorations of Leibniz in 2016, which sees the 370th anniversary of his birth and the 300th anniversary of his death. EPA/HAUKE-CHRISTIAN DITTRICH

Das Gesamtwerk des Multi-Talents ist noch lange nicht erschlossen. Es ist vermutlich der größte Gelehrtennachlass der Weltgeschichte. Die bereits 1923 begonnene Gesamtedition der Schriften wird voraussichtlich bis zum Jahr 2055 dauern. Kempe glaubt, dass weitere Überraschungen in den Überlieferungen schlummern: „Leibniz hält Antworten bereit auf Fragen, die wir im Moment noch gar nicht stellen.“

Die vielen Veranstaltungen im Jubiläumsjahr haben das Universalgenie bekannter gemacht, ist der Leibniz-Experte Georg Ruppelt überzeugt. „Noch immer halten ihn mehr Menschen für einen Keksbäcker als für den Erfinder der Integral- und Differentialrechnung. Aber das ändert sich.“ Leibniz habe nicht nur Grundlagen für die digitale Welt gelegt. „Er war auch jemand, der den Ausgleich und den Frieden suchte.“

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