Coronavirus: Bei Blutgruppe A könnte das Risiko höher sein

Coronavirus: Bei Blutgruppe A könnte das Risiko höher sein
Eine deutsch-französische Studie hat Genvarianten gefunden, die den Verlauf der Krankheit beeinflussen. Eine betrifft das Gen für die Blutgruppeneigenschaft.

Warum erkranken manche Menschen schwer an Covid-19, während andere kaum Symptome zeigen? Diese Frage ist nicht restlos geklärt, hier werden verschiedene Einflussfaktoren diskutiert, Rauchen etwa als verstärkender Faktor, eine mögliche Teilimmunität durch häufige Infektionen mit harmlosen Schnupfen-Coronaviren als mildernder Faktor etwa, um nur zwei Beispiele zu nennen. Jetzt bringen deutsche und norwegische Forscher die Blutgruppen ins Spiel.

Bereits im März berichteten Forscher aus China, dass das Erkrankungsrisiko für Menschen mit Blutgruppe A höher sei als für Menschen mit Blutgruppe 0. Wissenschafter der Universität Kiel, des Uni-Klinikums Schleswig-Holstein und der Universität Oslo haben Genvarianten gefunden, die den Verlauf der Krankheit deutlich beeinflussen. Und eine dieser Varianten betrifft das Gen für die Blutgruppeneingeschaft.

Zentrales Ergebnis dieser Studie: Menschen mit der Blutgruppe A haben ein um etwa 50 Prozent höheres Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19 als Menschen mit anderen Blutgruppen. Menschen mit der Blutgruppe 0 waren hingegen um knapp 50 Prozent besser vor einer ernsten Covid-19-Erkrankung geschützt. Ihre Studie soll in Kürze in der Online-Ausgabe des New England Journal of Medicine veröffentlicht werden. Ein "Preprint", eine Vorveröffentlichung der vorläufigen Studienergebnisse, ist auf einem Preprint-Server erschienen.

Die Studie beruht auf der Auswertung der Blutproben von 1980 Intensivpatientinnen und -patienten aus Norditalien und Spanien, die mit Sauerstoff behandelt oder sogar künstlich beatmet werden mussten. Die Kontrollgruppe bestand aus 2205 zufällig ausgewählten Frauen und Männer aus Italien und Spanien. Innerhalb von drei Wochen wurde im Institut für Klinische Molekularbiologie in Kiel die DNA, die Erbsubstanz, aus den Blutproben isoliert und aus jeder Einzelnen 8,5 Millionen Positionen des Erbguts mit sogenannten Biochips (SNP-Arrays) vermessen.

"Mithilfe dieser großen Datenmenge haben wir wirklich interessante Regionen im Genom identifiziert, die das Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19 erhöhen beziehungsweise verringern", sagt David Ellinghaus, einer der beteiligten Forscher, in einer Aussendung des Uni-Klinikums Schleswig-Holstein. "Wir konnten, vereinfacht gesprochen, auf einer sehr großen Landkarte zeigen, wo die Musik spielt." Unter den besonders schwer Erkrankten fanden sich auch besonders viele Menschen mit Blutgruppe A. Verantwortlich dafür dürfte eine signifikante genetische Auffälligkeit im "AB0-Blutgruppen-Lokus" sein, jenem Genort, durch den die individuelle Blutgruppe bestimmt wird.

Darüberhinaus fanden die Forscher auf dem Chromosom 3 noch eine weitere genetische Variante, deren Träger ein zweifach erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf hatten.

"Die Ergebnisse waren für uns sehr spannend und überraschend“, sagt der Molekularbiologe Andre Franke. Gerade die Region auf Chromosom 3 war zuvor noch nicht mit Covid-19 in Zusammenhang gebracht worden. In anderen Regionen im Genom, für die ein Effekt auf die Erkrankung vermutet worden war, zeigten sich hingegen keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den gesunden Probanden und den Patienten.

"Mit dem Chromosom 3 und dem AB0-Blutgruppen-Lokus beschreiben wir echte Ursachen für einen schweren Verlauf von Covid-192", sagt Franke. "Unsere Ergebnisse schaffen daher eine hervorragende Grundlage für die Entwicklung von Wirkstoffen, die an den gefundenen Kandidatengenen ansetzen können." Auch könnten die Resultate zu einer verbesserten Risikoabschätzung für einen schweren Verlauf von Covid-19 bei Patienten beitragen.

Auf Spiegel Online wurde der Wissenschafter Peter Burgert vom Institut für Transfusionsmedizin und Immunologie an der Uni Heidelberg mit der Aussage zitiert, wonach in allen Studien belegt sei, "dass Blutgruppe A bei Covid-19-Patienten signifikant häufiger vorkommt als bei Gesunden". Ein ursächlicher Zusammenhang sei dadurch allerdings noch nicht bewiesen.

Praktische Konsequenzen

"Für den Hausgebrauch kann man aus dieser Studie noch nichts mitnehmen", sagte der Virologe Alexander Kekulé Dienstag in seinem MDR-Podcast. "Außer, dass ich vielleicht tatsächlich, wenn ich Blutgruppe A hätte oder in dem Fall auch AB, dass ich da etwas vorsichtiger wäre. Aber vorsichtig sein kann man ja bei dieser Erkrankung sowieso allen nur empfehlen." Möglicherweise brauchen aber Patienten mit Blutgruppe A  eine intensivere Überwachung und eine intensivere Therapie, haben bereits die Autoren der ersten chinesischen Studie gefolgert.

Über mögliche Gründe, wieso die Blutgruppe das Risiko der Schwere der Erkrankung beeinflusst, wird noch spekuliert. Eine Theorie: Antikörper, die bei Menschen mit der Blutgruppe 0 vorhanden sind, binden speziell an jene Eintrittspforte von Zellen, über die auch das Virus in die Zellen eindringt - und blockieren damit diese Pforte, diesen Rezeptor, für das Virus, sagt Kekulé. Dadurch können weniger Viren in die Zellen eindringen, die Krankheit verläuft milder.

 

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