Forscherstreit rund um einen "Bronzezeit"-Schatz

Bernstorfer Goldschatz
Ist das Gold von Bernstorf echt oder falsch? Jetzt geht ein jahrelanger Disput in die nächste Runde.

Die ersten Meldungen im Jahr 1999 waren im Jubel-Ton verfasst: "Ein in seinem Wert unschätzbarer Goldfund ist dem Münchner Internisten und Hobby-Archäologen Manfred Moosauer in Bernstorf bei Freising gelungen. Was Moosauer vor einem Jahr zunächst für Stanniolpapier gehalten hatte, entpuppte sich als sensationeller Fund aus der Zeit zwischen 1600 und 1400 vor Christus. Zur ersten Präsentation des Schatzes kam Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber ..." Bald spekulierte man über Kontakt zwischen Bayern und Ägypten in der Bronzezeit. Angeblich sollte das Gold von der gleichen Beschaffenheit sein wie Verzierungen in Echnatons Grab. Der Freistaat Bayern zahlte knapp 600.000 Euro für die Funde; ein eigenes Museum wurde eröffnet.

Doch dann kamen die Spielverderber in Gestalt der Metallurgen. Ernst Pernicka, Chemiker, Troja-Ausgräber, Österreicher und ausgewiesener Spezialist für antikes Metall, analysierte – ein Fake! Seine Begründung: Das Gold ist zu rein, um als echt alt durchzugehen, findet sich in Naturgold doch stets ein Anteil Silber und Kupfer. Die Bronzezeitler verfügten aber über keine Technik, um Gold derart zu läutern. Pernicka denkt: Die Stücke müssen nachträglich mit Industriegold der Neuzeit hergestellt worden sein.

300 Seiten Argumente

Der Ärger in Bayern war groß, man sprach von "Hass und Neid", überlegte, wie man den Fälschungsverdacht entkräften könnte – und legte dieser Tage einen 300 Seiten starken Katalog mit dem Titel "Bernstorf" vor. Rupert Gebhard, Leiter der Archäologischen Staatssammlung München und Rüdiger Krause, Frankfurter Experten für Früh- und Vorgeschichte, etwa argumentieren darin, es habe durchaus antike Methoden, die sogenannte Zementation, gegeben, um Gold zu reinigen. Quellen aus dem Vorderen Orient würden belegen, dass die Verwendung von hochreinem Gold in größerem Umfang üblich gewesen sei, als europäische Forscher wahrgenommen hätten.

Pernicka sieht das im Interview mit dem KURIER ganz anders: "Ich bleibe natürlich bei meiner Meinung! Aus unseren Analysen geht hervor, dass dieses Gold 99,9 Prozent fein ist." Die ETH Zürich und die Bundesanstalt für Materialprüfung in Berlin kamen zum selben Ergebnis. "Solch reines Gold kann man nur mit Elektrolyse herstellen, und die gibt es erst seit Ende des 19. Jahrhunderts", erklärt der Chemiker. "Die Autoren – Archäologen – verstehen nicht, dass es ein riesiger prozesstechnischer Unterschied ist, ob ich 99-Prozent- oder 99,9-Prozent-Gold herstellen will. Und es ist nochmals der selbe Unterschied zwischen 99,9 und 99,99 Prozent", erklärt der Chemiker.

Und das Argument mit der Zementation? "Diese Technik führt zu einer Reinheit von ungefähr 99 Prozent. Römische Goldmünzen weisen maximal 99,3 Prozent auf. Aber niemals mehr als 99,7 Prozent. In der Bronzezeit finden wir kein einziges Objekt, das weniger als ein Prozent Silber enthält. Und schon gar nicht eines, dass 99,9 Prozent fein ist."

Außerdem bestehe der Ornat aus Goldblech-Scheiben gleicher Dicke und Breite. "Das kennt man in der Archäologie überhaupt nicht", sagt der Wissenschaftler und verweist darauf, dass man solch standardisierte Plättchen im Internet kaufen könne.

Verräterische NadelFür Pernicka gibt es aber einen schlagenden Beweis: In der Erd-Umhüllung des Bernstein-Siegels, das ebenfalls zu den Fundstücken gehört, fand man eine Tannennadel. "Und die wurde C14-datiert. Ergebnis: Sie ist modern. Im Siegel war auch ein kleiner Goldstreifen, und der hat genau die gleich Zusammensetzung wie das andere Gold, obwohl die Bernsteine drei Jahre später entdeckt wurden.

Der deutsche Spiegel mutmaßt jedenfalls, dass das bayerische Kultusministerium mit Bangen auf die Publikation schaut. "Für die Wissenschaftler geht es um ihr Renommee, für den Staat um eine Menge Geld, das vielleicht für eine Fälschung ausgegeben worden sein könnte." Fortsetzung möglich.

Forscherstreit rund um einen "Bronzezeit"-Schatz
Wo der Fundort liegt.
Forscherstreit rund um einen "Bronzezeit"-Schatz
ARCHIV - Der Leiter der Ausgrabungen in Troja, der Tübinger Experte für Archäometrie, Prof. Ernst Pernicka, am 22.08.2008 in einem Geländeabschnitt, wo die lange gesuchte Fortsetzung eines Verteidigungsgrabens der spätbronzezeitlichen Unterstadt eine Unterbrechung erfährt und damit die Basis für eine Toranlage bildet. Der Tübinger Professor Ernst Pernicka vergleicht die Grabungen in Troja mit einem großen Puzzle. Dafür haben Forscher in den vergangenen Jahrzehnten etliche Teile ausgegraben. «Jetzt ist es an der Zeit, sie zusammenzusetzen», sagte Pernicka in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa vom Montag 28.05.2012. Bis 2015 will er sechs Bände vorlegen, die sowohl das Troja der «Ilias» beleuchten als auch Bedeutung der Stadt in der griechisch-römischen Zeit. Foto: Edgar Neumann dpa/lsw (Zu dpa-Gespräch: «Archäologe: Zeit für Bilanz bei Troja-Grabungen» vom 28.05.2012) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Der in Wien geborene Chemiker ist Professor für Archäometrie an der Uni Heidelberg und Spezialist für die Untersuchung archäologischer Funde mithilfe naturwissen-schaftlicher Methoden. Bekannt wurde er, als er Alter und Echtheit der Himmelsscheibe von Nebra bestimmte. Bis 2012 leitete er die deutsche Grabung in Troja.

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