Fall Charlie: Auch in Österreich entscheiden die Ärzte

Behandlung kann ohne Zustimmung der Erziehungsberechtigten beendet werden, heißt es bei der Patientenanwaltschaft: Die Eltern dürfen aber nicht alleine gelassen werden.

Wie im Fall des britischen Babys Charlie Gard, kann auch in Österreich die medizinische Behandlung eines Kindes ohne Zustimmung der Eltern beendet werden. Ausschlaggebend ist die Einschätzung der Ärzte, ob eine weitere Therapie möglich und medizinisch sinnvoll ist. Eltern sollen in derartigen Notsituationen aber keinesfalls alleine gelassen werden, forderte die Wiener Patientenanwaltschaft.

Die Eltern des todkranken Charlie hatten ihr elf Monate altes Kind für eine experimentelle Therapie in die USA bringen wollen, das Londoner Great-Ormond-Street-Krankenhaus hielt das für aussichtslos, die Eltern verloren den Rechtsstreit. "Wenn es klar ist, dass das Kind sterben wird, dann muss abgewogen werden, wie sehr eine experimentelle Therapie das Kind nur belastet", sagte Helga Willinger, Juristin bei der Wiener Patientenanwaltschaft, am Donnerstag im APA-Gespräch.

"Keine Möglichkeit, etwas durchzusetzen"

In Österreich seien Ärzte dazu verpflichtet, alle medizinischen Möglichkeiten auszuschöpfen. Die Frage sei, was damit erreicht werden könne, betonte Helga Willinger. Sie kenne im Fall Charlie keine Details, doch generell gelte, dass eine Behandlung abgebrochen werden kann, wenn keine medizinische Indikation mehr für deren Weiterführung gegeben ist. "Als Patient habe ich dann keine Möglichkeit, eine medizinische Behandlung durchzusetzen", sagte die Juristin.

Diese Umstände seien emotional extrem belastend für Eltern, deshalb müssen sie informiert werden, um die Entscheidung der Ärzte nachvollziehen zu können. "Ganz schlecht ist es, wenn man Eltern in solchen Notsituationen alleine lässt", sagte Willinger. Es käme jedoch nicht besonders häufig vor, dass Eltern sich bei der Patientenanwaltschaft in Wien beschweren, Kinderintensivstationen würden sehr professionell vorgehen.

Letztes Wort bei den Ärzten

Nicht nur bei einem Abbruch der Behandlung, sondern auch bei deren Weiterführung haben die Mediziner das letzte Wort, wenn das Kindeswohl gefährdet ist: Eltern als gesetzliche Vertreter ihres Kindes müssen zwar die Zustimmung zu einer Behandlung geben. Verweigern die Eltern diese jedoch, dann kann ein Gericht beispielsweise entscheiden, dass die Obsorge den Erziehungsberechtigten vorübergehend entzogen wird. Eine lebensnotwendige Behandlung wie eine Bluttransfusion kann dann trotzdem durchgeführt werden.

Mehr zum Thema:

Was die Leiterin der Bioethikkommission zu dem Fall sagt

Kommentare