Land der Trinker - Österreichs Alkoholproblem

Menschen in Österreich kommen immer früher in Berührung mit Alkohol
Der Europäische Gesundheitsbericht sieht Österreich in punkto Alkoholkonsum an der Spitze.
Von Uwe Mauch

Das Ergebnis ist aktuell, aber – leider – nicht überraschend: Die Österreicher finden sich in punkto Alkoholkonsum weiterhin in der Spitzengruppe. Dies geht aus dem Europäischen Gesundheitsbericht 2015 der Weltgesundheitsbehörde (WHO) hervor, der in der Nacht auf Mittwoch veröffentlicht wurde.

Österreicher über 15 Jahren trinken im Jahresschnitt mehr als zwölf Liter reinen Alkohol. Das ist weniger als die Spitzenreiter aus Weißrussland (14,4 Liter), aber doppelt so viel wie die Norweger (6,6 Liter) und neun Mal so viel wie die Türken (1,4 Liter).

Das Ergebnis passt in das Bild bisheriger Studien: Die Anzahl der Alkoholkranken steigt in Österreich weiterhin an. Mediziner gehen davon aus, dass bereits 340.000 Menschen betroffen sind. Weitere 735.000 Österreicher konsumieren regelmäßig Alkohol und damit in einem bereits gesundheitsschädlichen Ausmaß.

Alkoholkrank mit elf

Auf die Frage, warum das Gefährdungspotenzial weiter steigt, erklärt Primarius Michael Musalek vom Anton-Proksch-Institut: "Weil das Einstiegsalter weiter sinkt. Die Alkoholkranken werden bei uns immer jünger." Der international angesehene Suchtexperte weiß von Elf-, Zwölfjährigen, die bereits regelmäßig zur Flasche greifen.

Besonders fatal laut Musalek: "Je jünger, desto gefährlicher sind die körperlichen Folgeerkrankungen." Ein Schluss, der auch von den Autoren des aktuellen Gesundheitsberichts geteilt wird: Zu hoher Alkoholkonsum sei ein wesentlicher Faktor dafür, dass Menschen in Europa vorzeitig sterben.

Musalek wird nicht müde, von der Politik breitflächige Präventionsmaßnahmen zu fordern: "Und die müssen viel früher beginnen. Denn es reicht heute nicht mehr aus, Sechzehnjährige auf die Gefahren von Alkohol aufmerksam zu machen."

Im Gesundheitsministerium teilt man diese Ansicht. Eine Sprecherin erklärt, dass die Nationale Suchtpräventionsstrategie, die derzeit erarbeitet wird, im Sinne eines umfassenden Suchtansatzes auch Alkohol berücksichtigt.

Primarius Musalek kritisiert ferner, dass die Verfügbarkeit von Alkohol größer sei als anderswo. Dabei will er weniger mit der heimischen Wein- und Bierindustrie auf Konfrontationskurs gehen; seine Kritik zielt in erster Linie auf Erwachsene, die zu leger vor den und auch mit den Kindern Alkohol konsumieren.

Weitere Faktoren dafür, dass Menschen in Europa zu früh sterben, sind laut WHO-Bericht hoher Tabakkonsum und Übergewicht (siehe Grafik und Bericht rechts). Apropos Übergewicht – hier gibt es eine gute Nachricht: Im Vergleich zu den anderen fünfzig Ländern mit entsprechendem Datenmaterial schneidet Österreich relativ gut ab. Die schlechte Nachricht: Bereits jeder Zweite im Land über 18 ist deutlich zu dick.

1,3 Millionen Raucher

Keine neue Daten lieferte die WHO vorerst zu einem weiteren Brennpunktthema, dem Rauchen. "Da sind wir leider noch immer Schlusslicht", seufzt Suchtexperte Michael Musalek. Derzeit geht er von 1,3 Millionen Rauchern in Österreich aus. Noch immer gebe es "keine wirklichen" Maßnahmen zur Entwöhnung. Österreich hätte im Vergleich zu anderen Ländern eNachholbedarf: "Verbote alleine reichen nicht aus. Man muss auch fachgerechte und leistbare Entzugsbehandlungen anbieten."

Es gebe bereits niederschwellige Angebote wie das Rauchfrei Telefon, heißt es dazu aus dem Ministerium.

Wirksam wäre, so Primarius Musalek, die Therapien parallel anzubieten: "Wir wissen, dass 95 Prozent der Alkoholiker rauchen. Wenn es ihnen gelingt, mit dem Rauchen aufzuhören, steigt ihre Chance, auch von der andere Sucht loszukommen."

Immer weniger Menschen sterben in Europa vorzeitig an Herz- Kreislauferkrankungen, an Krebs und chronischen Atemwegsleiden. Das berichten die Autoren des Europäischen Gesundheitsberichts 2015.

Auch die Säuglingssterblichkeit sei so gering wie nie zuvor. Die Entwicklung in der WHO-Europa-Zone sei insgesamt erfreulich. Gleichzeitig fällt auf, dass die Ergebnisse einzelner Länder zum Teil deutlich auseinandergehen.

In der Lebenserwartung liegen bei den Männern Israeli und Schweizer mit jeweils 80,4 Jahren an der Spitze (Österreicher: 78,4 Jahre). Bei den Frauen stechen die Spanierinnen mit einer Lebenserwartung von mittlerweile 85,5 Jahren hervor, Frauen aus Österreich sind mit 84 Jahren weniger weit entfernt von der Spitze als ihre Landsmänner.

Nicht alt werden die Männer heute in Russland, im Schnitt nur 63,1 Jahre, die Frauen immerhin 75 Jahre. Noch früher sterben die Turkmenen (62,5 ) und die Frauen Turkmenistans (69,8).

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