Essstörungen: Jetzt häufen sich die Akut-Fälle
Essstörungen sind saisonabhängig: Die „ Hungerphase“ beginnt oft im Frühling, wenn die Strandfigur zum Thema wird. "Im Spätsommer und Herbst häufen sich an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie dann die Akut-Fälle", hieß es Dienstag in einer Aussendung der Tirol Kliniken.
„Patientinnen und Patienten mit einer Essstörung kommen fast immer zu spät zu uns“, sagt Kathrin Sevecke, Direktorin der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Innsbruck. Dabei wäre die Früherkennung besonders wichtig, um eine Chronifizierung zu vermeiden.
Erste Anzeichen
Bereits bei den ersten Anzeichen sollte ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden. „Wenn der oder die Betroffene schnell Gewicht verliert, Essen versteckt und die Nahrungsaufnahme in Gesellschaft verweigert, könnte das ein Hinweis auf eine Erkrankung sein“, sagt Sevecke. Meist treten Essstörungen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren auf, in Einzelfällen auch viel früher, so gibt es PatientInnen im Alter von zehn Jahren.
Besonders gefährlich ist die Erkrankung im Kindesalter – die Pubertät verzögert sich, der Hormonhaushalt gerät durcheinander und Langzeitschäden können die Folge sein. Durch die mangelnde Eiweißaufnahme fallen PatientInnen bei ihren schulischen Leistungen rapide ab und müssen diesen Abfall oft durch verlängertes Lernen in der Nacht kompensieren.
Gefährliche Social-Media-Trends
Eine immer größere Gefahr stellen vermeintlich spielerische Trends dar, die vor allem über soziale Medien verbreitet werden. Sei es die möglichst große Lücke zwischen den Innenseiten der Oberschenkeln, wenn die Beine geschlossen sind („Thigh Gap“), oder die relativ neue „Belly Button Challenge“, bei der versucht wird, mit einem Arm hinter dem Rücken herumgeschlungen den eigene Bauchnabel zu berühren.
Der jüngste Trend kommt derzeit aus Asien und nennt sich „Collarbone Challenge“. Junge Mädchen versuchen dabei, möglichst viele Münzen auf dem möglichst hervorstehenden Schlüsselbein zu stapeln. All diese Trends haben eines gemeinsam. Sie können Essstörungen begünstigen, verstärken oder auslösen.
Wie die Therapie abläuft
Die Therapie besteht aus mehreren Elementen: Eine Ernährungsrehabilitation hilft den Betroffenen, einen gesunden Zugang zu Nahrungsmitteln und Nahrungsaufnahme zu finden. Weiters werden Gruppen-, Einzel- und Familientherapien durchgeführt. Diese Behandlungen würden sehr gut anschlagen, Zwangsernährung gebe es schon lange nicht mehr, sagt Martin Fuchs, stellvertretender Direktor der Innsbrucker Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie.
„Eine Essstörung steht oft mit einer anderen psychischen Erkrankung und einer Reihe von möglichen Belastungsfaktoren in Zusammenhang. Es ist daher wichtig, die Gesamtsituation der jugendlichen Patientinnen und Patienten sorgfältig zu erfassen“, erklärt Fuchs.
Kathrin Sevecke würde sich eine Ausweitung der Therapieeinrichtungen außerhalb der Klinik wünschen: „In Tirol gibt es zahlreiche Wohngemeinschaften für psychisch erkrankte Jugendliche. Einrichtungen dieser Art speziell für Patientinnen und Patienten mit Essstörungen wären wünschenswert.“
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