Ess-Störungen: "Magerwahn ist wieder zurück"

Ess-Störungen: "Magerwahn ist wieder zurück"
Stars und Models als Hungerhaken geben fatale Idole ab. Frauen um die 50 sind zunehmend von Essstörungen betroffen.

Beine und Arme wie Streichhölzer. Hüftknochen, die sich unter edlem Stoff abzeichnen. Haut und Knochen, wo sich weibliche Rundungen wölben sollten: Stars wie Schauspielerin Demi Moore oder Model Erin Wasson sorgten mit ihren Auftritten bei der Golden-Globes-Gala für Entsetzen. "Der Magerwahn ist leider wieder zurück", stellt Univ.-Prof. Beate Wimmer-Puchinger, Frauengesundheitsbeauftragte der Stadt Wien, fest. Zwar sei das Problembewusstsein gestiegen, aber ein Trend verstärke sich erneut: "Weg von der weiblichen Figur hin zum Kindchenschema. Das Idol heißt: dünn, dünner, am dünnsten."

Die Negativspirale beginnt immer früher: Waren früher hauptsächlich Mädchen und junge Frauen von 13, 14 bis 23, 25 betroffen gewesen, "sehen wir heute auch schon Zehnjährige mit ersten Symptomen von Essstörungen". Die Zahl der stationären Aufnahmen – nicht nur in diesem Alter – nimmt zu. Besonders alarmierend ist für Wimmer-Puchinger die Dunkelziffer. "Vor allem versteckte Ess-Störungen – also jene, die die Betroffenen vor ihrer Umgebung verbergen – werden mehr."

Seinen Selbstwert ausschließlich über die Waage zu messen, davor sind sogar vermeintlich mitten im Leben stehende Frauen um die 50 nicht gefeit. "Wir stellen fest, dass Ess-Störungen auch in diesem Alter vermehrt auftreten. Die Jugendlichkeit darf heute nicht mehr mit den Wechseljahren aufhören. Die Frauen kontrollieren ihren Körper, um weiterhin einem Ideal zu entsprechen. Zumal überall zu lesen ist, dass man sich in dieser Lebensphase verändert, vielleicht zunimmt."

Extreme

Ess-Störungen: "Magerwahn ist wieder zurück"

"Wir haben den Eindruck, dass die Extreme stärker werden – also extreme Magersucht versus extremes Übergewicht", sagt die Therapeutin Gabriele Haselberger von "intakt – Therapiezentrum für Menschen mit Essstörungen" in Wien. Ein Problem sei die massive Präsenz des Themas "Diäten". "Je öfter darüber geschrieben wird, desto mehr kann das Essstörungen fördern."

Bei Diäten komme es immer darauf an, etwas richtig zu machen, Lebensmittel würden in gute und schlechte eingeteilt. "Gerade Personen mit erhöhtem Risiko für Essstörungen neigen dazu, sich nach oft strengen Regeln zu richten. Viele haben verlernt, auf die Signale des Körpers zu hören und zu vertrauen. Das ständige Sich-Befassen mit Essen und Diät-Regeln erhöhen die Gefahr deutlich, in eine Essstörung zu schlittern."

Um gegenzusteuern, ist für Wimmer-Puchinger ein Umdenken nötig: "Wir müssen zurück zum Wohlfühlgewicht – und eine früh beginnende Erziehung zu einem positiven Körpergefühl."

www.essstoerungshotline.at

(0800 20 11 20)

www.intakt.at; Das Therapiezentrum intakt organisiert am 15. 2. eine Fachtagung zum Thema Essstörungen. Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung erforderlich: 01/2288770.

Info: Viele Betroffene

Ess-Störungen Das sind psychische Erkrankungen, die gesellschaftliche, seelische und erbliche Ursachen haben. Psychotherapie ist die wichtigste Behandlungsform. 90 bis 97 Prozent der Betroffenen sind Mädchen und junge Frauen. Insgesamt geht man von mehr als 200.000 Österreicherinnen aus, die zumindest einmal in ihrem Leben an einer Essstörung erkranken.

Anorexie (Magersucht) Die psychische Krankheit mit der höchsten Sterblichkeitsrate. Zirka ein Prozent der Mädchen und jungen Frauen im Alter von 12 bis 25 sind betroffen.

Bulimie (Ess-Brechsucht) Nach Essanfällen wird erbrochen oder gefastet (zwei bis vier Prozent der Frauen).

Binge-Eating (Ess-Attacken) Regelmäßige Heißhungeranfälle, starke Gewichtszunahme (mind. 2% der Bevölkerung).

 

Fettleibigkeit: Bildungsniveau ist entscheidend

Die Zahl der schwer Übergewichtigen steigt – das ist bekannt. Die MedUni Graz konnte jetzt nachweisen, dass die Entwicklung in verschiedenen Bevölkerungsgruppen aber sehr unterschiedlich ist – und Alter und Bildungsniveau eine große Rolle spielen:

In der gesamten Stichprobe (122.977 Personen) waren 1983 10 % der Frauen und 8,5 % der Männer adipös (fettleibig). 2007 waren es 15 % der Frauen und 13,8 % der Männer.

Den höchsten Zuwachs gab es in der Personengruppe 55 plus mit niedrigem Bildungsniveau: Hier waren 2007 bereits 26,6 % der Frauen und 21,8 % der Männer fettleibig. „Viele Rentner, die in ihrer beruflichen Tätigkeit oftmals körperlich aktiver waren als Personen mit höherem Bildungsabschluss, fallen in diese Gruppe“, sagt die Studienautorin Franziska Großschädl.

Nur minimal nahm hingegen die Rate der schwer Übergewichtigen unter den 30- bis 40-jährigen Akademikern zu (2007: 5,7 % der Frauen und 6,9 % der Männer).

Sechster Geschmackssinn: Rezeptor auf Zunge erkennt auch Fettmoleküle

Schon länger wurde vermutet, dass es neben den Geschmacksrichttungen süß, sauer, bitter, salzig und umami (herzhaft) eine eigene Kategorie für Fettiges gibt.

Forscher der University of Washington konnten das nun in einer aktuellen Studie belegen. Demzufolge gibt es auf den Geschmacksknospen der Zunge einen eigenen Rezeptor mit Namen CD 36, der Fettmoleküle erkennt.

Diese Geschmackswahrnehmung ist von Person zu Person unterschiedlich ausgeprägt: Je mehr Rezeptoren, desto höher ist das Feingefühl für Fettiges.

Dies ist vielleicht der Grund, warum manche Menschen deutlich mehr Fett als andere essen. Der Zusammenhang zwischen Fettwahrnehmung und -verzehr soll in weiteren Studien geklärt werden.

 

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