Ertrinken: Wie man Kinder im Ernstfall rettet

Ertrinken: Wie man Kinder im Ernstfall rettet
Bei Badeunfällen von Kleinkindern zählt rasche Erste Hilfe.

Im Schnitt ertrinken in Österreich jährlich acht Kinder unter fünf Jahren - oft passieren die Badeunfälle in einem unbeobachteten Moment. Erst am Dienstag entdeckte eine Mutter ihre dreijährige Tochter leblos in einem Pool. Sie reanimierte das Mädchen und rettete ihr damit wahrscheinlich das Leben. Aus medizinischer Sicht handelte sie genau richtig. "Wenn man ein Kind im Wasser treiben sieht, müssen rasch Erste-Hilfe-Maßnahmen eingeleitet werden. In Wien dauert es im Schnitt zehn bis zwölf Minuten bis die Rettung eintrifft – ohne vorherige Wiederbelebung haben Kinder kaum eine Chance zu überleben", sagt Mario Krammel, Notfallmediziner im AKH Wien.

Drei Schritte

Bei der Ersten Hilfe geht man in drei Schritten vor: Prüfen, Rufen und Drücken. Zunächst wird geprüft, ob das Kind ansprechbar ist und ob es atmet. Ist das nicht der Fall, muss Hilfe gerufen werden, einerseits die Rettung, andererseits indem umstehende Personen aufmerksam gemacht werden. "Drücken meint die Herz-Druck-Massage. Dazu den Brustkorb in der Mitte etwa ein Drittel der Brustkorbtiefe eindrücken. Es gilt die Faustregel: 30 Mal drücken, zweimal beatmen", so Krammel. Wen die 30 Mal Drücken irritieren, der hat wahrscheinlich im Erste-Hilfe-Kurs noch 15 Mal drücken bei Kindern gelernt. Krammel: "Wenn man vorher noch nie mit einer Herz-Druck-Massage zu tun hatte, kann man sich ruhig 30 Mal merken, genau wie bei einem Erwachsenen. Viele haben große Angst etwas falsch zu machen, deshalb ist es einfacher, sich die Zahl 30 für Erwachsene und Kinder einzuprägen." Falsch machen könne man aber nichts. Im Zweifel hilft auch die Rettung via Telefon bei der richtigen Reanimation des Kindes.

Jede Minute zählt

Je mehr Zeit vergeht, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit irreversibler Schäden. Nur ungefähr drei Minuten kommt das Gehirn ohne Sauerstoff aus. Je Minute, wo nichts passiert, sinkt die Überlebenswahrscheinlichkeit um zehn Prozent. Schon geringe Wassertiefen von zehn bis 20 Zentimeter können für Kleinkinder zum Verhängnis werden. Durch den sogenannten Vagus-Reflex, bei dem die Kinder in eine Art Schreckstarre verfallen, verlaufen die meisten Ertrinkungsunfälle lautlos.

Auch wenn das Kind nach dem aus dem Wasser ziehen ansprechbar ist, sollte es von einem Kinderarzt untersucht werden. Bis zu 24 Stunden nach dem Unfall kann Wasser in der Lunge die Sauerstoffversorgung beeinträchtigen und sogar zum Tod führen, auch wenn das Kind anfangs normal wirkt. Generell sollten Kinder im Wasser nicht aus den Augen gelassen werden.

Projekt

Gemeinsam mit dem Verein Puls zur Bekämpfung des plötzlichen Herztodes setzt sich Notfallmediziner Krammel dafür ein, dass schon die Jüngsten Erste Hilfe lernen. "Kinder haben viel weniger Scheu als Erwachsene, etwa eine Herz-Druck-Massage auszuprobieren. Es geht darum, ihnen die Selbstverständlichkeit des Helfens beizubringen, damit sie im Notfall rasch einschreiten können“, so Krammel. Nach einer Testphase finden ab September unter dem Titel "Leben retten macht Schule" in Wiener Schulen in der dritten Klasse Volksschule verpflichtend Kurse statt, die die Angst vor Erster Hilfe nehmen sollen. Zwei Stunden dauert eine Einheit, bei der Kinder etwa mit einer Puppe Herz-Druck-Massage oder den Defibrilator ausprobieren können. Krammel: "Wir wissen, dass Kinder erst ab einem Körpergewicht von 50 kg selbst eine effektive Herz-Druck-Massage bei einem Erwachsenen durchführen können. Wenn es allerdings ein kleines Kind ist, das gerettet werden soll, könnte auch ein Volkschulkind erfolgreich reanimieren." Der Fokus des Projekts liege aber primär darauf, Kinder für Erste Hilfe zu sensibilisieren.

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