Hilfe für Familien mit krebskranken Kindern

Schwierig: Loslassen von der permanenten Angst ums eigene Kind
Im Pongau wird ein neues Reha-Zentrum eröffnet. Es wird von Medizinern und Betroffenen mit Sehnsucht erwartet.
Von Uwe Mauch

Irgendwann mussten seine Frau und er endgültig aufhören, sich täglich um ihren Sohn zu sorgen. Erzählt Herr M. vom schwierigsten Moment in seinem Leben. "Dabei war das Jahr davor auch kein Kinderspiel." In genau diesem Moment wird Familien und ihren krebskranken Kindern künftig geholfen, und zwar im Reha-Zentrum in St. Veit im Pongau, das im Juni eröffnet werden soll.

Alarmstufe Rot

Seit mittlerweile 25 Jahren kämpfen die Onkologin Christina Peters und ihre Kollegen vom Wiener St. Anna Kinderspital für das Angebot einer familienorientierten Reha nach deutschem Vorbild. Wie diese vierwöchige Behandlung den betroffenen Kindern und auch ihren Familien hilft, weiß kaum jemand besser als Herr M. – aus eigener Erfahrung.

Wie ein Blitz aus heiterem Himmel: Im Juni 2015 wurde bei seinem damals neunjährigen Sohn Knochenmarkkrebs diagnostiziert. Die Ärzte im "St. Anna" begannen sofort mit einer intensiven Chemotherapie. Die Infusionen setzten dem Buben schwer zu, die vielen Fahrten zur und die Aufenthalte in der Tagesambulanz des Kinderspitals haben ein zuvor gut geregeltes Familienleben auf den Kopf gestellt.

Dazu kam die permanente Sorge, dass sich das von den Medikamenten geschwächte Immunsystem des Kindes gegen all die feindlichen Keime in der Luft und im Essen nicht wehren kann.

Es war ständig Alarmstufe Rot: Ein Jahr lang lebten seine Frau, sein geschwächter Sohn, seine tapfere jüngere Schwester und auch er in einem ständigen Angst- und Ausnahmezustand.

"Ich war gleichzeitig wütend, traurig und fühlte mich machtlos", erinnert sich Herr M. "Ich hatte das Gefühl, dass mein Kind an meiner Hand über einem steilen Abhang hängt, und dass es mir an meiner glitschigen Hand immer mehr entgleitet. Unten sah ich das Ärzteteam stehen – und ich hatte nur eine einzige Hoffnung: dass ihr Netz engmaschig genug ist, um mein Kind auffangen zu können."

Hilfe für Familien mit krebskranken Kindern
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Im Fall seines Sohns hat das Netz des St. Anna Kinderspitals fast alles abgefedert. Der Bub konnte bald wieder zur Schule gehen. Und Herr M. besteht an dieser Stelle darauf, den involvierten Medizinern, Krankenpflegern und Psychologen persönlich danken zu dürfen.

Dennoch stand seiner Familie nach der Therapie der schwierigste Moment noch bevor: "Plötzlich ist die Therapie zu Ende, und dein Kind, deine Familie und du musst wieder lernen, ein normales Leben zu führen", erläutert die erfahrene Medizinerin Christina Peters, die hunderte Familien ein Stück ihres Weges begleitet hat.

Keine Alarmstufe mehr, keine abgekochte Milch und auch keine geschälten Paprika, nicht alle zwei bis drei Tage Bettwäsche wechseln. Straßenbahn statt Rettungswagen, Schulbank statt Krankenbett, und auch: jugendlicher Leichtsinn statt schwermütiger Vernunft.

Klinik im Schwarzwald

"Nach der umfassenden und minutiös getakteten Betreuung durch das Kinderspital fällt man plötzlich in ein schwarzes Loch", erzählt Herr M. "Nach den Monaten der inneren Anspannung merkt man zum ersten Mal, wie die Belastung auf die ganze Familie wirkt. Jedes Mal, wenn dein Kind Bauchschmerzen hat, löst das sofort eine Panik aus."

Die vier Wochen Reha in einer speziellen Klinik im Schwarzwald nahmen viel Druck von den Schultern seiner Familie. "Das ist eine Therapie für alle", erinnert sich der Software-Entwickler gerne zurück.

Psychologen geben dort den Geschwistern das Gefühl, dass auch sie wichtig sind. Die Eltern wiederum wissen sich und ihre Kinder in guten Händen und dürfen auch einmal ausspannen. Bei gemeinsamen Wanderungen und anderen Freizeit-Aktivitäten können sie sich mit anderen Familien austauschen.

Reha bald im Pongau

Ab Juni 2018 müssen betroffene Familien nicht mehr in den Schwarzwald fahren: nach einer lange herbei gesehnten Gesetzesänderung werden in Österreich vier neue Kinder- und Jugend-Rehabilitationszentren mit Familienorientierung eröffnet. In St. Veit im Pongau wird man sich neben dem bereits bestehenden Behandlungszentrum, dem Leuwaldhof, auf junge Krebspatienten konzentrieren.

Herr M. wird diese Reha nicht mehr in Anspruch nehmen. Seine Familie hat sich von der Angst gelöst. Er kann dieses Angebot aber nur wärmstens empfehlen. Es steht übrigens allen Kassenpatienten aus ganz Österreich offen.

Das erste Reha-Zentrum

Das neue Reha-Zentrum in St. Veit im Pongau soll im Juni 2018 eröffnet werden. Es wird auf Kinder und Jugendliche mit Krebs- und Stoffwechselerkrankungen und ihre Familien spezialisiert sein. Nähere Infos und Anmeldung: www.leuwaldhof.at

Drei Reha-Zentren in Planung

Weitere Zentren werden in Rohrbach in OÖ (für Kinder mit Herz-Kreislauf- Erkrankungen), in Judendorf-Straßengel nördlich von Graz (Lungenkrankheiten) und in Wildbad-Einöd (psychosoziale Krankheiten) errichtet.

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