Elf Sprachen: Das sprach man in der k. u. k. Armee

In der k. und k. Armee gibt es verschiedene Uniformen und verschiedene Muttersprachen
Eine Wienerin forscht zur Kommunikation unter den Soldaten - denn diese war besser als ihr Ruf.
Von Uwe Mauch

Aus dem Tagebuch-Eintrag des k. und k. Offiziers ist Verzweiflung herauszulesen. Er war desperiert, wie man damals sagte. Denn er lag im Ersten Weltkrieg mit einem tschechischen Regiment in einem der hart umkämpften Frontgräben, und er hätte dem dahinsiechenden Soldaten gerne Trost gespendet. Doch es fehlten ihm dazu die (tschechischen) Worte.

"Es gab elf verschiedene Regimentssprachen und dazu unzählige Dialekte", erläutert die Historikerin Tamara Scheer, die in einem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt zum Thema Sprache und nationale Identitäten in der k. und k. Armee intensiv forscht.

Elf Sprachen: Das sprach man in der k. u. k. Armee
Tamara Scheer

Die gebürtige Wienerin hat in Archiven von Lemberg bis Sarajevo, von Wien bis Budapest gut 300 Memoiren durchgeackert. Dabei kam ihr ihr Sprach-Schatz zugute: Sie kann neben deutschen auch ungarische, kroatische und italienische Texte lesen und interpretieren.

Fußnote der Geschichte

Bis zum Ausbruch des Weltkriegs im Jahr 1914 führt die bunte Sprachenmischkulanz nicht zu einem Babylon, so eine zentrale Erkenntnis in Tamara Scheers Studie.

Das hat organisatorische Gründe. Im Jahr 1867 wird die Allgemeine Wehrpflicht eingeführt. Die Rekruten müssen fortan drei Jahre lang dienen, erhalten aber auch – auf der Grundlage des österreichischen Verfassungsgesetzes – das Recht, in ihrer Sprache befehligt und unterrichtet zu werden.

"Die einigermaßen gute Verständigung lässt sich auch auf die jeweils handelnden Personen zurückführen", betont Tamara Scheer: Während die Offiziere im Casino ausschließlich in deutscher Sprache miteinander verkehren, changieren die unteren Chargen – angepasst an die Situation und das jeweilige Gegenüber – schnell einmal zwischen den Sprachen.

Als Übersetzer werden in erster Linie Unteroffiziere herangezogen. Nicht zuletzt deshalb, weil sie neben der deutschen noch eine andere Sprache sprechen müssen. "Doch auch unter den höherrangigen Offizieren erweist sich der eine oder andere als Talent", hat die sprachgewandte Historikerin bei ihren mehrjährigen Archiv-Reisen festgestellt. Das Beherrschen einer Fremdsprache hat immer schon Türen geöffnet. In den Berichten der Soldaten stößt Tamara Scheer aber auch auf eine interessante Fußnote der Geschichte: "Ob ein Offizier von seiner Einheit als Autorität anerkannt wird, hängt nur zum Teil von seiner Sprachkompetenz ab. Ebenso wenn nicht sogar wichtiger ist, dass er den gebotenen Respekt für seine Soldaten aufbringt."

Elf Sprachen: Das sprach man in der k. u. k. Armee
Zur Geschichte Sprachenvielfalt in der k. und k. Armee

So sind in etlichen Tagebucheinträgen die kleinen Siege des Alltags dokumentiert, die daraus resultieren, dass sich Menschen mit divergierenden Muttersprachen auf Augenhöhe begegnen und sich halbwegs verstehen wollen. Oft gelingt das – so wie mit Flüchtlingen aus modernen Krisengebieten – mit Händen und Füßen.

"Es kommt darauf an, wie sehr man dem Anderen entgegenkommen möchte", sagt die Forscherin auch aus eigener Erfahrung. Denn bei ihren Recherchen in Städten der vormaligen Monarchie hat sie nicht zuletzt mit Staatsdienern zu tun: nicht Soldaten, aber Archivare.

Scheers "Geschichte von unten" zeigt uns ein neues Bild: Wer nur die Debatten zur Nationalitätenfrage in den nationalen Parlamenten und dazu die Presseberichte studiert, kommt schnell zu dem Schluss, dass im alten Vielvölkerstaat keiner mit keinem reden wollte.

Menschen, die mit der Angst vor fremden Leuten Politik machen, gibt es auch in Kakanien. Die Berichte der Soldaten zeigen jedoch, dass ein Schmelztiegel von Sprachen und Kulturen eine Bereicherung sein kann, das nicht nur in den Feldküchen.

Krieg der Sprachlosen

Das relativ friktionslose Bild erlebt jedoch eine Zäsur: mit dem Attentat von Sarajevo und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914. Mit einem Mal gewinnen die Nationalisten die Oberhand.

Karl Kraus hat in seiner Tragödie "Die letzten Tage der Menschheit" den Siegeszug der Ressentiments konterkariert. Wenn Tamara Scheer heute in Wien mit der U-Bahn fährt, fällt ihr ebenso ein Unbehagen auf. Nicht zuletzt, weil die Hiesigen nicht verstehen können, worüber die nicht hier Geborenen gerade plaudern. "Dabei ist es oft derselbe Blödsinn", betont die Historikerin.

Mehr über Scheers Studien: twitter.com/ScheerTamara

Kommentare