„Ein Tee gegen HIV“

Pelargonium sidoides
Forscher finden HIV-Hemmstoffe in einem Geranien-Extrakt.

Die Anekdote, die Ruth Brack-Werner über die Entdeckung der pflanzlichen HIV-Hemmstoffe erzählt, ist filmreif. Eines Tages wurde ihr Mitarbeiter Markus Helfer von einem Schnupfen geplagt und ging in die Apotheke, um sich ein Erkältungsmittel mit Namen Umckaloabo zu besorgen. Weil man am Helmholtz Zentrum München, ihrer Forschungsheimat, „eines der besten Testsysteme für Wirkstoffe gegen HIV“ habe, wie sie sagt, beschlossen die Forscher, es auch mit dem Heilmittel aus der Kapland-Geranie zu versuchen, mit dem sonst akute Bronchitis kuriert wird. „Es hat gewirkt“, sagt die deutsche Aids-Forscherin vom Institut für Virologie (Bild unten) lapidar.

Der Nachweis, dass Extrakte der Geranien-Pflanze Pelargonium sidoides die Vermehrung des Humanen Immundefizienz-Virus Typ 1 (HIV-1) verhindern, ist in der Zellkultur gelungen. Jetzt hat das Wissenschaftsmagazin PLOS ONE die dazugehörigen Forschungsergebnisse veröffentlicht. Erstautor ist übrigens der ehemals verschnupfte Entdecker Markus Helfer (Bild unten), ein Österreicher.

Auf einem guten Weg

„Ein Tee gegen HIV“
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Es gab schon früher Hinweise, dass die Kapland-Geranie Anti-HIV-Aktivität haben könnte. In einem mittlerweile zurückgezogenen Patent-Antrag der Firma, die Umckaloabo vertreibt, fand sich ein entsprechender Hinweis. „Aber es gab keine Publikationen dazu, der Wirkmechanismus war nicht bekannt. Es hat uns jedoch gezeigt, dass wir auf gar keinem schlechten Weg sind“, sagt Brack-Werner und begann, die Substanz in der Zellkultur zu testen, um genau hinter diesen Wirkmechanismus zu kommen.

Heute weiß sie: „Der Extrakt hindert die Viruspartikel daran, an die Zielzelle anzudocken. Das ist toll, denn so kommt das Virus nicht in die Zelle hinein und kann sich nicht vermehren. Unsere Vermutung ist, dass die Substanzen die Viruspartikel umhüllen und damit unschädlich machen“, sagt Brack-Werner. Ein Virus ohne Zelle sei ein Stück totes Material. Wegen dieses speziellen Wirkmechanismus hofft Brack-Werner auch auf weniger Nebenwirkungen.

„Der konventionelle Ansatz der Pharmaindustrie ist die Suche nach einem einzigen Wirkstoff. Wir haben aber gezeigt, dass es sich hier um eine Gruppe von Wirkstoffen handelt“, erklärt die Aids-Forscherin – wie übrigens meistens in der Natur. „Es wird sich auch nicht auf ein Molekül runterbrechen lassen“, vermutet sie.

„Ein Tee gegen HIV“
ARCHIV - Elektronenmikroskopische Aufnahme mehrerer Aidsviren. Der Ultradünnschnitt zeigt in 240.000-facher Vergrößerung einzelne Virusteilchen mit den Oberflächenfortsätzen (gp120) an ihrem äußeren Rand und dem konischen Innenkörper, des sogenannten "core". Der Nobelpreis für Medizin geht in diesem Jahr unter anderem an die französischen Forscher Françoise Barré-Sinoussi und Luc Montagnier für die Entdeckung des Aidsvirus. Das teilte das Karolinska-Institut am Montag (06.10.2008) in Stockholm mit. Foto: Hans Gelderblom/Robert Koch Institut - nur s/w - (zu dpa 0251 vom 06.10.2008) ACHTUNG: Nur zu redaktioneller Verwendung +++(c) dpa - Bildfunk+++
Bei ihrem Test griffen die Forscher zunächst auf die Umckaloabo-Tropfen aus der Apotheke zurück. Als diese die erhoffte Wirkung zeigten, stellten sie den Extrakt selbst her: Die Wurzeln der Kapland-Geranien wurden gemahlen, mit Wasser vermischt, danach wurde daraus ein Auszug gewonnen. Auch diese Substanz wirkte gegen die HI-Viren (links).

In weiteren Tests konnten die Forscher die Anti-HIV-Aktivität in Immunzellen nachweisen, die natürliche Wirtszellen für HIV sind. Sie untersuchten die Wirkung der Extrakte auf unterschiedliche isolierte Virus-Proben – mit positivem Ergebnis. Die Wirksamkeit im menschlichen Organismus müsse allerdings noch in weiteren Untersuchungen bestätigt werden, sagen die Wissenschaftler.

„Obwohl viele Leute darüber lachen: Mein Traum war immer ein Tee gegen HIV“, sagt Brack-Werner und weiter: „Natürlich wissen wir nicht, ob der Extrakt, der aus der Pflanze gewonnen wird, ausreichend konzentriert ist, um HIV-Infizierten tatsächlich zu helfen“. Daher wollen sie ihn weiterentwickeln.„Und den Wirkstoff konzentrieren, aber wir würden auch gerne die Wirkung des einfachen Extrakts in HIV- infizierten Personen testen.“

Selbst gewinnen

Die Aids-Forscherin hofft, dass man das Heilmittel in Entwicklungsländern einfach selbst gewinnen kann. „Das Gute ist: Die von uns getesteten Stoffe sind leicht aus der Wurzel herzustellen und sehr robust“. Sie müssen nicht gekühlt werden und behalten trotzdem ihre Wirkung.

Ihre Hoffnung ist, dass Menschen, die sich keine teuren Medikamente leisten können, damit trotzdem eine Möglichkeit bekommen, etwas gegen das Virus zu tun. So könnte ein pflanzenbasiertes Medikament in Gegenden eingesetzt werden, in denen die Menschen sonst keinen Zugang zu HIV-Medikamenten haben.

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