Schräge Studien 2016: Wissen, das wehtut

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Was Forscher heuer alles belegt haben, ist kaum in Worte zu fassen. Wir versuchen es dennoch.

Das mit den Studien ist aus dem Ruder gelaufen. Entweder haben zu viele Forscher zu viel Zeit, oder die Zeit hat zu viele Forscher. Wer auch immer was auch immer wann auch immer belegen will, beauftragt eine Universität oder ein Institut und – abrakadabra – ist die Welt um eine Erkenntnis reicher – ob die nun neu ist oder banal, wertvoll oder hanebüchen. Geld dafür scheint im Überfluss vorhanden, oder sagen wir: Es gibt genug Unternehmen und Organisationen, die der öffentlichen Meinung durch eine Studie ein bisschen Richtung geben wollen. Dabei sollte beim kollektiven Hausverstand nach Brexit, Trump und Doch-Nicht-Hofer der Alarm losgehen, wenn einer durch wissenschaftliche Befragungen etwas ansagen will. Ganz abgesehen davon, dass in einer postfaktischen Gesellschaft offenbar nur mehr das Gefühlte zählt.

Klischees und Kuriositäten

Wir wissen also immer mehr, aber leider nichts ganz genau, und glauben sowieso nicht dran. Vieles davon landet auf unseren Redaktionstischen. Eine kleine Auswahl, perfekt für das Silvesterquiz:

Dank einer Studie des Online-Markt- und Meinungsforschungsinstitut Marketagent.com wissen wir, dass 40 Prozent der Österreicher ihre Haare fünf bis zehn Minuten täglich pflegen. Und, Achtung Sensation: Frauen deutlich mehr Zeit dafür investieren. Dieser "Haarpflege Guide – Fakten rund um die Kopfbehaarung" kommt zur Erkenntnis, dass das "am häufigsten verbreitete haarige Problem schnell fettendes Haar ist" und knapp die Hälfte der Menschen es zwei bis vier Mal pro Woche wäscht. Sagten die – online Befragten – 1000 Österreicher zwischen 14 und 69 Jahren.

Der Haarfarbe widmete sich die Ohio State University. Forscher untersuchten 10.878 Amerikanerinnen, um das Offensichtliche zu belegen: Klischees stimmen nicht, konkret sind Blondinen gar nicht dümmer. Oder nur ein bisschen: In der Studie wiesen die durchschnittlich nämlich nur drei Punkte IQ-Unterschied zu Brünetten und Rothaarigen auf.

Eine Frage der Interpretation

Problem eins bei Studien ist die Interpretation: Wenn etwa eine Studie besagt, dass die Hälfte der Österreicher akademische Titel im Berufsleben für wichtig halten (Marketagent.com), dann denkt das doch die andere Hälfte eben nicht, also Nullaussage. Auch im "Empathie Report" liefert uns nämliches Institut eine überraschende Nachricht zum Thema Marken: Werden Wünsche von einer Marke erfüllt, so kaufen sie 59 Prozent wieder. Ah ja. Die restlichen 41 Prozent sind wahrscheinlich Querulanten.

Apropos Marken: Forscher vom Ulsan National Institute of Science & Technology in Südkorea richten aus, dass High Heels die Mobilität ihrer Trägerinnen beeinträchtigen. Die Untersuchung offenbart unter anderem das zweite Problem im Studienwahn: Die Zahl der Testpersonen. Beim Stöckeln wurden nämlich nur 30 Probandinnen beobachtet.

BH-Studie

Auf ebenso wenige Testpersonen bezieht sich die britische Expertin für Körpersprache, die herausgefunden haben will, was die Art des BH-Anziehens über Persönlichkeit und Umgang mit Mitmenschen aussagt: Wer ihn auf dem Rücken schließt, sei unterwürfiger. Frauen, die ihn vorne schließen und nach hinten drehen, seien "Meinungsmacher mit viel Sinn für Humor".

Schräge Studien 2016: Wissen, das wehtut

Eine Studie in der britischen Fachzeitschrift Biology Letters untersuchte überhaupt nur 17 Hunde, um zu einer Aussage zu gelangen, die unter das Problem drei der Studienflut verbucht werden kann, Banalität: "Hunde erkennen anhand der Miene und der Stimme Emotionen von Menschen" – das ist an sich bekannt. Jetzt also sogar wissenschaftlich belegt, oder sagen wir halbwissenschaftlich. Weil wir gerade bei Hunden sind: Laut Umfrage besorgen 69 Prozent der Haustierbesitzer ein Weihnachtsgeschenk und eine besondere Mahlzeit am Heiligen Abend.

Weitere "Aber geh"-Erkenntnisse aus dem Studienjahr 2016: "Reisen macht Menschen fröhlich", sogar fröhlicher als Sport oder Einkaufen – sagt ein Reiseveranstalter. Zum Valentinstag wünschen sich 80 Prozent "einfach nur ein romantisches Erlebnis, 93 Prozent der Frauen mögen nette Komplimente" – sagt ein Dating-Portal. Social-Media-Freundschaften sind gar nicht so toll wie echte und "verebben schneller als wenn man einander persönlich sieht" – besagt eine Studie der University of Oxford. "Nachbarn plaudern miteinander öfter über den Zaun hinweg als in Online-Chats", eine andere der University of Kansas.

SMS für Medikamente

Von dort kam auch eine epochale Entdeckung aus dem Bereich Gesundheit: Eine Studie mit 1300 Bluthochdruckpatienten zeigt, dass ihre Werte stabiler bleiben, wenn sie per SMS an die Einnahme der Medikamente erinnert werden. Das klingt dann so: "SMS helfen gegen Bluthochdruck." Weniger weit kamen die Forscher der University of Copenhagen in ihrer Forschungsarbeit, ob Probiotika einen Nutzen für die Gesundheit haben. Wörtliches Fazit der Studie: "Es ist zu früh, das zu sagen." Zum gefühlt hundertsten Mal erfuhren wir heuer auch wieder, dass ein Glas Rotwein gesund ist, laut University of Alberta so gesund wie eine Stunde Fitness.

Bahnbrechend und spannend wirkt dagegen die wissenschaftlich erforschte Neuigkeit der University of Southern California: Menschen essen weniger, wenn bei kleineren Portionen ein Spielzeug oder ein anderes Gimmick mitserviert wird, als wenn sie eine große Portion ohne Unterhaltungs-Goodie vorgesetzt bekommen.

Testliebe

Schräge Studien 2016: Wissen, das wehtut
Küssen als Forschungsfeld
Problem vier vieler Studien ist die Art der Befragung. Onlinetests sind nämlich nicht nur schnell und billig, sondern auch am wertlosesten. Besonders beliebt sind sie in Liebesdingen. Die Partneragentur Parship.at fand in einer solchen "Studie" Unglaubliches über die Lebensgewohnheiten der Österreicher heraus: 39 Prozent der Singles sind Raucher, aber nur 34 Prozent der Vergebenen. Singles neigen also eher dazu, zu rauchen, aha. Dafür trinken nur 15 Prozent der Singles mehrmals pro Woche, aber 24 Prozent der Liebenden. Gemeinsam macht es offenbar mehr Freude – außerdem soll Alkohol dann und wann die Gelassenheit fördern. Und man stelle sich vor: Singles gehen später schlafen, sind chaotischer und "haben mehr Kontrolle über ihre eigene Zeit. Paare stellen sich automatisch auf die Bedürfnisse der Partner ein", analysiert die Haus-Psychologin der Agentur messerscharf.

Die Dating-Seite Victoria Milan hat sogar herausgefunden, dass für acht von zehn Menschen das Küssen eine sehr große Rolle spielt und 54 Prozent der Väter und 39 Prozent der Mütter gerne mit anderen Eltern flirten. Konkurrent C-date.at bestätigt derweil in einer Studie mit Klischees: Männer wie Frauen seien im Fasching "scharf auf Uniformen. Die Herren lassen sich allerdings gern in Handschellen legen, während die Damen nervös werden, wenn ein "Gott in Weiß" nach seinem Stethoskop greift." Uff.

Auch akademische Einrichtungen schwimmen gerne auf dieser Welle: Die University of Denver fand tatsächlich heraus, dass jemand, der einmal fremdgegangen ist, eher zum Fremdgehen neigt als einer, der es noch nie getan hat. Noch schlimmer ist da nur die Studie der University of California und University of New Mexico. Gegenstand des Forschungsinteresses: die bevorzugten Maße des erigierten Glieds. Fazit: 13,2 Zentimeter lang und 11,66 im Umfang. Basis: Online-Umfrage unter 75 Frauen.

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