Die Hofburg: Kein ganz normaler Arbeitsplatz

Wurde nach Großbrand ein zweites Mal gebaut: der Leopoldinische Trakt.
Alexander Van der Bellen bezieht diese Woche den Leopoldinischen Trakt der einstigen Kaiserresidenz.

Trump residiert im Weißen Haus, die Queen im Buckingham Palace, der deutsche Bundespräsident im Schloss Bellevue, Frankreichs Staatschef im Élysée-Palast. Und Alexander Van der Bellen wird nach seiner Angelobung am Donnerstag den Leopoldinischen Trakt der Wiener Hofburg beziehen. Im Gegensatz zu anderen Staatsoberhäuptern wohnt der österreichische Bundespräsident jedoch nicht an seiner Arbeitsstätte. Wie Heinz Fischer verzichtet Van der Bellen auch auf eine Amtsvilla und will in seiner bisherigen Mietwohnung in Wien-Mariahilf bleiben.

Symbol der Macht

Die Hofburg. Palast der österreichischen Herrscher seit dem 13. Jahrhundert, bestehend aus nicht weniger als 18 Trakten. Es sind deshalb so viele geworden, weil die meisten Habsburger – wohl um ihre Eigenständigkeit zu demonstrieren – für sich jeweils individuelle Wohnappartements errichteten.

Die Hofburg: Kein ganz normaler Arbeitsplatz
Der Bundespräsident sitzt im Leopoldinischen Trakt, benannt nach Kaiser Leopold I., für den dieser barocke Teil der Residenz ab 1660 sechs Jahre lang gebaut wurde. Ein Symbol der Macht des Hauses Habsburg ist der Trakt aber erst, seit von hier aus Maria Theresia und deren Sohn Joseph II. herrschten.

Österreichs Bundespräsidenten waren bis 1938 im gegenüberliegenden Palais Metternich, dem Bundeskanzleramt, untergebracht. Als Karl Renner als erstes Staatsoberhaupt der Zweiten Republik angelobt wurde, wollte er bewusst eine räumliche Trennung zur Regierung schaffen und entschied sich für den Leopoldinischen Trakt mit der Adresse Wien I., Ballhausplatz 1.

Weder Toiletten noch Bad

Diese Wahl erwies sich als folgenschwer, denn als Renners Mitarbeiter zum ersten Mal ihre Büros besichtigten, glaubten sie ihren Augen nicht trauen zu können: In der künftigen Präsidentschaftskanzlei gab es weder Toiletten noch Badezimmer.

Für Maria Theresia hatte man einst den Leibstuhl ebenso herangeschleppt wie Wasserkanne und transportable Holzbadewanne, und späteren Monarchen erging es nicht anders. Selbst Kaiser Franz Joseph verfügte in seiner Residenz im sogenannten Reichskanzleitrakt am Michaelerplatz über keinerlei Fließwassereinrichtungen (obwohl es damals längst schon solche gegeben hätte).

Gefühl der Verantwortung

Noch weiß Alexander Van der Bellen nicht, wie sehr der Prunk der Hofburg auf sein neues Leben einwirken wird. Einer seiner Vorgänger, Rudolf Kirchschläger, erzählte mir, als ich ihn 1986 anlässlich seines Abschieds als Bundespräsident befragte: "In den ersten Wochen habe ich schon ein ungeheures Gefühl der Verantwortung gespürt, in den ehemaligen Gemächern Maria Theresias und Josephs II. tätig zu sein, gerade weil ich für diese beiden Monarchen große Bewunderung empfinde."Das Glück Kaiser Leopolds I. in dem bis heute nach ihm benannten Trakt währte nicht lange, da der neue Palast schon zwei Jahre nach seiner Fertigstellung bis auf die Grundmauern abbrannte. Seine Enkelin Maria Theresia bezog nach ihrer Thronbesteigung das inzwischen wieder aufgebauten Gebäude. Das heutige Maria-Theresia-Zimmer war sowohl Schlafgemach als auch zum Teil Arbeitszimmer der Regentin, die hier – aufrecht im Bett sitzend, aber natürlich komplett bekleidet – ihren Ministern Befehle erteilte.

Im heutigen Empfangsraum des österreichischen Staatsoberhauptes, in dem auch die Regierungen angelobt werden, fehlt nur das Prunkbett der Herrscherin mit dem schweren Samtbaldachin, sonst hat sich in den 237 Jahren seit ihrem Tod kaum etwas verändert, zumal der Leopoldinische Trakt als eines der wenigen Palais der Wiener Innenstadt im Zweiten Weltkrieg von Bombenschäden verschont blieb.Der Schreibtisch der Bundespräsidenten der Zweiten Republik steht im ehemaligen Arbeitszimmer Kaiser Josephs II., in dem der große Reformer am 20. Februar 1790 im Alter von nur 48 Jahren tot zusammengebrochen ist.

Nie mit Übermut

Die Hofburg: Kein ganz normaler Arbeitsplatz
Aufnahmedatum unbekannt
"Mich hat die Macht der Geschichte in diesen Mauern nie erschauern lassen", sagte Rudolf Kirchschläger damals, als er die Hofburg verließ. "Auch wenn ich wie alle meine Vorgänger in kleinen Verhältnissen aufgewachsen bin, habe ich die prunkvollen Räumlichkeiten weder mit Übermut und Stolz betreten, noch mit einem ,O Herr, ich bin nicht würdig‘ oder ,Ich sitze, wo einmal ein Kaiser hingehörte.‘"

Aber ein ganz normaler Arbeitsplatz ist die Hofburg auch wieder nicht.

Kommentare