Demenz: Am Ende der Erinnerung

Demenz: Am Ende der Erinnerung
Erste Symptome von Demenz werden oft vertuscht. Der Film über Margaret Thatcher macht auf das Leiden aufmerksam.

Der Kontrast zwischen dieser starken Ikone früherer Jahre und der demenzkranken Frau heute hat mich tief bewegt", sagt Meryl Streep, die vor wenigen Tagen für ihre Rolle als Margaret Thatcher in "Die eiserne Lady" mit dem Oscar ausgezeichnet wurde. Aber wie es der britischen Politikerin heute geht, weiß so gut wie niemand.

Die Volkskrankheit Demenz nimmt stetig zu und rückt so vom Verborgenen immer öfter ans Licht der Öffentlichkeit. Vor Kurzem hat der deutsche Fußball-Manager Rudi Assauer mit einer Autobiografie über seine Alzheimer-Diagnose für Aufsehen gesorgt ("Wie ausgewechselt") . Mit bewegenden Worten beschrieb der Bestsellerautor Arno Geiger den Verfall seines Vaters ("Der alte König in seinem Exil") .

Der Kinofilm "Die eiserne Lady" (Kinostart am Freitag) geriet nicht zuletzt deswegen ins Kreuzfeuer der Kritik, weil Thatcher noch immer am Leben ist. Fraglich ist allerdings, wie viel sie von dem neu entflammten Rummel um ihre Person überhaupt mitbekommt.
Der Neurologe Univ.-Doz. Udo Zifko vom Wiener Rudolfinerhaus erklärt die verschiedenen Stadien der Demenzerkrankung: "Das erste Stadium beginnt mit verstärkter Vergesslichkeit." Dazu kommen Probleme wie Orientierungsstörungen oder dass man nicht mehr mit Zahlen zurechtkommt. "Der Patient merkt, es geht geistig mit ihm bergab. Die Symptome fallen auf, sind aber noch nicht so massiv, dass der Betroffene nicht alleine leben kann." Viele würden versuchen, ihre Symptome zu vertuschen.

Helle Momente

Demenz: Am Ende der Erinnerung

Im zweiten Stadium der Erkrankung verstärken sich die sozialen Probleme. Zifko nennt Beispiele: "Der Patient kommt mit dem Haushalt nicht mehr zurecht, vergisst den Schlüssel in der Wohnung, lässt das Essen am Herd stehen oder die Badewanne überlaufen." In hellen Momenten bekommt der Betroffene noch selbst mit, dass er ein Problem mit der Vergesslichkeit hat. Doch die Situationen, in denen er gar nicht realisiert, was gerade falsch gelaufen ist, nehmen zu. "Charakteristisch ist außerdem, dass sich die Persönlichkeitsmuster verstärken. Ein angriffslustiger Mensch wird noch aggressiver. Jemand, der fröhlich war, wird noch besser aufgelegt durch das Leben spazieren."

Das dritte und letzte Stadium ist für den Patienten wie auch für die Angehörigen das anstrengendste, erklärt Zifko: "In dieser massiven Desorientierungsphase funktioniert das Kurzzeitgedächtnis gar nicht mehr. Es kommt zu einer Alterspsychose." In dieser Phase werden Angehörige nicht mehr erkannt, der Tag/Nacht-Rhythmus dreht sich um, die Patienten fühlen sich verfolgt und laufen mitunter sogar davon.

Umso wichtiger sei gerade in dieser Zeit eine vertraute Umgebung und intensive Biografie-Arbeit, erklärt Zifko. "Fotos aus früheren Zeiten geben den Leuten Sicherheit und Halt. Sie brauchen das wie ein Kind, das zum Schlafen sein Kuscheltier haben will." Mit guter Biografie-Arbeit könne man bis zum Schluss mit den Patienten an vergangenen Erinnerungen arbeiten und mehr Verständnis für seine Vergesslichkeit aufbauen.

"Früherkennung hält Leben länger lebenswert"

Die Hoffnung auf eine Impfung gegen Demenz-Erkrankungen wie Alzheimer ist ungebrochen. "Es wird kaum irgendwo so viel Geld in die Erforschung einer Krankheit gesteckt wie hier", sagt der Neurologe Udo Zifko.
Aktuell haben Schweizer- und US-Forscher herausgefunden, dass Alzheimerpatienten ihr Erinnerungsvermögen nicht unwiderruflich verloren haben. Der Zerfall der Hirnfunktionen könne rückgängig gemacht werden. Jedenfalls habe das bei Experimenten mit Mäusen funktioniert. Auch, wenn kleinere Studien immer wieder mit positiven Meldungen aufhorchen lassen, rechnet Zifko in den nächsten fünf bis sechs Jahren nicht mit einem bahnbrechenden Erfolg. "Es wird noch einige Jahre dauern, bis die Alzheimer-Impfung generell eingesetzt werden kann. Dasselbe gilt für die Stammzellentherapie."
Zifko betont jedoch die große Bedeutung der Früherkennung: "Bei auffälligen Symptomen sollten Angehörige Druck machen, dass eine Abklärung erfolgt." Je früher eine Erkrankung erkannt wird, desto eher kann der Verlauf mit Medikamenten gebremst werden. "Eine Früherkennung kann das Leben eines Betroffenen deutlich länger lebenswert erhalten, als würde man nichts tun."
Schützen kann man sich vor einer Erkrankung nicht. "Es ist einerseits eine schicksalshaftes Leiden, andererseits gibt es Risikofaktoren, die man minimieren kann, um den Verlauf positiv zu beeinflussen." Zu den Risiken gehören: Bewegungsmangel, Diabetes mellitus Typ II, Bluthochdruck, Übergewicht, Zigaretten sowie Depressionen.

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