Damit Hausaufgaben nicht zur Familienkrise werden

Lernfrust muss nicht sein.
Was Eltern tun können, um Konflikte beim Lernen zu entschärfen. Und wie sie ihren Kindern helfen, sich zu konzentrieren.

Sonntagnachmittag wird in vielen Familien gestritten – dann müssen die Hausübungen endlich fertiggemacht werden. Sie sollen laut Gesetz "zur Ergänzung der Unterrichtsarbeit von den Schülern ohne Hilfe anderer durchgeführt werden können", aber in jeder zweiten Familie müssen die Eltern regelmäßig beim Lernen helfen – oder zumindest beim Konzentrieren.

Für den Lerneffekt sei Üben und Wiederholen enorm wichtig, betont die Psychologin und Lernberaterin Michaela Slabina: "Durch das Arbeiten außerhalb des Unterrichts lernen Schüler, wie sie sich selbst organisieren. Und sie entwickeln eine gute Arbeitshaltung." Oft fehlen den ihnen passende Rahmenbedingungen zum Lernen: "Kinder brauchen einen geeigneten Arbeitsplatz. Wenn sie beim Esstisch arbeiten und vielleicht noch Geschwister spielen, ist es für sie enorm schwierig, sich zu konzentrieren." Auch der eigene Schreibtisch darf keine Ablenkung bieten, Unterlagen und Stifte sollten schon vorbereitet sein.

Ohne Zeitdruck

Wichtig ist, dass die Kinder keinen Zeitdruck haben: "Das Ärgste ist, wenn die Kinder zum Nachmittagsprogramm laufen müssen und ihnen die gestressten Eltern die Lösungen ansagen."

In der Volksschule sind Hausübungen meist auf etwa eine halbe Stunde angelegt, "manche Kinder schaffen sie in einer Viertelstunde, andere brauchen drei Stunden. Vielleicht schauen sie aber die meiste Zeit in die Luft." Je nach Kind ist ein anderer Rhythmus sinnvoll, erklärt Slabina: "Manche Kinder brauchen nach dem Mittagessen Zeit zum Spielen und können sich später mit neuer Energie an die Hausübungen machen. Für andere ist es besser, ihre Arbeit sofort nach dem Essen zu erledigen, weil sie sich später nicht mehr motivieren können." Die Situation im Hort sei für viele Kinder besonders schwierig: "Am besten ist, wenn alle gleichzeitig die Hausübungen machen und Ruhe herrscht. Für konzentriertes Arbeiten wäre es besser, die Tische stehen an der Wand als in einer Gruppe."

Wer behält den Überblick?

Am Beginn der Volksschule helfen Eltern am besten, wenn sie während der Hausübungen für Ruhe sorgen und helfen, die Unterlagen zu verwalten, indem sie am Abend mit dem Kind die Schultasche durchgehen. Später soll das Kind selbst den Überblick bewahren, was zu tun ist.

In der Mittelschule oder im Gymnasium brauchen Kinder anfangs mehr Hilfe: "Die Vielzahl an neuen Fächern überfordert viele Kinder. Jetzt müssen sie lernen, wie sie mit dem Stoff zurechtkommen. Die Kinder glauben, es reicht weiterhin, dass sie sich das Buch drei Mal durchlesen und dann können sie es."

Das betont auch Lerntrainerin Ruth Pauline Wachter: "Bis elf oder zwölf Jahre kann man das meiste im Kurzzeitgedächtnis abspeichern. Aber bei der Masse von Informationen braucht es eine Strategie, um sie ins Langzeitgedächtnis zu bekommen." Der Lernstoff wird anspruchsvoller, nicht alles verstehen die Kinder in der Schule. Und das Wichtigste, das viele von Wachters Nachhilfeschülern nicht so gut konnten: "Neue mit alten Informationen zu verknüpfen."

Delegieren

Gerade in dieser Umstellungsphase kommt es zu den größten Konflikten, weiß Lernpsychologin Slabina: "Erst wenn etwas schief läuft, erkennen Schüler, dass sie mehr oder anders lernen müssten." Helfen kann man ihnen durch das Abfragen des Lernstoffs, "damit sie selbst merken, ob sie das Gelernte wiedergeben können". Doch manchmal ist es besser, die Eltern halten sich ganz heraus – und organisieren jemanden anderen zum Lernen.

Beim Lesen tat sich Julius immer schwer. Er las langsamer als andere Kinder und wollte die Fragen zu Lesetexten nicht beantworten. Irgendwann nannte er das Problem beim Namen: „Die Buchstaben tanzen bei mir.“

Solche Kinder unterstützt Psychologin und Lernberaterin Michaela Slabiner. „Zu mir kommen Familien, wenn die Kinder sich sehr schwer konzentrieren können, wenn sie sich beim Lesen oder Rechnen schwertun oder wenn sie etwa beim Lesetest nicht in der Norm liegen. Oft erst in der dritten oder sogar vierten Klasse, bis dahin haben Eltern und Lehrer Verständnis dafür, wenn es mit dem Stoff nicht gut klappt – Richtung Übertritt in die Mittelschule werden Eltern nervös.“ Sie hilft den Familien, nach den Gründen zu suchen.

„Ich mache eine klinisch-psychologische Testung. Einen Intelligenztest, einen Lesetest – es gibt viele Arten, welche Lernschwächen oder Lernstörungen ein Kind haben kann. Es ist etwa ein großer Unterschied, ob Kinder die Buchstaben nicht zu Wörtern verbinden können oder ob sie Texte lesen, aber nicht verstehen können“, erklärt Slabiner. Oder ob sie die Buchstaben und Zahlen nicht verarbeiten können.“ Die Suche nach den Ursachen ist fast Detektivarbeit, für die man Experten benötigt. Die Lehrer selbst können das anregen, aber nicht übernehmen. Manchmal finden auch Augen- oder Ohrenärzte die Ursache des Problems.

Genau unterscheiden

Man müsse sehr genau hinsehen, weil Kinder sich angewöhnen, über ihre Schwächen hinwegzutäuschen, weiß Slabiner aus Erfahrung: „Ich habe Kinder erlebt, die kaum lesen können, aber aus dem Zusammenhang den Inhalt ableiten und nacherzählen können. Und andere lesen tadellos und haben keine Ahnung vom Text.“

Sie unterscheidet zwischen einer echten Störung und der leichteren Lernschwäche: „Ich klopfe die Kinder emotional auf Ängste und schwierige Lebensereignisse ab, denn die können auch eine Lernschwäche zum Hemmschuh machen.“

Wenn Experten ein Problem erkennen, reicht es oft, wenn die Eltern mit ihrem Kind die vorgeschlagenen Übungen machen – auch ohne Therapie. „Es gibt sehr viel gutes Material. Kinder lernen etwa nochmals, die Silben zusammenzulesen.“ Wichtig sei die Kommunikation mit den Lehrern, damit auf die Bedürfnisse des Kindes Rücksicht genommen werden kann. Und ein gutes Klima in der Familie: „Eltern dürfen die Nerven nur hinter verschlossenen Türen verlieren, niemals vor ihrem Kind.“

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