Steif schon in jungen Jahren

Im Schnitt dauert es sieben Jahre bis die Krankheit festgestellt wird. Oft werden fälschlich Fehlbelastungen, etwa durch eine schlechte Sitzhaltung, vermutet.
Rückenbeschwerden werden häufig als Folge falscher Belastung abgetan – ein Fehler.

Angefangen hat alles mit Rückenschmerzen. Sie traten meist in der Nacht auf und verliefen in Schüben – dazwischen war Paul Pocek oft zwei bis drei Monate beschwerdefrei. Beim Fußballspielen fiel dem damals Zwanzigjährigen auf, dass sich seine Beweglichkeit zunehmend einschränkte. Er fragte mehrere Orthopäden um Rat, doch es dauerte zehn Jahre, bis er die richtige Diagnose erhielt: Chronisch entzündlicher Rückenschmerz, die sogenannte axiale Spondyloarthritis.

So wie Paul Pocek geht es fast allen Betroffenen – sie leiden jahrelang unter Schmerzen im Bereich des Beckens und steifen Gelenken am Morgen, doch im Schnitt dauert es sieben Jahre bis die Krankheit festgestellt wird. Dazwischen liegen zahlreiche Arztbesuche, bei denen die Symptome häufig als Folge von Fehlbelastungen, etwa einer schlechten Haltung beim Sitzen und mangelnder Bewegung abgetan werden. Eine rheumatische Entzündung wird bei den überwiegend jungen Patienten – die ersten Symptome treten meist in den Zwanzigern auf – oft nicht bedacht. Nach dem 40. Lebensjahr ist ein erstmaliges Auftreten der Beschwerden eher selten.

Nicht diagnostiziert

Etwa 60.000 Österreicher sind von der Erkrankung betroffen, doch nur bei einem Viertel ist sie diagnostiziert. "Das frühe Erkennen ist für den Verlauf entscheidend. Wird die Krankheit in den ersten drei Jahren diagnostiziert und behandelt, kann in 60 bis 70 Prozent der Fälle Beschwerdefreiheit erreicht werden", sagt Prof. Joachim Sieper, Leiter der Rheumatologie an der Charité Berlin. Mithilfe von entzündungshemmenden Medikamenten, die sich die Patienten im Abstand von ein bis vier Wochen selbst spritzen, sowie über spezielle Bewegungsübungen kann verhindert werden, dass sich die Wirbelsäule verknöchert. Diese Verknöcherungen entstehen nach etwa fünf bis zehn Jahren im Krankheitsverlauf und führen zu anhaltender Steifheit sowie Mobilitätseinschränkungen.

Die Ursache des chronisch entzündlichen Rückenschmerzes ist bisher nicht bekannt. Fest steht nur, dass es sich um eine Autoimmunerkrankung handelt. Sieper: „Das körpereigene Abwehrsystem greift das Knorpel- und Knochengewebe an. Die Folge sind schmerzhafte Entzündungen der Lendenwirbelsäule und des Kreuz-Darmbein-Gelenks.“ Häufig wird bei Erkrankten eine Veränderung eines bestimmten genetischen Merkmals, des sogenannten HLA-B27, festgestellt. In etwa zehn Prozent der Fälle werden die Beschwerden an Kinder vererbt.

Aufklärung

In der Anfangszeit behandeln viele Betroffene ihre Beschwerden mit Medikamenten aus der Hausapotheke oder Hausmitteln. Bis sie einen Arzt aufsuchen, vergeht wertvolle Zeit. "Praktische Ärzte, Orthopäden, aber auch Physiotherapeuten sind dann erste Ansprechpartner für Betroffene. Die Vernetzung zwischen den verschiedenen Disziplinen spielt bei der Diagnose daher eine wichtige Rolle", sagt Johannes Grisar, Leiter der Rheumaambulanz im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Wien. Für die raschere Diagnose brauche es laut Grisar Aufklärung – nicht nur aufseiten der Patienten, sondern auch bei Ärzten und Therapeuten.
Besonders der Physiotherapie komme große Bedeutung zu. Grisar: "Regelmäßige Physiotherapie und tägliche Übungen zu Hause fördern die Durchblutung und können die Verknöcherung zwischen den Wirbelkörpern verhindern."

Schonhaltungen, die Betroffene aufgrund der Schmerzen oft einnehmen, helfen zwar kurzfristig, langfristig führen sie jedoch zu Fehlbelastungen – dadurch bedingte Rückenschmerzen kommen zu den bestehenden Symptomen hinzu. Über sanftes Kraftausdauertraining, etwa speziellen Übungen aus Yoga, Tai Chi oder Pilates, Schwimmen und Joggen auf weichem Boden, wird versucht, die dauerhaften Folgeschmerzen zu reduzieren.

Ohne frühe Therapie schreitet die Verknöcherung fort – die Steifheit der Wirbelsäule, aber auch von Gelenken und Gliedmaßen nimmt zu. Man spricht dann auch von Morbus Bechterew. "Derartige Langzeitschäden gilt es durch frühe Diagnose und Therapie zu reduzieren", sagt Rheumatologe Sieper.

Untersuchungen

Basis für eine Diagnose ist ein ausführliches Gespräch mit dem Arzt, körperliche Untersuchungen sowie Bluttests über Entzündungswerte und den Erbfaktor HLA-B27.

Bildgebende Verfahren

Die frühe Diagnose gelingt mit Magnetresonanztomografie (MRT). MRT-Bilder zeigen kleine Entzündungsherde noch bevor es zu dauerhaften Veränderungen im Knochen kommt. Im Röntgen sind erst die Spätfolgen in Form von Schädigungen an der Wirbelsäule bzw. des Kreuz-Darmbeingelenks sichtbar.

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