Cannabis - warum nicht freigeben?

Symbolbild
Die Verfolgung von Cannabis-Straftaten kostet den Staat viel Geld - wäre eine Legalisierung nicht die billigere Lösung?

Es war "The Noble Experiment". Der ehrenwerte Versuch, die Welt ein bisschen besser zu machen. Jene Substanz zu verbieten, die für Tausende Tote pro Jahr verantwortlich ist, die in Übermaßen genossen meist eher das Schlechte im Menschen hervorbringt. Die Männer gewalttätig werden lässt, Familien zerstört und Leben ruiniert. Von 1920 bis 1933 war Alkohol in den Vereinigten Staaten nach dem "National Prohibition Act" verboten.

Anstieg der Kriminalität

Aber weil das Gegenteil von gut bekanntlich gut gemeint ist, hat die Prohibition, das Verbot von Alkohol, in den Vereinigten Staaten von 1920 bis 1933 mehr Probleme gebracht als gelöst. Der Alkoholkonsum sank tatsächlich, auch die Zahl jener, die aufgrund von alkoholbedingter Krankheiten wie Leberzirrhose starb. Dafür explodierte die Kriminalität; die Zahl der Straftaten nahm im ersten Jahr nach der Prohibition um ein Viertel zu. Nicht nur weil Alkohol zu nunmehr illegal war, auch Morde und andere Gewaltdelikte nahmen zu. Die Prohibition begünstigte das Erstarken der organisierten Kriminalität – Al Capone wurde nicht zuletzt deshalb populär, weil er die Bürger mit Alkohol versorgte.

Fast hundert Jahre nach der Prohibition steht die westliche Gesellschaft vor demselben Problem, nur dass es sich diesmal genau umgekehrt verhält: Immer mehr Menschen konsumieren Cannabis, obwohl es in fast allen Staaten der Erde verboten ist. In Österreich haben laut aktuellem Drogenbericht 30 bis 40 Prozent der jungen Erwachsenen zumindest einmal in ihrem Leben Erfahrungen mit Cannabis gemacht, bei allen anderen illegalen Substanzen sind es höchstens vier Prozent. Deshalb ist die Frage dieselbe wie bei der Prohibition: Soll eine Substanz, die oft konsumiert wird, die berauschend wirkt, und deren Konsum gesundheitliche Folgen haben kann, legal oder verboten sein? Noch dazu, wo sehr viele Menschen argumentieren, dass die beiden erlaubten Suchtmittel, Tabak und Alkohol, viel schädlicher seien. "Legalize it" ist längst nicht mehr nur eine Forderung auf den Bob-Marley-Postern in Jugendzimmern, die Legalisierung von Marihuana ist in der politischen Realität angekommen.

Legalisierung weltweit, Verschärfung in Österreich

Wirklich legal ist Cannabis ausgerechnet in einem Staat, in dem sonst fast alles verboten ist: Nordkorea. Ansonsten ist die Situation fast überall kompliziert, eindeutig ist nur der Trend zur Legalisierung. Zu unterscheiden ist zwischen medizinischem Gebrauch und der Freigabe als Genussmittel. Viele US-Bundesstaaten haben „medical marihuana“ legalisiert; wer dort Marihuana kaufen will, braucht dafür die Bescheinigung eines Arztes. Und selbst in jenen Bundesstaaten, in denen es auch als Genussmittel legalisiert ist – Alaska, Colorado, Oregon und Washington –, ist die rechtliche Lage schwierig; es gelten gleichzeitig die Gesetzes des Staates, nach denen kiffen legal ist und die des Bundes, nach denen es verboten ist. Kanada will Cannabis noch im Laufe dieses Jahres komplett legalisieren; die Niederlande, Tschechien und Portugal haben mit einer Entkriminalisierung von Drogen gute Erfahrungen gemacht.

In Österreich hingegen wurde gerade das Gesetz verschärft: Seit 1. Juni ist der Verkauf von Drogen auf offener Straße ein eigener Tatbestand, der mit bis zu zwei Jahren Gefängnis bestraft werden kann. Eine Anlassgesetzgebung, die mit dem hohen Dealeraufkommen an der U6 zu tun hat, die hauptsächlich Cannabis verkaufen. „Das ist die teuerste Variante für die Gesellschaft“, sagt Gabriele Fischer, Leiterin der Drogenambulanz am AKH in Wien. Sie bedeutet: Mehr benötigte Ressourcen und Personalaufwand, um ein Gesetz durchzusetzen, mehr Kosten für die Justiz für Prozesse und Haftplätze.

Cannabis macht die meiste Arbeit

29.674 Anzeigen gab es 2014 nach dem Suchtmittelgesetz; mehr als drei Viertel davon, 25.309, bezogen sich auf Cannabis. Die meiste Arbeit für Polizei und Justiz macht also eine Substanz, die in anderen Ländern bereits legalisiert ist.

Aber wie würde das konkret aussehen, wäre käme teurer? Das Problem ist: Niemand weiß, einerseits wie viel Geld Österreich für die Verfolgung von Drogendelikten ausgibt. Und andererseits weiß auch niemand, wieviel im gesundheitlichen Bereich für Therapien von Cannabissüchtigen ausgegeben werden. Es ist sehr schwierig, Prognosen abzugeben, wenn schon der Ist-Stand unbekannt ist.

So ist es nur möglich, sich der Frage grob anzunähern: Während der Anteil von Cannabis bei den Anzeigen überproportional hoch ist, ist er bei den Suchtkranken ein sehr geringer – und dieser geringe Anteil wird vom Justizapparat hoch gehalten. Wegen Cannabis als so genannter „Leitdroge“ waren 2014 rund 2.000 Menschen in Behandlung – von insgesamt rund 23.000 Menschen, die wegen illegaler Drogen in Behandlung waren (Die Anzahl der Alkoholabhängigen liegt bei rund 350.000 Österreichern). Cannabis ist also bei nicht einmal einem zehn Prozent der Patienten das Hauptproblem. Dazu kommt: Viele deren, die in Therapie sind, haben vielleicht gar kein Problem mit ihrem Konsum. „Viele von denen sind in einem ‚Therapie statt Strafe‘-Programm“, sagt Johanna Schopper, nationale Drogenkoordinatorin im Gesundheitsministerium. Die Zahl derer in Therapie, die tatsächlich einen hochfrequenten Konsum von Cannabis haben, schätzt sie auf 600 bis 700.

Was wären die Konsequenzen eine Freigabe?

Aber würde die Zahl derer, die Cannabis konsumieren, in die Höhe schnellen, wenn es legalisiert wäre? "Das Problem ist, dass es Lockerungen erst in wenigen Staaten seit recht kurzer Zeit gibt", sagt Schopper. Also: Die Erfahrungswerte fehlen. Studien gehen allerdings davon aus, dass der Konsum – auch weil davon ausgegangen wird, dass Cannabis durch eine Legalisierung billiger würde – von einem Anstieg des Konsums um drei bis fünf Prozent aus -, was vergleichen mit Alkohol und der Anzahl der in Therapie befindlichen vermutlich noch immer kein großes gesundheitliches wie gesellschaftliches Problem wäre.

Und Portugal hat schon vor 15 Jahren den Konsum von Drogen zwar nicht legalisiert, aber weitgehend entkriminalisiert, "was äußerst kosteneffektiv war und zu einer Entleerung der Gefängnisse führte", sagt Suchtforscherin Fischer. "Das ‚ersparte‘ Geld wurde direkt in gesundheitsbezogene Maßnahmen investiert." Eine tatsächliche Freigabe hätte den zusätzlichen Vorteil, dass der Staat damit weitere Einnahmen lukriert, "wenn die Liberalisierung mit Steuereinnahmen verbunden ist".

Die Chancen, dass eine Liberalisierung Sparpotential bei geringen negativen Folgen hätte, ist also groß. Aber Überlegungen, wie eine Liberalisierung oder gar Legalisierung in Österreich aussehen könnte, gibt es noch nicht – weil es dafür noch keine Notwendigkeit gibt, sagt Drogenkoordinatorin Schopper: "Auf politischer Ebene sehe ich keine Signale in Richtung einer Legalisierung."

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