Darum wird die Lehre wieder attraktiv
Die Matura ist für viele Österreicher das Maß aller Dinge. Immer noch sehen es Eltern am liebsten, wenn ihr Kind ein Gymnasium besucht und später studiert. Das hat viel mit dem Image der Lehre zu tun und wenig mit den realen Einkommens- und Karrieremöglichkeiten des Lehrberufs. Doch warum eigentlich?
Ein Blick auf die Statistik sollte zu denken geben: Während im Jänner die Arbeitslosigkeit bei Pflichtschulabsolventen sogar leicht gesunken ist, ist sie bei Akademikern um 11,9 Prozent gestiegen. Der Trend ist klar: Die Nachfrage nach qualifiziertem akademischem Personal stagniert.
Schwierige Lehrlingssuche
Dennoch suchen Unternehmen händeringend Jugendliche, die für eine Lehrstelle geeignet sind. Ein Phänomen, das schon lange nicht mehr auf Tiroler Tourismusbetriebe beschränkt ist, wie Alfred Freundlinger von der Wirtschaftskammer (WKO) weiß. "Selbst Handel und Gewebe finden vielerorts nicht mehr ausreichend junge Leute, die das notwendige Rüstzeug mitbringen, das sie für eine Ausbildung benötigen." Es hapert an Deutsch- und Mathematikwissen und bei machen an der Einstellung zur Leistung.
Kreative Ideen
Deswegen hat der Kampf um die besten Lehrlingsköpfe schon längst begonnen. Die Firmen werden bei ihrer Suche dabei sehr kreativ. Rainhard Kos, Personalchef bei der Welser Profile Austria GmbH in Ybbsitz und Gresten (NÖ), hat z.B. Werbespots in Kinos geschaltet, um junge Menschen für die Ausbildung zu gewinnen. Zudem besucht er regelmäßig Neue Mittelschulen. Da gelte es nicht nur die Jugendlichen, sondern auch die Eltern zu begeistern, denn diese entscheiden in diesem Alter meist über den Bildungsweg ihres Kindes. "Besonders Mütter sagen oft, dass es ihr Kind einmal besser haben soll." In der Praxis heißt das, sie sollen weiter zur Schule gehen.
Polytechnikum ist verpöhnt
Das darf aber keinesfalls die Polytechnische Schule (Poly) sein. Vor allem in den Metropolen ist die Schulform so schlecht angesehen, dass Eltern alles unternehmen, um den Nachwuchs vor diesem Schultyp zu "bewahren." Dabei sollte das die Zubringerschule für die Lehre sein. "De facto kommt nur jeder vierte Lehrling von dort", sagt Freundlinger. Seine Forderung: "Sozialpartner und Politik müssen gemeinsam eine Lösung finden." Als Alternative zum Poly wird oft eine HTL oder HAK gewählt. Sobald ein Schüler dort ist, hat die Schule wenig Interesse daran, ihn wieder zu entlassen. Man will keine Lehrerarbeitsplätze gefährden. Doch nicht jeder Jugendliche fühlt sich in einer höheren Schule wohl. Glücklich ist er nur, wenn er den Beruf oder die Schule wählt, die zu ihm passt. "Besser ein exzellenter Installateur als ein durchschnittlicher Politikwissenschaftler", bringt es Thomas Mayr vom IBW (Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft) auf den Punkt. "Das heißt nicht, dass man auf keinen Fall Politologie studieren sollte. Man sollte sich nur dann dafür entscheiden, wenn man die Leidenschaft und die Begabung dafür hat."LebensverdienstWobei das Studium auch finanziell lange nicht mehr so attraktiv ist wie einst. Reinhard Kos hat ausgerechnet, wie viel ein Facharbeiter in seiner Firma netto verdient hat, bis andere in den Beruf einsteigen. Die Zahlen sind erhellend: Rund 57.000 Euro hat er auf seinem Konto, bis ein 19-jähriger HTL-Absolvent zu arbeiten beginnt. Ganze 194.000 Euro sind es, bis ein TU-Absolvent von 25 Jahren in den Job einsteigt. Der Lebensverdienst beträgt bei allen ca. 1,3 Millionen Euro. Sicher hat diese Rechnung einige unbekannte Variablen, weil z.B. der Student vorher etwas dazu verdient.
Lehre wird attraktiver
Vielleicht ein Grund, warum die Lehre wieder attraktiver wird. Aber nicht nur. Bundeskanzler Christian Kern hat ihre Bedeutung erkannt und im "Plan A" angekündigt, mehr in die duale Ausbildung zu investieren. Die gilt mittlerweile international als Rettung schlechthin. In vielen Ländern ist die Jugend zwar formal so hoch gebildet wie noch keine Generation vor ihr. Dennoch ist die Arbeitslosigkeit hoch, weil eben Facharbeiter gesucht werden.
Es gibt auch Kritiker der dualen Ausbildung: Facharbeiter seien zu spezialisiert und eher von Arbeitslosigkeit betroffen, sobald ihre Fähigkeiten nicht mehr gefragt sind. Mayr kann dem nicht zustimmen und verweist auf den Scarring-Effekt: "Wenn einer als junger Mensch keinen Job bekommt, erholt er sich sein ganzes Leben nicht davon."
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