Großer Nachholbedarf bei der Kinder- und Jugendgesundheit

Großer Nachholbedarf bei der Kinder- und Jugendgesundheit
Eine neue Herausforderung sind traumatisierte Flüchtlingskinder.

Bei der Kinder- und Jugendgesundheit ist noch viel zu tun - das ist die Bilanz, die die Österreichische Liga für Kinder- und Jugendgesundheit (Kinderliga) in ihrem heute, Freitag präsentierten Jahresbericht zieht. Auch wenn einige Forderungen bereits umgesetzt bzw. auf Schiene gebracht wurden: "Die Umsetzung der Kinder- und Jugendgesundheitsstrategie im Wesentlichen am Stand von 2010 bzw. 2012 stecken geblieben.", beklagt Kinderliga-Präsident Kurt Vavrik.

Datenlage fehlt

So gibt es etwa weiter keine aussagekräftige Datenlage zur Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich. Vavrik fordert auch, dass in den Bereichen Prävention und Gesundheitsförderung mehr für Kinder und Jugendliche getan werden muss. Dazu fehlen noch immer in vielen Bereichen adäquate Therapie-Angebote für Kinder. "Kinder sind keine kleinen Erwachsenen", betont Vavrik. Zuletzt kritisierten Experten zum Beispiel oft, dass zu wenig stationäre Plätze in der Kinder- und Jugendpsychiatrie existieren und die jungen Patienten daher in Erwachsenenstationen untergebracht werden müssen. „Die unversorgten Jugendlichen von heute sind die chronisch kranken Erwachsenen von morgen.“ Dennoch decken die Versorgungskapazitäten decken weiterhin nicht den Bedarf ab.“ Auf die Kinder werde immer wieder vergessen, etwa in der aktuellen Diskussion über „Primary Health-Care-Zentren“, die die überfüllten Ambulanzen entlasten sollen.

Dazu kommt, dass Armut und soziale Benachteiligung mittlerweile die größte Gesundheitsgefährdung für Kinder in Industrie- und Wohlstandsgesellschaften darstellen. 124.000 Kinder und Jugendliche gelten in Österreich als arm, 150.000 sind von Armut bedroht. 30.000 Jugendliche sind auf Jugendhilfe der öffentlichen Hand angewiesen.

Neue Herausforderung traumatisierte Flüchtlingskinder

Zusätzlich zu diesen Forderungen braucht es laut Vavrik gerade jetzt besondere Anstrengungen in der Kinder- und Jugendgesundheit. "Aktuell kommen jetzt ganz neue Aufgaben auf uns zu, wie etwa die Herausforderung der medizinisch-therapeutisch-pädagogischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Fluchtbiographie", zeigt sich Vavrik besorgt.

"Das alles trifft Jugendliche aus prekären Verhältnissen noch härter. Schon jetzt ist Armut in Industrieländern die größte Gesundheitsgefährdung für Kinder und Jugendliche. Mit jugendlichen, oft traumatisierten Flüchtlingen kommt nun eine Gruppe dazu, die ganz besondere Bedürfnisse hat. Mangelnde Hilfe im Moment bringe enorme Folgekosten, betont Vavrik: „Wir produzieren sonst eine verlorene Generation.“ Jugendanwältin Monika Pinterits nimmt dafür die Politik in die Pflicht. „Im Vorjahr war die Situation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge ein Thema, wo die Politik relativ wenig gemacht hat.

Das Problem: Es gibt viel zu wenige Therapieplätze und die Wartezeiten betragen oft über ein Jahr. „Werden Traumata nicht sofort behandelt, chronifizieren sie sich“, sagt Psychotherapeutin Sonja Brauner. Es sei hier eine viel bessere Vernetzungsarbeit aller Institutionen nötig. Aber auch den Therapeuten müsse noch viel mehr an Weiterbildung und transkultureller Kompetenz ermöglicht werden. "Kindergärten und Schulen leisten da schon sehr gute Arbeit, es braucht aber noch deutlich mehr Vernetzung in anderen Bereichen."

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