Apps, die Kinder klüger machen

Lernen mit Tablet.
Wenn schon Online-Spiele, dann pädagogisch sinnvolle, rät US-Game-Designer Asi Burak. Auch das Familienministerium hat Empfehlungen.

Vor Kurzem sorgte eine US-Autorin mit einem persönlichen Text für Aufregung. Ihr neunjähriger Sohn habe nachts heimlich Minecraft gespielt und alle Hobbys vernachlässigt. Letztlich musste er auf Entzug gehen. Viele Experten und Eltern sehen Online-Spiele bei Kindern als Zeitfresser und Suchtgefahr. Andere würden am liebsten schon Kindergartenkinder mit einem eigenen Tablet ausstatten, damit sie rechtzeitig die Kulturtechnik Computer lernen.

Als Spiele-Designer und Vorsitzender der Organisation "Games for Change" sieht Asi Burak den Nutzen von Spielen "pragmatisch", sagte er bei seinem Wien-Besuch: "Warum verbringen Jugendliche so viel Zeit mit Spielen? Weil es ihnen Spaß macht. Das muss man nützen, für sinnvolle Sachen."

Lerneffekt

Game Designer seien gut darin, die Herausforderungen für Spieler nicht zu leicht oder zu schwer zu machen. Burak selbst erfand ein millionenfach verbreitetes Spiel "Peacemaker" ("Friedensstifter"), das den Nahostkonflikt simuliert und den Spielern realitätsnahe Entscheidungen abverlangt. "Als wir damals bei der Agentur Reuters angefragt haben, konnten sie sich nicht vorstellen, was ihre Videos in einem Spiel sollen. Später haben mir Jugendliche gesagt, dass sie in einer Stunde spielen mehr über Politik gelernt haben als in einem Jahr Nachrichten anschauen."

Buch

Die Wirkung von Online-Spielen stellt er in seinem Buch mit dem provokanten Titel "Power Play: How Video Games Can Save the World" vor, das in den USA Ende Jänner erscheint ("Wie Videospiele die Welt retten können").

Apps, die Kinder klüger machen
Azi Burak

Im Gespräch mit dem KURIER nennt er einige Aspekte, wie Kinder durch Spiele motiviert werden können.

  • Lernhilfe Viele Spiele werden eigens programmiert, um Kinder unterhaltsam an Lernthemen heranzuführen. Gerade für jüngere Kinder, denen die Lust am Lesen oder Rechnen fehlt, gibt es eine Vielzahl von Apps, die Spiel und Lernen verbinden.
  • Unterricht vertiefen In den USA gibt es den Trend, erfolgreiche Spiele für den Unterricht anzupassen. So werden etwa Sim City, Civilization oder Plants vs Zombies für Fächer wie Mathematik oder Geschichte adaptiert. Dabei werden Pläne für Lehrer entwickelt und Unterrichtsmaterialien zusammengestellt, manche Features werden verändert. In der Neuen Mittelschule Zwettl zum Beispiel ist das Programm "Minecraft Education Edition" fixer Bestandteil des Unterrichts.
  • Computer verstehen Es gibt einen wichtigen Einsatzbereich, den Kinder am besten am PC lernen: selbst Spiele zu erfinden und zu entwickeln. Es macht sie kreativ und es bringt ihnen bei, in Systemen zu denken und Spielregeln zu erfinden. Und vor allem: Sie lernen, in Codes zu denken. Das Thema Programmieren komme in der Schule zu kurz.
  • Fähigkeiten stärken Auch Spiele, die Asi Burak als "non-educational" bezeichnet, könnten einen Lerneffekt haben. Etwa wenn Jugendliche bei einem Strategiespiel komplexe Gedankengänge ausführen müssen oder "bei einem Abenteuer-Spiel schnelle Entscheidungen treffen".

Richtig anleiten

Burak wünscht sich, dass Eltern besser informiert sind: "Wer den Kindern gar kein Fernsehen oder gar keine Computer-Spiele erlaubt, tut ihnen nichts Gutes – das ist eben die Sprache der jungen Generation. Meine Töchter sind fünf und sieben Jahre alt. Ich weiß aus meinen Forschungen und ich sehe, dass Spiele gut für sie sind."

Empfehlungen des Familienministeriums

Eltern falle es schwer, die digitale Welt der jüngeren Generation zu verstehen, merkt Burak: "Wie sollen sie auswählen, was für ihre Kinder gut geeignet ist?" In diese Richtung zielt der Gigamaus-Wettbewerb, der sinnvolle Computer-Spiele auszeichnet. Das Familienministerium liefert mit seiner Online-Datenbank www.bupp.at Beschreibungen und Empfehlungen von Computerspielen.

Man müsse kein Experte werden, meint dazu Familienbund-Präsident Bernhard Baier, aber "es ist wichtig, sich mit diesen ,verteufelten‘ Spielen auseinanderzusetzen und die Kinder danach zu fragen. Und Eltern können ruhig auch mal mitspielen".

So stellen sich manche Jugendliche das Paradies vor: Statt über ihren Lehrbüchern zu brüten, spielen sie den ganzen Tag. In einer Schule in New York wurde das umgesetzt, erzählt Game-Designer und Autor Asi Burak. „Quest to Learn“ ist eine Bildungseinrichtung, die wie ein Spiel funktioniert. Die Gründer haben die Vorteile von Spielen genommen und daraus ein Schulkonzept gemacht.

So gibt es etwa Missionen und Schatzsuchen, Quests und Levels. Ein Beispiel: In Biologie spielen die Jugendlichen, sie wären Mitarbeiter in einem Biotech-Labor und sollen Dinosaurier klonen sowie ein stabiles Ökosystem für diese entwickeln. Auf diese Art lernen sie mit ganz unterschiedlichen Medien über Genetik, Biologie und Ökologie – ohne es als Belastung zu empfinden.

Beste Ergebnisse

In die Schule gehen Kinder von der 6. bis zur 12. Schulstufe. „Nach fünf Jahren gibt es erste Absolventen und die Erhebungen zeigen, dass die Ergebnisse dieser Schüler viel besser sind als in anderen Schulen“, so Burak. Hunderte Schüler bewerben sich jedes Jahr und ständig will jemand eine Führung. „Der Direktor sagt schon: ,Wir sind kein Zoo.‘“

Gegentrend

Im Silicon Valley, der Heimat der Internet-Erfinder, boomen hingegen alternative Schulen, die sich auf die analoge Welt konzentrieren und sich vom Internet komplett abwenden. Kein Wunder: Die Gründer von Google, Amazon und Wikipedia gingen alle selbst in Waldorf-Schulen.

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