Geschwister Scholl: Vorbilder für Zivilcourage

Sie wollten nicht tatenlos zusehen: Hans Scholl, Sophie Scholl und Christoph Probst (v. li.), Mitglieder der „Weißen Rose“
Vor genau 75 Jahren, am 22. Februar 1943, wurden die Widerstandskämpfer hingerichtet.

Nichts ist eines Kulturvolkes unwürdiger, als sich ohne Widerstand von einer verantwortungslosen und dunklen Trieben ergebenen Herrscherclique "regieren" zu lassen.

Mit jedem Flugblatt, das die Mitglieder der Widerstandsgruppe Weiße Rose drucken und verbreiten, mit jeder Anti-Hitler-Parole, die sie an Wände schreiben, bringen sie ihr Leben in Gefahr. Insgesamt sechs Flugblätter verteilt die Weiße Rose von Sommer 1942 bis Februar 1943 gegen das NS-Regime und gegen die Kriegspolitik.

Ihre Aktion am 18. Februar 1943 wird ihnen zum Verhängnis: Die Geschwister Sophie und Hans Scholl, Mitglieder der Weißen Rose, bringen die Flugblätter in einem großen Koffer auf die Münchner Ludwigs-Maximilians-Universität und werfen sie von der Balustrade. Nach Ende der Vorlesungen sollen die aus den Hörsälen kommenden Studenten und Studentinnen die Zettel finden, mit denen die Geschwister ihre Kollegen zum Widerstand gegen Adolf Hitler bewegen wollen.

Im zweiten Flugblatt der Weißen Rose war es um den Massenmord an Juden und Zwangsarbeitern in Osteuropa gegangen. Sie sind damit die einzige Widerstandsgruppe Deutschlands, die den Mord an Juden und Zwangsarbeitern explizit ansprach.

Schauprozess

Am 22. Februar 1943, nur vier Tage nach der waghalsigen Aktion an der Münchner Universität, wurden Hans und Sophie Scholl im Gefängnis München-Stadelheim mit dem Fallbeil hingerichtet. Die Geschwister waren in der Universität entdeckt und der Polizei ausgeliefert worden. Das Todesurteil stand schon vor ihrem inszenierten Gerichtsprozess fest. Sogar eine eigene Untersuchungskommission war eingerichtet worden, um die Verfasser der Flugblätter ausfindig zu machen.

Am selben Tag wie die Geschwister starb auch ihr Freund und Mitstreiter Christoph Probst, an den heute noch ein Platz in Innsbruck erinnert. Bis heute sind die Geschwister Scholl die häufigsten Namensgeber von Schulen in Deutschland – aktuell sind es mehr als 187. Der Geschwister-Scholl-Preis wird seit 1980 jährlich für ein Buch verliehen, das "von geistiger Unabhängigkeit zeugt und geeignet ist, bürgerliche Freiheit, moralischen, intellektuellen und ästhetischen Mut zu fördern und dem gegenwärtigen Verantwortungsbewusstsein wichtige Impulse zu geben". Er ist mit 10.000 Euro dotiert. Zuletzt ging der Preis an den libyschen Autor Hisham Matar für "Die Rückkehr. Auf der Suche nach meinem verlorenen Vater".

NS-Ideologie

Dabei waren die Scholl-Geschwister zuerst selbst begeistert von der NS-Ideologie. Zur großen Enttäuschung ihres Vaters, der die Nazis von Anfang an ablehnte, waren Sophie und Hans sogar BDM- und HJ-Gruppenführer. Doch schon bald wandten sich die Geschwister von der NS-Ideologie ab. Das gleichgeschaltete Denken der Nazis war ihnen zuwider. Sophie und Hans hatten einen großen Freiheitsdrang und wollten selbstständig denken – das vertrug sich nicht mit dem Nationalsozialismus.

Auch der christliche Glaube war ausschlaggebend, dass sie von HJ-Gruppenführern zu Widerstandskämpfern wurden, erklärt der evangelische Theologe Robert M. Zoske. "Hans und Sophie Scholl haben einen Gegenpart zur NS-Ideologie gebraucht, und das war die Religion. Hitler war für Hans Scholl das absolut Böse", erklärt Zoske, der dieser Tage das Buch "Flamme sein!" über Hans Scholl und die Weiße Rose herausgebracht hat (C. H. Beck). Auch durch andere Ereignisse, etwa dem Verschwinden eines Lehrers, der kein Nationalsozialist sein wollte, und dem Verschwinden jüdischer Mitschüler, wurden die Geschwister zu Gegnern des Nazi-Regimes.

Zivilcourage

Laut Zoske zeigen die Geschwister Scholl, "dass Glaube und Handeln zusammengehören. Viele Christen waren während der NS-Zeit völlig passiv, doch die Geschwister Scholl haben nach ihren Überzeugungen gehandelt. Man kann lernen, wie wichtig es ist, zu dem zu stehen, was man für richtig hält. Diese Zivilcourage soll auch heute ein Vorbild sein."

Das sechste Flugblatt, das den Mitgliedern der Weißen Rose zum Verhängnis geworden war, gelangte über Widerständler nach London. Später wurde es von der britischen Luftwaffe über Deutschland abgeworfen, und die Idee der Weißen Rose so weiter verbreitet.

Die Weiße Rose in Buch und Film

Die Zerrissenheit des Widerstandskämpfers Hans Scholl offenbarte sich in seinen Gedichten, die der deutsche Theologe Robert M. Zoske nun erstmals vollständig in einem aktuell erschienenen Buch zusammengetragen hat. „Flamme sein!“ (Verlag C.H. Beck) thematisiert auch Scholls Liebschaften mit Männern.
Seit der Nachkriegszeit wurde die Geschichte der Geschwister Scholl und der Weißen Rose immer wieder in Büchern und Filmen aufgegriffen:

- Inge Aicher-Scholl, die Schwester von Sophie und Hans, veröffentlichte im Jahr 1952 ihr Buch „Die Weiße Rose“ (Fischer-Verlag), in dem sie erstmals die Geschichte ihrer Geschwister erzählte. Ihr Buch ist der Grund, warum Sophie und Hans heute bekannter sind als die anderen Mitglieder der „Weißen Rose“.

- Großen Erfolg bei Publikum und Kritikern hatte der Spielfilm „Die Weiße Rose“ von Michael Verhoeven aus dem Jahr 1982.

- Die Verhörprotokolle von Hans und Sophie Scholl sowie Christoph Probst waren Grundlage für das Drehbuch des Films „Sophie Scholl – die letzten Tage“ (2005). Der Film wurde mit dem Filmpreis „Silberner Bär“ ausgezeichnet.

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