Ziemlich beste Feinde: Der endlose Luftkampf

Airbus A380 bei der Farnborough Airshow in England.
Illegale Staatshilfe: WTO gibt den USA Recht. Hohe Strafzölle für EU-Produkte drohen.

Tut man das unter Freunden? Da wollen die USA und die EU ein Handelsabkommen abschließen – schon am 3. Oktober sitzen sie in New York wieder an einem Tisch, bei der 15. Verhandlungsrunde zu TTIP. Und zugleich bekriegen sich beide Seiten bis aufs Blut.

Seit mehr als zwölf Jahren tobt ein Luftkampf zwischen den Flugzeugbauern Boeing (USA) und Airbus (EU). Jeder wirft dem anderen vor, mit unerlaubten Staatsbeihilfen den Wettbewerb zu verzerren und so dem Konkurrenten das Geschäft zu verhageln. Weshalb beide Konzerne einander mit Klagen eindecken.

Was im Handel erlaubt ist, bestimmt die Welthandelsorganisation WTO in Genf. Dort erging am Donnerstagabend ein wichtiger Schiedsspruch. Der 574-Seiten-Bericht sei ein "überwältigender Sieg für die USA und unsere Arbeiter in der Luftfahrtindustrie", jubelte der US-Handelsbeauftragte Michael Froman. Doch das letzte Wort ist nicht gesprochen.

Streit um 22 Milliarden Dollar

Der Fall reicht zurück ins Jahr 2004. Damals warfen die USA Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Spanien vor, Airbus (vormals EADS) mit billigen Baugrundstücken, Krediten, Schuldennachlässen und Forschungszuschüssen unerlaubterweise zu begünstigen. Ganze 300 Maßnahmen aus einem Zeitraum von 40 Jahren wurden beanstandet, für die volle Airbus-Palette, vom alten A300 bis zum Riesenvogel A380. Die unerlaubten Beihilfen summierten sich auf stolze 22 Milliarden Dollar, behaupten die USA.

Die WTO-Schiedsrichter ließen sich bis 2011 Zeit, gaben dann aber der Beschwerde großteils recht. Die EU versprach, die illegalen Beihilfen abzuschaffen. Das sei nicht zur Gänze passiert, urteilten die Schiedsrichter jetzt.

"Ein klarer Etappensieg für die Amerikaner", kommentiert Handelsexperte Gabriel Felbermayr vom Ifo-Institut München. Zehn Milliarden Dollar an Vergeltungszöllen, die im Raum stehen, seien eine überraschend hohe Strafe.

Allerdings ist die Geschichte nicht vorbei. Denn alles deutet darauf hin, dass die EU-Kommission gegen das Urteil beruft. Dieses werde "eingehend analysiert", es enthalte "unbefriedigende Aspekte", sagte ein Kommissionssprecher. Und obendrein laufen in Gegenrichtung zwei Airbus-Klagen gegen Boeing – ebenfalls wegen Beihilfen in Milliardenhöhe. Die Urteile werden 2017 erwartet.

Ins eigene Fleisch

Sollte die EU die Auflagen neuerlich ignorieren, dürften die USA Vergeltungsmaßnahmen verhängen. Diese geplanten Strafzölle müssten der WTO zur Genehmigung vorgelegt werden – treffen könnte es alle Waren. "Strafzölle werden üblicherweise dort aufgeschlagen, wo es der Gegenseite besonders weh tut", sagt Richard Senti, früher Professor an der ETH Zürich und jahrelang Mitglied der WTO-Streitschlichtungsstelle, zum KURIER. So seien französische Cognac-Marken und italienische Spaghetti-Produzenten beliebt, weil diese gut organisiert sind und in Brüssel für kräftigen Wirbel sorgen.

Ein Vergleich wäre jederzeit möglich. Den sieht Felbermayr aber in weiter Ferne. Sollten die Flugzeughersteller aus Russland und China, die stark ins Geschäft mit Passagiermaschinen drängen, erst einmal groß genug sein, könnte das Boeing und Airbus zur Räson bringen. "Ein Handelskrieg würde keinem helfen", sagt der Experte.

In der global vernetzten Welt schneidet man sich mit Sanktionen oft ins eigene Fleisch. Seit Juli 2015 produziert die Airbus-Gruppe nämlich in einem Werk im US-Bundesstaat Alabama Flugzeuge der A320-Familie, könnte also selbst Nutznießer von US-Subventionen werden. Und der US-Konzern Boeing hat viele wichtige Zulieferer aus Europa.

Streitfälle zwischen der EU und den USA vor der WTO kommen häufiger vor als man denkt. Vor allem liegt das an der Größe der Wirtschaftsräume und Intensität der Handelsbeziehungen. Von 114 Beschwerden, welche die Vereinigten Staaten in Genf vorgebracht haben, entfielen 33 auf die EU oder einzelne EU-Staaten. Umgekehrt haben 40 von 151 Klagen gegen die USA ihren Ursprung in der EU.
Einige Fälle sind als Schreckgespenste aus der TTIP-Debatte bestens bekannt. So hat die WTO das Import-Verbot der EU für amerikanisches Hormon-Rindfleisch für unzulässig erklärt – die EU erkennt diesen Spruch aber nicht an und nimmt Strafzölle in Kauf. Auch die chlorbehandelten Hühner liegen seit 2009 vor der WTO, ein Spruch ist ausständig. Mögliche Sanktionen wegen des Importverbotes für US-Genmais veranlassten Red Bull dazu, den Markt USA mit einer Abfüllanlage in der Schweiz zu beliefern. Die Streitigkeiten über Bananen- und Stahlimporte konnten nach jahrelangen Disputen beigelegt werden.

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