Zahnarzt will "Preiskartell" sprengen

Zahnarzt will "Preiskartell" sprengen
Ein ungarischer Zahnarzt hat geklagt, weil er in Österreich nicht mit Preisen werben darf. Die Kammer kontert, der Wettbewerb funktioniere auch so.

Das Schreiben, das die europäische Wettbewerbskommission vom Wiener Rechtsanwalt Michael Brand vor wenigen Wochen erhalten hat, birgt Sprengkraft: Brand wirft als Vertreter des ungarischen Zahnarztes Gabor Barthos der österreichischen Zahnärztekammer einen Verstoß gegen das EU-Kartellrecht vor. Bekäme Barthos recht, müsste es zu mehr Wettbewerb am österreichischen Zahnärztemarkt kommen. "Das würde die Preise der Zahnärzte in Österreich drücken", erwartet Brand.

Freier Markt

"Wir legen die Preise, die Zahnärzte verlangen dürfen, nicht fest, das ist ein freier Markt", kontert Jörg Krainhöfner, Kammeramtsdirektor der österreichischen Zahnärztekammer. Allerdings gebe es "autonome Honorarrichtlinien", aktuell vom Juli 2011.
Weder österreichische noch ausländische Zahnärzte dürfen in Österreich mit Preisangaben werben. Tun sie es doch, müssen sie mit Sanktionen rechnen. Laut Krainhöfner werden jährlich 40 bis 50 Verfahren in dieser Sache geführt.
Für ungarische Zahnärzte aber sei es ohne Werbung nicht möglich, an österreichische Kunden zu kommen, beklagt Brand. Zahnarzt Barthos, der von der österreichischen Zahnärztekammer wegen seiner Preiswerbung in den Zeitungen bereits in erster Instanz auf Unterlassung geklagt wurde, hat wenig Verständnis für die Marktabschottung seiner österreichischen Kollegen. "In Ungarn herrscht im Gegensatz zu Österreich freier Wettbewerb für zahnärztliche Dienstleistungen. Das wirkt sich auch auf den Preis aus."

Preis

Zahnarztleistungen in Ungarn seien wesentlich billiger als hierzulande, die Qualität aber sei gleich, so Barthos. Das bestätigt eigentlich auch Krainhöfner: "Vor zehn Jahren gab es noch Qualitätsunterschiede, heute sehe ich das nicht mehr." Das Problem der ungarischen Zahnärzte sei weniger die Qualität als die Zeit, die sie Patienten widmen. Vor- und Nachbehandlungen fallen aufgrund der Entfernung oft weg.
Die Preisrelation zwischen österreichischen und ungarischen Zahnärzten sei etwa 3:1, so Brand. Den Hauptgrund für die Preisdifferenz sieht er darin, dass es "die Lobby der österreichischen Zahnärzte offensichtlich geschafft hat, in Österreich ein Preis- und Informationsverhinderungskartell zu errichten und aufrechtzuerhalten". Das Werbeverbot mit Preisen diene der Absicherung dieses Kartells. Die Konsumenten könnten sich über die Preise der zahnärztlichen Dienstleistungen in Österreich nicht vorab informieren. Sie brauchten dafür den persönlichen Kontakt zu einem Zahnarzt und würden erst am Zahnarztstuhl erfahren, was die Leistung koste.
Ohne Diagnose könne man bei medizinischen Leistungen nicht sagen, was es koste, kontert die österreichische Zahnärztekammer. Dass Zahnärzte hierzulande teurer seien als in Ungarn, liege auch daran, dass es bei uns zahlreiche Hygienevorschriften gebe oder etwa eine strenge Röntgenausbildung. Solche Auflagen seien in Ungarn weniger streng.

Vergleich: Gleiche Leistung zum halben Preis Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat vor zwei Jahren den letzten großen Zahnarzt-Test durchgeführt (Heft 11/2009). Dabei wurden gleiche Leistungen in Österreich und Ungarn verglichen. Das Ergebnis: Je nach Zahnarzt und Material sind Einsparungen von mehr als 50 Prozent möglich.
Konkretes Beispiel: Ein Patient ließ sich zwei Implantate in Wien einsetzen, ein anderer in Ungarn. Die Erfahrungen der beiden Tester deckten sich, was Aufklärung, Eingriff und Nachbehandlungen betrifft, weitgehend. Bei beiden Patienten traten keine Komplikationen auf.
Der große Unterschied lag und liegt in den Kosten. In Wien zahlte der VKI-Tester knapp 4900 Euro für beide Implantate. Der Tester in Ungarn zahlte 1800 Euro für die Implantate. Rechnet man die elf Autofahrten nach Ungarn mit, summieren sich die Ausgaben auf insgesamt 2350 Euro.
Auf der Homepage der österreichischen Zahnärztekammer findet sich eine Honorar-Empfehlungsliste. Sie kommt zur Anwendung, wenn vor einer Schlichtungsstelle ein Gutachten erstellt werden soll. Eine 30-prozentige Über- oder Unterschreitung der Werte gilt als angemessen.

Beispiele:- Beratung/Erstuntersuchung: 50 Euro
- Behandlung von Kindern bis 6 Jahren: 100 Prozent Erschwerniszuschlag.
- Festsitzende Zahnspange: 5483 Euro für gesamte Behandlungsdauer.
- Hilfe bei Kollaps: 35 Euro.

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