Nobelpreis für den Erfinder des "Nudging"
Der 49. Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften geht an Richard H. Thaler, geboren 1945, von der University of Chicago für seine Untersuchungen zur Psychologie hinter ökonomischen Entscheidungen. Aus österreichischer Sicht eine kleine Enttäuschung: Der Verhaltensökonom Ernst Fehr, der in Zürich lehrt, wurde seit vielen Jahren als Geheimfavorit gehandelt. Mit Thalers Preis sind seine künftigen Chancen auf den Preis gesunken.
In der Öffentlichkeit bekannt wurde Richard Thaler als Co-Autor des Bestsellers „Nudge: Improving Decisions About Health, Wealth and Happiness“. Nudge bedeutet etwa so viel wie Anstupsen. Darin beschreibt Thaler, wie man Menschen mit niederschwelligen Maßnahmen dazu bewegt, die richtigen Entscheidungen zu treffen - etwa weniger Energie zu verbrauchen oder die Rundfunkgebühren zu bezahlen.
„Das Buch hat die Profession sehr stark bewegt, weil es angewandte Politiklösungen beschreibt, die auf Einsichten von Behavioral Economics basieren“, erklärte Jean-Robert Tyran, Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Wien, dessen Spezialgebiet Verhaltensökonomie ist. Auch der frühere US-Präsident Barack Obama war ein Anhänger der Nudge-Theorie.
Tipp: Behavioral Network Vienna - Iris Bohnet: Wie Verhaltensdesign die Gleichstellung revolutionieren kann, 10. Oktober, 18.30 Uhr
Die Laudatoren begründeten die Entscheidung mit Thalers wegweisenden Forschungen zur Frage, wie Menschen ökonomische Entscheidungen treffen. So habe Thaler zum Beispiel erklärt, warum Menschen scheinbar irrationale Bewertungen treffen, um Verluste zu vermeiden; warum Neujahrsvorsätze so selten eingehalten werden und was als fair empfunden wird und was nicht.
„Richard Thalers Forschung ist hochaktuell und bietet nicht nur neue Einsichten, sondern auch praktische Lebenshilfen“, sagte der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest. „Er hat in seiner Forschung gezeigt, dass Menschen häufig nicht vollständig rational handeln, sondern eher einfachen Entscheidungsregeln folgen.“ Als Beispiel nannte Fuest einen Taxifahrer, der als generelle Regel so lange fährt, bis er einen bestimmten Umsatz erreicht an. An Tagen mit hoher Nachfrage höre er früher auf, an Tagen mit schwacher Nachfrage dagegen später. „Wenn viele Fahrgäste gerne ein Taxi hätten, wird das Angebot verknappt, und wenn wenige Gäste da sind, steigt das Angebot“, erklärte Fuest. „Genau das Gegenteil wäre notwendig.“
Mit seiner Arbeit hat es der 72-Jährige Thaler bis nach Hollywood geschafft. In dem Film „The Big Short“ - in dem es um das Entstehen der Finanzkrise 2007/08 geht - spielte Thaler in einem Kurzauftritt sich selbst. Gemeinsam mit Selena Gomez erklärt er dabei in einem Spielcasino, wie das Geschäft mit synthetischen „Collateralized Debt Obligations“ (CDO) die Finanzkrise befeuerte, die die Weltwirtschaft in ihre schwerste Rezession seit Ende des Zweiten Weltkriegs stürzte.
Stiftung der Zentralbank
Streng genommen ist der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaft gar kein Nobelpreis. Er geht zumindest nicht auf den letzten Willen von Dynamit-Erfinder Alfred Nobel (1833-1896) zurück. Der Schwede hatte in seinem Testament nur Preise für Medizin, Physik, Chemie, Literatur und Frieden genannt. Den Wirtschaftspreis stiftete die schwedische Reichsbank in Erinnerung an ihn 1968.
Seitdem wurden vor allem Ökonomen aus den Vereinigten Staaten ausgezeichnet - 2016 ging der Preis an einen US-Amerikaner und einen Finnen. Nur ein Österreicher hat hat die Auszeichnung bisher bekommen: Friedrich August von Hayek im Jahr 1974. Und auch nur eine einzige Frau ist bis dato unter den 78 Gewinnern: Elinor Ostrom erhielt den Preis 2009 verliehen.
Der Wirtschaftspreis ist wie die traditionellen Nobelpreise auch mit neun Millionen schwedischen Kronen (rund 940 000 Euro) dotiert. Er wird am 10. Dezember - Nobels Todestag - in Stockholm überreicht.
Jahr | Preisträger | Begründung |
2011 | Thomas Sargent & Christopher Sims | "Für ihre empirische Untersuchung von Ursache und Wirkung in der Makroökonomie" |
2012 | Alvin E. Roth & Llyod S. Shapley | "Für die Theorie stabiler Verteilungen und die Praxis des Marktdesigns" |
2013 | Eugene Fama, Lars Peter Hansen & Robert J. Shiller | "Für die empirische Analyse von Kapitalmarktpreisen" |
2014 | Jean Tirole | "Für seine Analyse der Macht und der Regulierung der Märkte" |
2015 | Angus Deaton | "Für seine Analyse von Konsum, Armut und Sozialstaat" |
2016 | Oliver Hart & Bengt Holmström | "Für ihre Beiträge zur Vertragstheorie" |
2017 | Richard H. Thaler | "Für Forschungen zur Frage, wie Menschen ökonomische Entscheidungen treffen" |
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