Wirte, Handel: SPÖ-Pläne gegen den Steuerbetrug

SP-Staatssekretärin Sonja Steßl: „Steuerausfall durch manipulierte Kassen bis zu einer Milliarde Euro“.
Einkaufen und Wirtshaus-Besuche künftig nur noch gegen korrekte Rechnung. Staatssekretärin Steßl im Interview.

KURIER: Wie hoch schätzen Sie den jährlichen Steuerausfall durch manipulierte Registrierkassen und Zahlungssysteme?

Sonja Steßl: Auf mindestens 500 Millionen Euro, sehr zurückhaltend geschätzt. Ich kenne aber auch Schätzungen über 800 Millionen bis eine Milliarde Euro.

Das wäre schon ein schöner Teil der Manövriermasse für eine Steuerreform.

Hier liegt viel Geld. Die Reformierung der Selbstanzeige kann heuer weitere 150 Millionen bringen.

Die SPÖ hat ein Forderungspaket gegen die Steuerhinterziehung im Einzelhandel und in der Gastronomie geschnürt. Was sind die Schwerpunkte?

Einer unserer Vorschläge wäre die Anbindung der Registrierkassen an das Bundesrechenzentrum, das die Transaktionen für die Finanz über den üblichen Zeitraum von sieben Jahren speichert. Wie bei den Glücksspielautomaten. Und eine Belegpflicht.

Die Belegpflicht schlug die SPÖ schon in den letzten Regierungsverhandlungen vor, ist aber am erbitterten Widerstand von Wirtschaftskammer-Chef Leitl gescheitert. Warum soll’s diesmal funktionieren?

Ich war bei den Verhandlungen nicht in dieser Gruppe. Ich will aber die Wirtschaft mit ins Boot holen. Die Bekämpfung des Steuerbetrugs ist doch im Interesse aller. Die Budgets werden für alle Bereiche knapper und dann fließen derartige Summen an der Steuer vorbei.

Sollte auch das Anbieten von Manipulationssoftware bestraft werden?

Ja, wenn man ein solches Programm anbietet und besitzt. Hier wären Geldstrafen am effizientesten und die Verfahren dauern nur kurz. Man muss von Beginn an mit rechtlichen Konsequenzen drohen, dann überlegt man sich zwei Mal, ob man ein derartiges Programm verwendet.

Betrifft das auch die Anbieter der Kassen?

Wir brauchen umfassende Regelungen, wie zum Beispiel in Schweden.

Müssten nicht auch die Konsumenten besser aufgeklärt werden?

Die meisten Konsumenten wissen gar nicht, wie sie betroffen sind. Sie zahlen die Umsatzsteuer, die dann mithilfe der manipulierten Kassen nicht abgeführt wird. Die Konsumenten müssen rund um dieses Thema gezielt informiert werden.

Welche Branchen arbeiten besonders gerne an der Steuer vorbei? Die Gastronomie?

Ich will keinesfalls eine ganze Berufsgruppe ins schiefe Licht rücken. Ja, es gibt Betriebe im Handel, in der Gastronomie, wo viel passiert. Aber es gibt natürlich sehr viele ehrliche Unternehmer, hier soll man nicht pauschal verurteilen.

Zur Selbstanzeige. Als Sie im März den Entwurf vorlegten, gab’s viel Kritik.

Mir geht’s ums Prinzip. Jeder Beschäftigte zahlt seine Lohnsteuer und hat keine kreativen Gestaltungsmöglichkeiten. Auf der anderen Seite: Wenn die Großbe-triebsprüfer schon im Unternehmen stehen, kann der Unternehmer eine Selbstanzeige aus der Schublade ziehen. Er zahlt dafür nur 1,9 Prozent Verzugszinsen und hat zwei Jahre Zeit, die Abgabenschuld zu begleichen. Das ist günstiger als jeder Hypothekar-Kredit. Daher ist eine Reform dringend notwendig. Ich rede hier nicht von kleinen Delikten.

Sie fordern einen Strafzuschlag, gestaffelt bis zu 50 Prozent. Das ist der Wirtschaft sicher zu viel.

Darüber verhandeln wir gerade mit der ÖVP. Ich will die Selbstanzeige per se nicht konterkarieren. Selbstanzeigen werden weiterhin Finanzstrafverfahren vermeiden können. Aber nur Verzugszinsen und keine Strafzuschläge, das ist nicht gerecht. Deutschland hat seit Jahren strengere Regeln als Österreich und diskutiert sogar noch über eine Verschärfung.

Wann rechnen Sie mit der Umsetzung?

Der Finanzminister hat die Reform in seinem Brief an die EU-Kommission genannt. Wenn wir heuer die 150 Millionen Euro im Budget wollen, müssen wir jetzt handeln. Die Kassen hingegen müssen ein Thema in der Steuerreform-Kommission sein. Bis die Maßnahmen dann in Kraft sind, wird’s etwas dauern. Die Unternehmen brauchen ja Umstellungsfristen.

Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt. Trotzdem, können Sie sich Sympathie erwarten, wenn viele Unternehmen derart unter der Steuerlast stöhnen und klagen, sie könnten nicht mehr überleben? Einzelne Unternehmer sind ohnehin schon im Steuerstreik.

Steuerstreik hin oder her, auch die kleine Angestellte muss ihre Lohnsteuer zahlen. Deshalb ist es wichtig, sie zu entlasten. Die Senkung des Eingangssteuersatzes ist ein Gebot der Stunde. Schauen Sie sich die Empfehlungen der OECD und der EU-Kommission seit Jahren an. Österreich ist in der EU bei der Besteuerung des Faktors Arbeit auf Platz drei und bei Vermögen auf Platz 26. Der Konsum ist trotz Wirtschaftskrise nicht eingebrochen, weil Wirtschaftspakete geschnürt wurden und 2009 eine Steuerreform gemacht wurde. Aber jetzt wird das Umsatzsteueraufkommen weniger als die Lohn- und Einkommensteuer. Da muss man sich doch fragen, was da los ist. Die Gewerkschaften kämpfen um jede Lohnerhöhung und netto bleibt den Arbeitnehmern davon nach Abzug der Inflation nichts mehr übrig.

Aber mit Vermögen- und Erbschaftsteuer können Sie eine Steuerreform nicht gegenfinanzieren. Das geht sich nicht aus.

Einnahmen aus der Millionärsabgabe wären ja nur ein Teil. Vergessen Sie nicht den positiven Effekt von Steuersenkungen auf das Wirtschaftswachstum, auf den Konsum, auf die Beschäftigung. Eine Vermögensteuer ist nicht wachstumsschädlich, die zu hohe Belastung des Faktors Arbeit dagegen sehr wohl.

Nachdem alle Männer abgesagt hatten, wurden Sie in der ZiB 2 Armin Wolf zum Fraß vorgeworfen. Im Internet ging’s daraufhin mit sexistischen Postings los. Wie geht’s Ihnen dabei und wie gehen Sie damit um?

Als Frau in der Politik muss man so was öfter aushalten als Männer. Die Heftigkeit der Angriffe beweist aber auch, dass ich richtig liege. Die Gegner der Millionärsabgabe versuchen es für sich zu nutzen, dass ich mich in der ZIB2 nicht auf eine Diskussion über Prozentzahlen einlassen wollte, sondern auf das verwiesen habe, was zählt: Unsere Ziele, die steuerliche Entlastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das alles bestärkt mich aber nur. Und wenn der Herr Wolf mich wieder einlädt, werde ich wieder hingehen.

Die Forderungen der SPÖ orientieren sich am schwedischen Modell. Dort sind die meisten Unternehmen verpflichtet, eine genehmigte Registrierkasse zu verwenden, über die alle Verkäufe abgewickelt werden. Der Konsument muss stets einen Beleg mit einer digitalen Signatur erhalten. Diese Signatur wird von einer externen Kontrolleinheit ausgegeben, sobald die Transaktion dort gespeichert ist.

- Steßl schlägt daher die verpflichtende Verwendung von elektronischen Registrierkassen vor, die mit Hilfe eines Genehmigungsverfahrens nicht manipulierbar sind.

- Das Ausstellen eines Belegs ist Pflicht, der Konsument muss im Fall einer Kontrolle den Beleg vorweisen können, solange er sich noch im Geschäftslokal aufhält.

- Alle Kassen sollen an das Bundesrechenzentrum angeschlossen werden.

- Begleitet wird die Initiative von einer umfassenden Informationskampagne.

- Angebot, Besitz und Verwendung von umsatzverkürzenden Programmen sollen verboten und mit Geldstrafen geahndet werden.

Die Kassen- und Belegpflicht gibt es bereits in zahlreichen EU-Ländern, darunter Italien, Frankreich, Ungarn, Polen und Slowakei. Die nächste technische Entwicklungsstufe, die digitale Signatur, haben neben Schweden bereits Kroatien, Portugal, Griechenland und Belgien.

Karriere Vier Jahre nach dem Abschluss des Studiums an der Karl Franzens Universität in Graz zog die Juristin 2009 für die SPÖ in den Nationalrat ein. Schwerpunkt der Arbeit der 1981 in Graz geborenen Politikerin war der Rechnungshofausschuss. Im Dezember 2013 wurde sie zur Staatssekretärin im Finanzministerium befördert.

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