Wir werden nichts zahlen!

Wir werden nichts zahlen!
Sparprogramme und vor allem die Immobiliensteuer bringen die Griechen auf die Palme. Am Donnerstag wurde wieder gestreikt.

Eine schmucklose Tribüne unter grauem Himmel, Nieselregen. In der feuchten Kälte harren etwa 200 Menschen aus, die Hände in den Manteltaschen vergraben. Aus Lautsprechern scheppern Widerstandslieder. Über dem Podium ist ein Transparent angebracht: "Wir haben nichts und wir werden nichts zahlen."

"Die Staatskassen mögen leer sein, aber unsere Geldbeutel sind auch leer", schimpft ein grauhaariger Rentner vor sich hin. "Wenn einer 600 Euro Rente bezieht und davon schon 100 Euro für Medikamente weggehen, wovon soll er dann leben?"

Anlass für die Bürgerversammlung im Athener Randbezirk Nea Ionia ist die neue Immobiliensteuer. Sie flattert den Griechen zusammen mit der Stromrechnung ins Haus. Wer nicht zahlt, riskiert, dass ihm der Strom abgestellt wird.

Notwehr

"Wir müssen uns zusammen widersetzen", krächzt ein Mann ins Mikrofon. Ein Ruck geht durch die Menge. Gemeinderätin Olga Katimertzi steht in der ersten Reihe. Sie gehört zu den Initiatorinnen des Zahlungsboykotts. Irgendwann ist Schluss, findet sie, die Immobiliensteuer bringe das Fass zum Überlaufen: "Wir haben eine enorme Arbeitslosigkeit. Vielen Bürgern fehlt es mittlerweile am allernötigsten. Wir werden diese Steuer verweigern. Das ist reine Notwehr!", ruft Katimertzi ins Mikrofon.

An der Empörung der Griechen über Sparprogramme und Steuerflut ändert auch die neue Regierung nichts. Tausende Menschen schlossen sich am Donnerstag dem ersten Generalstreik seit Amtsantritt von Premier Papademos an. Schulen und Ämter blieben geschlossen, Züge, Busse und Fähren standen still. Doch das nächste Sparpaket ist bereits auf dem Weg: Weitere Ausgabenkürzungen und neue Steuererhöhungen stehen ins Haus.

Steuergerechtigkeit ist auch eines der Lieblingsthemen von Dimitris Bourantas. Der Management-Professor ist gerade auf dem Weg zu einem Vortrag. Die Immobiliensteuer findet auch er nicht gut: "Viele glauben, es habe keinen Sinn, Steuern zu zahlen. Weil das Geld der Steuerzahler ohnehin in die Taschen einer korrupten Elite fließt, anstatt der
Gemeinschaft zugute zu kommen. Nehmen wir mein Beispiel: Ich zahle zwar rund 200.000 Euro Steuern im Jahr. Aber meine Kinder schicke ich auf eine Privatschule, weil der staatliche Unterricht mangelhaft ist. Wenn wir krank sind, gehen wir in Privatkrankenhäuser. Selbst die Mülltonne in unserer Straße habe ich aus eigener Tasche bezahlt! So etwas frustriert!"

Im Athener Randbezirk Nea Ionia geben indessen Gemeindeangestellte Tipps, wo und wie man die Stromrechnung zahlen kann, ohne die neue Immobiliensteuer zu entrichten. Die Stimmung ist aufgekratzt, man probt den Aufstand - auch wenn dem einen oder anderen etwas mulmig ist.

"Wird mir der Strom auch nicht abgestellt", fragt ein Familienvater - "jetzt, mitten im Winter?" Eine Gemeinde-Mitarbeiterin reicht ihm einen zugeschnittenen Zettel. Darauf sind ein paar Telefonnummern notiert. Ein Anruf, erklärt sie, und die Elektriker der Gemeinde richten die Verbindung wieder ein. Die Gemeindeangestellte versichert: "Das Wichtigste ist jetzt, dass wir Widerstand leisten."

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