Wifo/IHS: Wirtschaft wächst noch stärker

Wifo-Chef Christoph Badelt und IHS-Chef Martin Kocher
Wifo und IHS haben ihre Konjunkturprognosen deutlich nach oben gesetzt. Die Wirtschaftweisen erwarten mehr als 2 Prozent Wachstum.

Österreichs Wirtschaft wächst heuer selbst für die Experten unerwartet stark. Deshalb haben Wifo und IHS ihre Konjunkturprognose deutlich nach oben gesetzt. Angetrieben wird die Konjunktur von der exportorientierten Sachgütererzeugung - und es wird deutlich mehr investiert. Zugute kommt all das auch den Arbeitnehmern, denn die Arbeitslosigkeit sinkt 2017/18 stärker als zuletzt angenommen.

Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifoeur) hat die BIP-Prognose für heuer von 2,0 Prozent im März auf nunmehr 2,4 Prozent angehoben - und auch das Institut für Höhere Studien (IHS) ist mit 2,2 Prozent Wachstumserwartung für 2017 viel optimistischer als im Frühjahr, als man lediglich 1,7 Prozent Plus vorhergesagt hat.

BIP-Plus erstmals seit 2013 wieder über Eurozone

Damit liegt die heimische Wirtschaftsdynamik erstmals seit dem Jahr 2013 wieder über jener des Euroraums, in dem das Bruttoinlandsprodukt heuer laut Wifo um 2,1 und laut IHS um 1,9 Prozent wachsen soll.

Wifo/IHS: Wirtschaft wächst noch stärker
BIP-Wachstum real, Privater Konsum, Inflation und Arbeitsmarkt 2013-2016, Prognose 2017/2018 - SŠulengrafiken GRAFIK 0671-17, 88 x 100 mm
Für 2018 hat das Wifo die Prognose für den realen BIP-Anstieg in Österreich von 1,8 auf 2,0 Prozent erhöht, das IHS von 1,5 auf 1,7 Prozent. Voriges Jahr ist die heimische Wirtschaft nach Einschätzung beider Institute um 1,5 Prozent gewachsen.

Optimistischer stimmt die Konjunkturexperten jetzt vor allem der gute Start ins heurige Jahr. Denn Österreich verzeichnete Anfang 2017 mit 0,7 Prozent realem BIP-Plus gegenüber dem Vorquartal das kräftigste Wachstum seit sechs Jahren - gepusht durch starke Exportsteigerungen aufgrund der beschleunigten Welthandelsdynamik. Das kräftige Wachstum dürfte sich im 2. und 3. Quartal fortsetzen, erklärte das Wifo am Donnerstag.

Arbeitslosigkeit sinkt stärker

Die vorerst ungebrochene Expansion, die sich erst in einem halben Jahr etwas abschwächen dürfte, sorgt für eine vor kurzem noch nicht für möglich gehaltene Entspannung bei den Jobs. Laut Wifo verzeichnet Österreich heuer den deutlichsten Rückgang der Arbeitslosigkeit seit 2010, und schon seit Anfang 2017 gibt es das stärkste Beschäftigungsplus seit 2011.

Nach 9,1 Prozent im vorigen Jahr soll die Arbeitslosenrate nach nationaler Rechnung heuer laut Wifo statt auf 8,9 gleich auf 8,6 Prozent sinken und 2018 dann weiter auf 8,4 Prozent zurückgehen. Auch das IHS ist entsprechend zuversichtlich und sieht 2017 im Gesamtjahr lediglich 8,6 Prozent Arbeitslosigkeit statt 9,1 Prozent, wie im März gedacht; 2018 sollen es nur 8,4 Prozent sein.

Die Details: Robuste Binnennachfrage hält Konjunktur 2018 am Laufen

Hinter dem momentan recht kräftigen Wachstum der heimischen Wirtschaft steht ein günstiges Zusammenspiel außenwirtschaftlicher Faktoren. Auch 2018 soll es dank der robusten Binnennachfrage eine kräftige Expansion geben, aber der Wachstumspfad wird sich abschwächen, schätzt das Wifo. Zwar würden Steuerreform-Effekte heuer auslaufen, doch stärke die sinkende Arbeitslosigkeit die Haushaltseinkommen.

Das Auslaufen der Wirkung der Steuerreform auf den Konsum wird laut Wifo zunehmend durch die Verbesserung der Lage auf dem Arbeitsmarkt kompensiert. Trotz des Verblassens der Steuerreform-Impulse 2017 dürfte der private Verbrauch weiter stabil wachsen, denn die Konsumentenstimmung habe sich "nachhaltig gebessert". Insbesondere sei die Einschätzung zum "Arbeitsplatzrisiko in den kommenden Monaten" erheblich besser, so das Wifo, das die privaten Konsumausgaben 2017 und 2018 real um 1,4 sowie 1,5 Prozent wachsen sieht, etwa gleich stark wie 2016. Das IHS glaubt, dass der reale Konsum heuer um 1,4 Prozent steigt und kommendes Jahr um 1,0 Prozent.

Exportdynamik

Von der Außenwirtschaft, die heuer durch eine besondere Exportdynamik angekurbelt wird, gehen 2017 - anders als 2016 - positive Wachstumsbeiträge fürs BIP aus, da der Anstieg der Ausfuhren über jenem der Einfuhren liegt. Belebt haben sich die Exporte im laufenden Jahr mit dem Anziehen des Welthandels und der stärkeren Welt-Nachfrage nach Investitionsgütern.

Die Dynamik der Investitionstätigkeit bleibt hoch. Gestützt wird die Investitionsnachfrage laut Wifo durch die positiven Konjunkturaussichten, weiter günstige Finanzierungskonditionen, steuerliche Maßnahmen sowie die Bevölkerungsdynamik. Die Bruttoanlageinvestitionen sieht das Wifo heuer real um 3,2 Prozent wachsen, bei der der März-Prognose hatte man nur 2,6 Prozent Plus erwartet. Ähnlich sollten dieses Jahr die Ausrüstungsinvestitionen um 4,5 statt 4,0 Prozent zulegen. Doch auch 2016 hatten die Investitionen schon stärker zugelegt als bisher gedacht.

Auswirkungen von "Aktion 20.000"

Die Prognose-Risiken sieht das Wifo aktuell mehrheitlich nach oben gerichtet. So könnte die "Aktion 20.000" dazu beitragen, die erhöhte Sockelarbeitslosigkeit zu senken, und der "Beschäftigungsbonus" könnte zusätzliche Investitionen auslösen. Zudem könnten die günstigen Impulse für die Exporte länger anhalten als angenommen. Und das IHS meint, dass die deutlich bessere Stimmung von Konsumenten und Unternehmen den Aufschwung weiter verstärken könnte.

Momentan stehe der Anstieg der Sockelarbeitslosigkeit einem stärkeren Rückgang der Arbeitslosenquote entgegen, warnt das Wifo, das vor allem bei Menschen türkischer und jugoslawischer Herkunft keine Entspannung sieht, obwohl insgesamt die Arbeitslosigkeit ausländischer Arbeitskräfte eigentlich seit dem heurigen April sinke. Grund sei der ungebrochene Zuzug von Ostmitteleuropäern, die oft jünger und besser ausgebildet seien. Trotz Rückgangs der Arbeitslosigkeit insgesamt "zeigen sich auf dem Arbeitsmarkt daher Strukturprobleme", so das Wifo.

Brexit als Risiko

Die Weltwirtschaft berge auch Abwärtsrisiken, gab das Wifo am Donnerstag zu bedenken. Als erstes werden hier die Brexit-Verhandlungen über den EU-Austritt Großbritanniens genannt, aber auch die weltweit hohen Aktienbewertungen, deren Korrektur "den fragilen europäischen Finanzsektor destabilisieren" könnte, wie es heißt. Auch das IHS sieht mittelfristig die wirtschaftlichen Folgen des Brexit als größtes Konjunkturrisiko für Europa und verweist obendrein auf die Stabilitätsorientierung der US-Fiskalpolitik; zudem könne der beginnende Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik zu Spannungen an den Finanzmärkten führen.

Ölpreis

Für den Ölpreis rechnet das Wifo für 2017 und 2018 mit jeweils 51 Dollar je Barrel, nach 43,7 Dollar pro Fass im Vorjahr. Die Dollar-Aufwertung auf unter 1,05 Dollar je Euro durch Umschichtungen hin zu US-Aktien nach der Wahl Trumps sei in den letzten Wochen kompensiert worden, sodass für 2017/18 im Schnitt je 1,10 Dollar pro Euro erwartet werden.

Geldpolitik

Für die EZB-Geldpolitik nimmt das Wifo an, dass der Ankauf von Staatsanleihen 2018 ausläuft und die langfristigen Zinssätze im Euroraum dadurch um etwa einen halben Prozentpunkt anziehen. Danach werde die EZB die Leitzinssätze schrittweise anheben, aber langsamer als zuletzt angenommen, da die Kerninflation im Euroraum weiter niedrig sei.

Verbraucherpreis

Den Verbraucherpreisanstieg in Österreich erwartet das Wifo 2017 und 2018 bei 1,8 bzw. 1,7 Prozent (nach 0,9 Prozent im Vorjahr), das IHS in beiden Jahren bei 2,0 Prozent, etwas mehr als noch zur Frühjahrs-Prognose angenommen.

Herausforderungen für Regierung

Die öffentlichen Haushalte im Land profitieren derzeit durch die gute Konjunktur und die niedrigen Zinsen. Das IHS sieht jedoch in struktureller Hinsicht "weiterhin Herausforderungen für die künftige Bundesregierung". Sowohl die Staatsverschuldung als auch die gesamtwirtschaftliche Steuerquote seien zu hoch. Nötig seien verstärkte Anstrengungen zur Sicherung der Nachhaltigkeit des Budgets. Vor allem Bildung, Forschung und Entwicklung müsse höhere Priorität zukommen. Und: "Weitere Maßnahmen zur strukturellen Stärkung des Standorts Österreich sind ebenfalls notwendig, da nur so der Sozialstaat langfristig finanziert werden kann."

Kommentare