Wie viel Arbeitslosigkeit aus EU-Ländern "importiert" ist

Studie: Zusammenhang zwischen hoher Zuwanderung und Arbeitslosenquote.
Höhere Arbeitslosenquote durch Zuwanderung. Plus: Die Tücken beim Fachkräftemangel.

Braucht Österreichs Arbeitsmarkt wieder Schranken? Bundeskanzler Christian Kern will EU-Bürgern aus Staaten, deren Lohnniveau nicht einmal 80 Prozent des österreichischen erreicht, nur dann arbeiten lassen, wenn keine heimische Arbeitskraft zur Verfügung steht. Diese "Lohnschutzklausel" wäre ein klarer Verstoß gegen die EU-Verordnung zur Arbeitnehmerfreizügigkeit – und entsprechend schwierig durchzusetzen.

Faktum ist, dass die Bilanz seit vollständiger Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes für die neuen EU-Länder im Mai 2011 eher ernüchternd ausfällt: Seit 2011 bis Ende 2016 stieg die Arbeitslosigkeit ununterbrochen, bei Ausländern doppelt so stark wie bei Inländern. Gab es 2010 im Jahresschnitt 48.000 Arbeitslose mit ausländischen Pass, so waren es 2015 schon mehr als 96.000, im November 2016 schon 105.000 (siehe Grafik).

Wie viel Arbeitslosigkeit aus EU-Ländern "importiert" ist
Die Arbeitslosenquote ist bei Ungarn geringer, bei den Rumänen fast doppelt so hoch wie bei Österreichern. Die Ausländerbeschäftigung stieg im selben Zeitraum von 451.000 auf 615.000, im November waren es 659.000. Mehr als zwei Drittel des Zuzugs seit der Liberalisierung entfällt auf die neuen EU-Länder, insbesondere auf Ungarn, Polen und Rumänen. Letztere haben gemeinsam mit den Bulgaren erst seit Mai 2014 vollständigen Zugang.

Verdrängungseffekte

Der Fachkräftemangel existiert nach wie vor, in einigen Branchen wird trotz grenzenlosen Arbeitsmarktes händeringend nach Personal gesucht (siehe Artikel unten). Im Niedriglohnsektor registrierte das WIFO schon 2012 Verdrängungseffekte zwischen schon länger in Österreich befindlichen und neuen, oft besser qualifizierten Ausländern, vor allem in Wien.

Vor Kurzem ließ auch eine Studie der Bank Austria zu den Wanderungsbewegungen in der EU aufhorchen. Sie weist einen Zusammenhang zwischen hoher Zuwanderung und Arbeitslosenquote nach. Demnach wäre zwischen 2013 und 2015 die Arbeitslosenquote (EU-Definition) in Österreich von 5,4 auf 4,4 Prozent gesunken, wenn das Arbeitskräfteangebot nicht gestiegen, sondern gleich geblieben wäre. Stattdessen ist sie auf 5,7 Prozent angestiegen. Grund dafür war auch die schwache Konjunktur, die zu wenig neue Jobs schaffte. Dazu kommt die steigende Beschäftigung bei den Frauen sowie der spätere Pensionsantritt.

Uneinig sind sich Experten, wie sich eine anziehende Konjunktur in Österreich auf die Zuwanderung auswirken wird, anders formuliert: Wer wird die neu geschaffenen Jobs bekommen? Von der erwarteten Angleichung der Gehälter zwischen Österreich und seinen östlichen Nachbarländern kann jedenfalls (noch) keine Rede sein.

Viele Metaller- und einige Pflegeberufe sind es schon seit Jahren, das Küchenpersonal ist es noch immer nicht: Was ein sogenannter Mangelberuf ist, legt das Sozialministerium Jahr für Jahr vorwiegend aufgrund von AMS-Daten neu fest. Trotz Rekordarbeitslosigkeit gibt es für manche beim AMS ausgeschriebene Stellen zu wenige Bewerber, viele Jobs bleiben daher unbesetzt.

Für das Jahr 2017 wurden elf Berufe in die so genannte Fachkräfteliste aufgenommen, darunter vor allem technische Berufe sowie diplomiertes Pflegepersonal. 2008 waren es noch 65 Berufe. Praktisch bedeutet dies, dass auch Ausländer aus Drittstaaten als Fachkräfte gemäß Ausländer-Beschäftigungsgesetz angeworben werden können. Mit der Rot-Weiß-Rot-Card erhalten diese zumindest eine 12-monatige Aufenthaltsgenehmigung. Im Jahr 2015 waren dies nur rund 200 zugewanderte Fachkräfte aus Nicht-EU-Ländern. Rund 900 kamen als höherqualifizierte Schlüsselkräfte ins Land. Für EU-Ausländer steht der Arbeitsmarkt ohnehin offen.

Die Mangelberufsliste hat ihre Tücken. Wirtschaftsvertreter beklagen, dass sie zu wenige Berufe berücksichtigt und regionale oder branchenmäßige Bedürfnisse völlig ausblendet. So würden Touristiker gerne Köche und Industrielle Elektroinstallateure außerhalb der EU anwerben. Die Gewerkschaft verweist auf die hohe Arbeitslosigkeit und warnt vor Lohndumping durch Billigarbeitskräfte.

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