Wie solide ist das Wachstum? Fragen und Antworten

Wifo-Chef Christoph Badelt und IHS-Chef Martin Kocher
Die Forscher sind optimistisch wie selten zuvor. Konsum, Exporte und Investitionen ziehen gleichzeitig an.

Gute Nachrichten von der heimischen Wirtschaft: Die Ökonomen blicken so optimistisch in die Zukunft wie schon lange nicht. Beide großen Institute, IHS und WIFO, haben am Donnerstag ihre Prognosen für 2017 und 2018 kräftig hochgeschraubt. Nachdem Österreich jahrelang hinter Deutschland und dem Euroraum hergehinkt war, hat Rot-weiß-rot die Nase bei den Wachstumsraten vorn.

Hat der Aufschwung wirklich Substanz – oder sind die guten Daten nur ein Strohfeuer?

Wie solide ist das Wachstum? Fragen und Antworten
ABD0072_20170324 - WIEN - ÖSTERREICH: Wifo-Chef Christoph Badelt und IHS-Chef Martin Kocher am Freitag, 24. März 2017, anl. einer PK des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) und des Instituts für Höhere Studien (IHS) "Konjunkturprognose 2017 und 2018" in Wien. - FOTO: APA/HELMUT FOHRINGER
Die Forscher sind sich ziemlich sicher, dass dieses Wachstum Bestand haben und die Prognose halten wird. Zum einen ist 2017 schon zur Hälfte vorbei, womit die Daten automatisch auf soliderer Basis stehen. Oder, wie es IHS-Chef Martin Kocher ausdrückt: "Hoch werd’ ma’s nimmer verlieren." Und zum anderen sei dieser Aufschwung breit abgesichert. Ob Konsum, Exporte oder Investitionen: Alle drei Faktoren, die zum Wachstum beitragen, entwickeln sich derzeit höchst positiv.

Woher kommt der plötzliche Aufwind?

Ganz so überraschend kommt der Umschwung gar nicht, die Wachstumszahlen waren seit 2012 sehr dürftig. Geholfen haben starke Impulse aus dem Welthandel. So haben die Exporte nach Ostasien kräftig angezogen, wovon viele heimische Zulieferer indirekt profitieren: Ihr Beitrag steckt in vielen deutschen Exportprodukten nach China.

Die Unternehmen in Osteuropa nehmen ebenfalls wieder mehr Geld für neue Fabriken in die Hand, wodurch Österreichs Maschinen- und Anlagenbauer zu mehr Aufträgen kommen. 2016 waren nämlich EU-Fördermittel in Milliardenhöhe für die osteuropäischen Staaten eingefroren, weil eine Finanzierungsperiode zu Ende ging. Im heurigen Jahr löst sich dieser Investitionsrückstau auf.

Kommt das Wachstum nur aus dem Ausland?

Nein, Herr und Frau Österreicher haben mehr Geld im Börserl – und geben es auch aus. Die Steuerreform, die 2016 wirksam wurde, hat sich hier eindeutig positiv ausgewirkt. Jetzt ebben diese Effekte zwar allmählich ab, aber viele Menschen haben weniger Sorge, ihren Job zu verlieren. Die Stimmung ist gut, somit nimmt der private Konsum weiter zu.

Darf sich diesen Aufschwung also doch die Regierung auf ihre Fahnen heften?

Die Steuerreform kam um Jahre zu spät, der Impuls wäre viel früher benötigt worden. Ähnlich ist es mit dem Beschäftigungsbonus, der jetzt startet und die Unternehmen entlastet, wenn sie Leute einstellen.

Sorgen bereitet WIFO-Chef Christoph Badelt, dass jetzt Wahlgeschenke verteilt werden, ohne dass die Finanzierung geklärt wäre, vom abgeschafften Pflegeregress bis zur Uni-Finanzierung: "Ich habe den Verdacht, dass das rein zulasten des Defizits geht. Damit verringern wir unseren künftigen Spielraum."

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Wie wirkt sich das bessere Wachstum auf die Arbeitslosigkeit aus?

Eindeutig positiv, die Arbeitslosigkeit sinkt rascher als im März erwartet. Das sei aber kein Anlass für übertriebene Freude, sagt Badelt. Denn gemessen am positiven Umfeld sei die Arbeitslosenquote in Österreich "inakzeptabel hoch". Bedenklich ist die "Sockelarbeitslosigkeit" von Älteren und Geringqualifizierten: Sie profitieren kaum von der steigenden Beschäftigung, weil der Zustrom von Arbeitsuchenden aus Osteuropa anhält. Trotz höherer Wachstumsraten in diesen Ländern. "Der Treiber der Arbeitsmigration ist eindeutig nicht die Konjunktur, sondern das Lohngefälle", sagt WIFO-Experte Stefan Schiman.

Was könnte den Aufschwung gefährden?

Einige Risiken köcheln so vor sich hin: Die USA haben sich unter Trump (bisher) nicht so radikal eingeigelt wie befürchtet. Der Brexit schadet vorerst primär den Briten selbst, (noch) nicht Österreich. Wenn die Europäische Zentralbank zu lange an den Niedrigzinsen festhält, berge das auch Gefahrenpotenziale, warnt Kocher. Akut sei die Angst vor einer neuen Finanzkrise aber nicht: "Ich sehe keine Anzeichen für Blasen in Europa."

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