Wie Asien die Zukunft mit denkenden Robotern vorlebt

Lernen aus der Vergangenheit: Edo im 17. Jahrhundert
An asiatischen Universitäten dreht sich alles um die Gesellschaft der Zukunft mit vernetzten Daten.

Wie sieht unser Leben morgen aus? Wie werden wir arbeiten, wie bewegen wir uns in den Städten, wer sorgt für Sicherheit, wie wichtig werden Kunst und Kultur sein? Auch in Europa stellen sich viele Menschen diese Fragen, aber in Asien werden schneller Antworten gesucht und Umsetzungen vorbereitet, mit allen verfügbaren Daten, und manchmal sogar mit einem Blick in die Vergangenheit.

So beginnt in Tokio ein Vortrag für WKO-Präsident Christoph Leitl mit einer Reise zurück ins 17. Jahrhundert, in die Edo-Zeit. Man könne auch aus der damaligen Verwaltung der Hauptstadt lernen.

Aber dann kommt gleich "Society 5.0", so heißt das Projekt der Zukunft – und die Zukunft ist Chefsache. Ministerpräsident Abe hat eine eigene Arbeitsgruppe mit seinen wichtigsten Ministern und Wissenschaftern eingerichtet. In Fünf-Jahres-Plänen – der aktuelle geht bis 2020 – werden die Ziele und die notwendigen Gesetzesänderungen festgelegt. Ganz konkret.

Mehr Windeln für Alte

Die größte Herausforderung Japans ist die alternde und dadurch massiv schrumpfende Gesellschaft. 2050 könnte Japan nach manchen Schätzungen nur noch 80 Millionen Einwohner haben, heute sind es 125 Millionen. Schon heute kaufen die Japaner mehr Windeln für Alte als für Babies.

Zuwanderung ist weiter kein Thema, also muss die Technik helfen, vor allem Roboter, die Arbeiten in Fabriken und zu Hause erledigen sollen, aber auch als Gesprächspartner dienen. Was für ein kultureller Unterschied: Roboter, die Maschinen ersetzen, stellen ein sozialpolitisches Problem dar, aber Roboter, die Menschen ersetzen, will sich bei uns noch niemand vorstellen.

Die Society 5.0 kommt

Die geplante Society 5.0, die sieht in offiziellen Papieren des japanischen Ministerpräsidenten so aus: Roboter produzieren Waren, die durch autonom fahrende Autos in die Haushalte kommen, dort übernehmen Roboter das Kochen und Aufräumen.

Wie Asien die Zukunft mit denkenden Robotern vorlebt
Reise WKÖ
Sensoren in allen Bereichen überprüfen Verkehr und Umweltbedingungen, Nanosensoren im Körper das gesundheitliche Befinden des Menschen – und alle Daten werden von lernenden Computern mit künstlicher Intelligenz bearbeitet und analysiert. So wächst die Wirtschaft und das Leben wird gemütlicher.

Denkende Stäbchen

Durch die Verknüpfung der Daten wird die Gesellschaft "smart": Die landwirtschaftliche Produktion, die Umwelt, der Transport, die Gesundheitsvorsorge, die Energieversorgung – alles wird durch permanente Datenanalyse aufeinander abgestimmt.

Die Forschung findet überall in Asien in staatlichen und privaten Instituten statt. Und es geht immer um das Selbe: Roboter erledigen Arbeiten, Daten werden vernetzt. Künstliche Intelligenz bedeutet, dass die Computer lernen und von sich aus aktiv werden können.

Beispiel ETRI, das "Electronics and Telecommunications Research Institute" in Südkorea. Hier werden Chips für autonom fahrende Autos ebenso entwickelt wie Chop Sticks, also Essstäbchen, die die Qualität des Essens sekundenschnell abtesten können. Das ETRI versteht sich mit seinen 2000 studierten Ingenieuren, von denen die Hälfte habilitiert ist, auch als Brückenbauer zwischen Wissenschaft und Industrie.

Das ist einer der Schlüssel des Erfolgs. An keiner der Elite-Unis gibt es Berührungsängste mit der Industrie, ganz im Gegenteil, aber auch der Staat ist mit Geld und Aufträgen involviert.

Und wo sind die Europäer in dieser asiatischen Zukunftswelt? Da hilft ein Besuch an der Nanyang Technological University (NTU) in Singapur. Der Präsident heißt Bertil Andersson, der Schwede ist Biochemiker und leitet die NTU seit 2011.

Bei seinem Vortrag zeigt er ein Foto von einem Besuch von Beatrix Karl in diesem Jahr, Karl war damals Wissenschaftsministerin. Vereinbart wurde ein verstärkter Austausch von Studenten, aber die Zahl von Österreichern an der NTU ist seit damals bescheiden geblieben.

Zukunft anderswo

WKO-Präsident Christoph Leitl machte nun einen neuen Anlauf: Auch kleinere österreichische Unternehmen ohne Auslandsvertretung sollen hier in Singapur, wie in Stanford, am Bostoner MIT und am südkoreanischen KAIST Zugang zu Wissenschaftern und Forschungsergebnissen bekommen.

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Leitl
Einige Große sind schon da: Die Voest hat ihre Abteilung für Hochleistungs-Metalle in Singapur angesiedelt. In einem Forschungsinstitut der NTU ist man stolz auf die erfolgreiche Kooperation mit den Linzern. Aber auch andere Unternehmen forschen und verkaufen in Singapur, vor allem angezogen durch das Bildungssystem des Stadtstaates und den Ehrgeiz der Bewohner.

Von den rund 5,5 Millionen Einwohnern sind 75 Prozent Chinesen. Es gibt vier Amtssprachen, aber in der Schule muss jedes Kind Englisch sprechen. Unterricht ist von 8 bis 15 Uhr, dann werden Förderkurse angeboten, die auch dankbar angenommen werden.

Egal welche Herkunft, Nationalität oder Religion: Jeder hier weiß, dass Bildung die wesentliche Voraussetzung für weiter wachenden Wohlstand ist. Folgerichtig sind Lehrerinnen und Lehrer höchst angesehen und zum Teil auch besser bezahlt als andere Berufsgruppen mit Hochschulabschluss. Aber wie gesagt, sie arbeiten auch den ganzen Tag in der Schule.

Roboter-Daten-Leben?

Eine vernetzte Gesellschaft mit Hochleistungscomputern, die über uns mehr wissen, als wir selbst. Dazu Roboter, die Menschen ersetzen, auch bei Sozialkontakten, und alle Daten sind in einer Cloud – wollen wir so leben? Das ist eine wichtige Frage, der wir uns bald stellen müssen.

Denn anderswo geht die Zukunft in diese Richtung. Und wenn wir das nicht wollen, was ist die Alternative? Vor allem aber: Wenn wir mitreden wollen, müssen wir mitforschen. Hier in Österreich, mit mehr Geld und mehr Engagement.

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