Westbahn-Investor will Sozialpartner abschaffen

Grossnigg nimmt sich kein Blatt vor den Mund, betrachtet Kern und Kurz skeptisch
Österreichs Parade-Investor Erhard Grossnigg übt scharfe Kritik an der Politik und verlangt von der nächsten Regierung eine Reform der Gewerbeordnung.

Warum der Firmen-Sanierer lieber mit Frauen zusammenarbeitet und was er in Österreich ändern würde.

KURIER: Wie wird man eigentlich Sanierer und Investor?

Erhard Grossnigg: Sanierungsmanagement bedeutet ja immer, dass es den Firmen schlecht geht. Weil man denen keinen normalen Stundensatz verrechnen kann, habe ich gesagt: Ich verlange wenig, dafür ein Erfolgshonorar in Form von Firmenanteilen. So habe ich vor 40 Jahren begonnen.

Ursprünglich waren Sie Banker in der Chase Manhattan Bank.

Und mein Studium habe ich mir als Kellner, Croupier und Nachhilfelehrer verdient. Als Kind half ich in der familiären Gastwirtschaft mit. Das ist eine Lebensschule. Mittlerweile habe ich zwei Holdings. Die Austro-Holding und die grosso holding. Die Austro-Holding war eine Folge der Lehman-Krise, wo wir gesagt haben, wir machen ein "Sparbuch mit Firmenbeteiligungen" und zahlen den Gesellschaftern sechs Prozent Zinsen.

Und die zahlen Sie noch immer?

Ja. An der Austro-Holding darf keiner mehr als 20 Prozent besitzen, damit niemand glaubt, er kann bestimmen. Die Rechte sind weitgehend einem fachkundigen Beirat übertragen. In der grosso holding ist nur mehr meine Nachfolgerin, die Kerstin Gelbmann, mitbeteiligt. Tüchtige Frau, seit 16 Jahren dabei. Ich habe viele Jahre nur mit Frauen gearbeitet.

Warum?

Frauen haben nicht dieses Prestigedenken wie Männer. Eine Frau traut sich zu sagen: "Das überdenke ich erst einmal." Aber für solche Aussagen ernte ich oft Kritik.

Warum haben Sie das dann geändert?

Irgendwann einmal war ich auf Geschäftsreise, und meine "Mädels" haben einen Mann eingestellt. Dann hat der gleich sein Kaffeehäferl selbst ausgewaschen. Damit hatte er gewonnen.

Haben Sie wahr gemacht, mit 70 kürzerzutreten?

Ich bin aus fast allen exekutiven und Aufsichtsfunktionen zurückgetreten.

Gibt es nicht zu wenige Investoren wie Sie im Land, und mangelt es nicht an Risikokapital?

Wer in den USA ein Unternehmen gründet, sucht Investoren. Die Österreicher haben noch immer ein Sparbuchdenken und keinen funktionierenden Kapitalmarkt. Meine Firma macht zwischen 10 und 20 Übernahmen jedes Jahr.

Sind Sie auch mal gescheitert?

Jeder von uns fällt mal auf die Nase und lernt dazu.

Spüren Sie in Ihren Firmen den Wirtschaftsaufschwung, der auch Österreich erreicht hat?

Man merkt, dass alle Firmen, die im Export tätig sind, deutlich besser durch die Jahre gekommen sind. Wir haben aber ein massives Bildungsproblem in Österreich. Gute Bildung bringt automatisch eine gute Wirtschaft. Weil umverteilen kann man nur aus der Wirtschaft – das müssen die Leute endlich begreifen.

Begreift es denn die Politik?

Nein. Wir haben vier Problembereiche: Gesundheit, Bildung, Verwaltungsreform, Pensionen.

Wie sollen die Menschen länger arbeiten, wenn Sanierer wie Sie schauen, welche Leute man in die Pension schieben kann, um der Firma Geld zu sparen?

Das System ist falsch. Wir sollten die Leute nicht mehr nach Seniorität bezahlen. Ein Beispiel: Wir sind mit Anker-Brot neben Ölz die einzigen, die im Industrie-Kollektivvertrag sind. Eine Ströck-Filialleiterin verdient 1800 Euro, ich muss meiner 3500 zahlen. Warum? Weil sie seit 28 Jahren bei mir ist. Ich darf sie nicht kündigen. Und sie kündigt nicht, um nicht die Abfertigung zu verlieren. Außerdem kriegt sie so einen Job nie wieder.

Seit Schwarz-Blau gibt es ohnehin die Abfertigung neu.

Darum habe ich auch jahrelang gekämpft.

Wenn Sie Österreich als Sanierungsfall betrachten: Ab wann fahren wir an die Wand?

In Österreich haben wir seit 1945 nur fünfmal positiv abgeschlossen. Das letzte Mal 1962. Wer kann das aushalten? Wir sind 1945 gestartet mit null Schulden und einer Steuerquote von 31 Prozent. Jetzt haben wir 300 Milliarden Schulden und eine Steuerquote von 44 Prozent. Da ist viel Misswirtschaft, weil Politiker immer irgendwelche Zuckerln verteilen. Christian Kern hat ja einige Jahre in der Staatswirtschaft verbracht und sollte es daher besser wissen.

Er war als ÖBB-Chef Ihr Westbahn-Konkurrent.

Stimmt. 2016 hat die Westbahn erstmals Gewinn gemacht.

Sie haben immer kritisiert, dass die ÖBB Sie auf dieser Strecke mit Kampfpreisen niederkonkurrenziert.

Natürlich, und zwar auf Staatskosten – aber keiner sagt was.

Umgekehrt haben Sie mit WienSalzburg aber auch die einfachste Strecke und müssen nicht Kikeritzpatschen mit Hintertupfing verbinden.

Das ist eine Folge des Vergabegesetzes. Würden wir auf anderen Strecken zugelassen, müssten wir dieselben Subventionen kriegen wie die ÖBB. Mit den Subventionen der ÖBB fahre ich durch die ganze Welt!

Weil Sie nicht die alte Beamtenlast mitschleppen müssen.

Weil wir wirtschaftlich arbeiten! Warum kriegen außerdem Mitarbeiter bei ÖBB, Arbeiterkammer, Nationalbank und Wirtschaftskammer bis zu 10.000 Euro Pension? Da bedienen sich selbst die Funktionäre aus fremdem Geld.

Das wird ja seit Längerem zurückgedrängt.

Aber zu wenig. Die Sozialpartnerschaft schadet doch der Wirtschaft.

Sie würden Sie abschaffen? Ja, in der Sekunde. Ich würde auch die Länder abschaffen! Wir müssen das System einer Prüfung unterziehen. Warum ist zum Beispiel die Mindestsicherung in Wien viel höher als im restlichen Österreich?

Haben Sie nie überlegt, aus Wien wegzugehen?

Wien ist eine der schönsten, sichersten Städte der Welt. Innerhalb einer Stunde kann ich Schwammerln brocken, segeln oder Ski fahren gehen. Aber als Wirtschaftsstandort müssen wir ein paar Probleme lösen.

Wird die Digitalisierung so viele Jobs beseitigen, dass wir künftig Maschinensteuer und Grundeinkommen brauchen?

Darüber muss man nachdenken. Wir arbeiten selbst bei S & T am Internet der Dinge, machen also Maschinen schlauer. Der Container findet seinen Weg selbst in den Zielhafen.

Was halten Sie von Sebastian Kurz?

Ich habe ihn bisher kritisch gesehen. Als Integrationsminister hat er nichts gemacht. Als Außenminister hat er 80 Prozent der EU-Sitzungen versäumt. Bei der Wien-Wahl hat er sich aus dem Staub gemacht, weil hier kein Match zu gewinnen ist. Aber er ist ein politisches Talent – und die "Übernahme der ÖVP" finde ich grandios. Ich würde Kurz empfehlen, sich einen Tag lang mit Hannes Androsch zusammenzusetzen. Der würde ihm gut raten können, was zu tun ist.

Was würden Sie sich von der nächsten Regierung wünschen?

Reformen. Eine andere, massiv einfachere Gewerbeordnung. Österreich ist ein tolles Land, und unsere Leute sind nicht blöder als andere. Aber vergleichen wir, wie die Schweizer mit ihrem Vermögen umgehen und kupfern das ab: Die ganze Schweiz hat weniger Firmenautos als eine Wiener Magistratsabteilung. Auch das Richterwesen ärgert mich: Es gibt kaum Berufe, die einer so geringen Kontrolle unterliegen und so wenig Leistung bringen. Und manche Urteile sind rein politisch, so sie überhaupt gefällt werden – siehe YLine (der Prozess des Internetunternehmens endete nach 14 Jahren mit Freisprüchen, Anm.). So etwas empört mich.

Zur Person: Das Firmenreich Erhard Grossniggs

Der gebürtige Linzer (70) restrukturiert Firmen und hält zahllose Unternehmensbeteiligungen, u. a.: Ankerbrot, Gaulhofer, bene (das nach sieben Verlustjahren wieder Gewinn schreibt). Er ist Miteigentümer der Westbahn und der Semper Constantia Privatbank, ist Aufsichtsrat im Wiener Konzerthaus. Ein Versuch, Christoph Dichand die "Krone"-Anteile abzukaufen, scheiterte.

Jüngster Coup: Dem taiwanesischen Elektronikriesen Foxconn verkaufte er Aktien am Linzer IT-Dienstleister S & T um 47,8 Mio. Euro.
Augarten versuchte er aus der Verlustzone zu bringen, hier fungiert Grossnigg aber auch als Mäzen.

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