Werner Muhm: "Die ÖIAG sitzt nur noch im Beiwagerl"

Kritiker Werner Muhm: "Syndikatsvertrag klingt so harmlos – ab nächster Woche sind die Mexikaner am Ruder."
AK-Direktor Muhm warnt davor, dass Österreich die industrielle Führung abgibt.

KURIER: Was stört Sie am Syndikatsvertrag zwischen America Movil und der Staatsholding ÖIAG für die Telekom Austria?

Werner Muhm: Syndikatsvertrag klingt so harmlos. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass America Movil und Ronny Pecik die industrielle Führerschaft über die Telekom übernehmen werden. Und die ÖIAG, also Österreich, sitzt nur noch im Beiwagerl. Ab nächster Woche, falls der ÖIAG-Aufsichtsrat den Syndikatsvertrag beschließt, sind die Mexikaner am Ruder.

America Movil hat viel Geld in die Hand genommen und will noch bis zu 1,5 Milliarden Euro investieren. Da ist doch klar, dass die Mexikaner die Führerschaft wollen. Ihr Geld nehmen wir gerne, aber mitreden dürfen sie nicht?

Eine Partnerschaft, ja. Gegen einen Partner, mit dem die Telekom gut leben und expandieren kann, ist nichts einzuwenden. Aber warum soll Österreich die industrielle Führerschaft aufgeben? Die Telekom hat bewiesen, dass sie das selbst auch kann.

Einspruch. Die Mexikaner bringen nicht nur Kapital ein, sondern auch Know-how. Sie sind immerhin einer der erfolgreichsten Telekom-Konzerne weltweit. Glauben Sie tatsächlich, dass die Telekom Austria und die ÖIAG das Geschäft besser beherrschen?

Die Telekom steht auf guten Beinen und ist auf gutem Kurs. Sie ist zu einem gut aufgestellten Konzern in Zentral- und Osteuropa geworden. Aus eigener Kraft und mit eigenem Hirn. Daher gibt es keine Notwendigkeit, die industrielle Führerschaft abzugeben.

Vize-Aufsichtsratschef Pecik behauptet laut profil in einem Dossier an Regierungsvertreter, die Telekom befinde sich in einer Todesspirale.

Pecik arbeitet mit allen Mitteln, um das Unternehmen schlecht zu reden. Er ist beteiligt und der Lobbyist von America Movil und will die Telekom so billig wie möglich übernehmen.

Aber die hohe Verschuldung? Die zahlreichen Korruptions-Skandale? Sieht so ein gut geführtes Unternehmen aus?

Bei den Skandalen gebe ich Ihnen recht, das trifft aber auf einzelne Personen zu. Aber hier geht es um die wirtschaftliche Entwicklung. Es stimmt schon, eine Zeit lang wurden zu hohe Dividenden aus dem Unternehmen herausgezogen. Doch dafür ist auch die ÖIAG verantwortlich. Finanzvorstand Tschuden, der jetzt geht, ist da alleine übrig geblieben. Umso notwendiger ist es, dass die ÖIAG die Telekom jetzt unterstützt. Auch wenn die Ersteigerung der Mobilfunkfrequenzen sehr teuer war, die Telekom hat dadurch ein erhebliches Marktpotenzial.

Dafür sind Investitionen in den Breitband-Ausbau notwendig und Kapital, das die Telekom nicht hat.

Stimmt schon, die Telekom muss von ihren Schulden herunter. Aber erstens erhöht sich der Free Cash Flow wieder, und zweitens steht mittelfristig einer Kapitaler-höhung nichts im Weg. Die ÖIAG ist schuldenfrei und kann eine Kapitalerhöhung und/oder eine Aufstockung der Anteile aus eigener Kraft stemmen. Es geht hier um eines der wichtigsten österreichischen Unternehmen und um sensible Sicherheitsaspekte. Schauen Sie sich an, was in letzter Zeit an Datenlecks und -missbrauch passiert ist. Letzten Endes ist die Telekom aber eine politische Entscheidung. Darüber soll sich niemand in den Sack lügen.

Mit dem arabischen Miteigentümer des Öl- und Gaskonzerns OMV hat die ÖIAG auch einen Syndikatsvertrag. Das funktioniert seit 20 Jahren.

Aber bei der OMV ist es genau umgekehrt. Da hat die ÖIAG die industrielle Führung. Außerdem bekommt Carlos Slim die Telekom so billig wie kein anderes Unternehmen weltweit.

Warum? Slim muss den restlichen Aktionären ein Übernahmeangebot machen.

Ja, aber mithilfe des Syndikatsvertrages überschreitet er locker die Mehrheit und braucht kein attraktives Angebot mehr zu legen.

Wie beurteilen Sie die Pläne für eine aufgewertete ÖIAG neu?

Ich bedaure Sozialminister Hundstorfer. Er hat ohnehin schon so viele Baustellen und muss jetzt die ÖIAG auch noch verhandeln. Es kursiert ein Gesetzesentwurf der ÖVP über eine Beteiligungsholding des Bundes (BHB). Da ist vorgesehen, dass der Finanzminister den Aufsichtsrat erstmals neu besetzt, aber dann erneuert sich das Gremium wieder selbst.

Genau diese unter Schüssel-Grasser geschaffene Konstruktion wird von Rot und Schwarz heftig kritisiert, weil sich daraus ein Freunderlverein entwickelt hat.

Ein solcher Aufsichtsrat würde auch ganz klar dem Koalitionsabkommen widersprechen. Die ÖIAG soll auch einen Fonds für innovative Klein- und Mittelbetriebe gründen, eine Art Österreich-Fonds. Dafür hat sie weder die Erfahrung noch die Qualifikation. Da entsteht eine unnötige Doublette zur Förderbank aws. Die ÖIAG soll sich mit Großunternehmen beschäftigen. Aber wie’s derzeit aussieht, richtet die ÖVP die ÖIAG neu ohnehin auf weitere Privatisierungen aus. Anstatt sich darum zu kümmern, dass die Mehrheiten und damit die Konzernzentralen und Arbeitsplätze in Österreich bleiben.

Was halten Sie davon, die Abbaugesellschaft der Kärntner Hypo in die ÖIAG zu schaufeln?

Da sind die Abgrenzungen zu den anderen Beteiligungen der ÖIAG noch nicht geklärt. Finanzminister Spindelegger hat schon erklärt, dass die Abbaugesellschaft ab 2017, wenn die Haftungen weg sind, konkursfähig sein soll. Ich frage mich, wie gescheit es ist, in der ÖIAG neu einen Konkurskandidaten aufzunehmen. Es geht ja auch um die Auswirkungen auf die anderen Unternehmen in der ÖIAG und wie die Märkte reagieren.

Halten Sie es für plausibel, einen Anteil an den Casinos Aus­tria in die ÖIAG zu schupfen?

Nein. Dafür ist Geld da, aber für die Telekom nicht! Das hat mit einer wirtschaftspolitischen Konzeption wenig zu tun.

Ihr Resümee zur ÖIAG-Diskussion wird immer kritischer.

Wenn dieser Entwurf umgesetzt werden soll, dann bleiben wir besser bei der alten ÖIAG.

Roter Netzwerker

Der 64-jährige Direktor der Wiener Arbeiterkammer ist nicht nur in der Sozialdemokratie bestens vernetzt. Muhm stellt sich selbst nie ins Rampenlicht, sondern zieht die Fäden geschickt im Hintergrund. Er redete bei allen Regierungsbildungen mit, ausgenommen Schwarz-Blau. Als engster wirtschaftspolitischer Berater von Bundeskanzler Werner Faymann hat Muhm, Arbeiterkammer-Urgestein, maßgeblichen Einfluss. Der Kunstliebhaber hat auch ein gutes Standing in der Sozialpartnerschaft, dort werden seine Fachkompetenz und seine Handschlagqualität sehr geschätzt.

Muhm sitzt im Aufsichtsrat der Kommunalkredit und deren Abbau-Bank KA Finanz, der Wiener Stadtwerke und der Wiener Städtischen Versicherung. Ex-Finanzministerin Maria Fekter, VP, kippte Muhm aus dem Generalrat der Nationalbank. Fekter ist weg, Muhm sitzt wieder in der Notenbank.

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