Wer gesund lebt, soll weniger zahlen

Als Unternehmer musste Alexander Herzog selbst einmal um Stundung der SVA-Beiträge ansuchen: "Auch mich hat es kalt erwischt."
SVA-Chef Alexander Herzog fordert mehr Anreize fürs Gesund bleiben und will Selbstständige entlasten.

Er sei Unternehmer, kein Politiker, sagt Alexander Herzog über sich selbst. Der neue Obmann der Sozialversicherung der Gewerblichen Wirtschaft (SVA) kennt die Sorgen vieler Selbstständiger mit der SVA aus eigener Erfahrung. Im KURIER-Interview verspricht er Entlastungen und wirbt für den Gesunden-Bonus. Der Selbstbehalt soll bleiben.

KURIER: Die Sozialversicherung gilt wegen hoher Beitragsnachzahlungen nach dem dritten Jahr als Sargnagel für Jungunternehmer. Was läuft da schief?

Alexander Herzog: Wir sind uns dieser Problematik bewusst, ich im Besonderen, weil ich seit zwölf Jahren selbst im Projektgeschäft tätig bin. Da läuft es manchmal besser, manchmal schlechter. Auch ich habe das berühmte vierte Jahr gespürt und musste bei der SVA um Stundung ansuchen. Da müssen wir einfach genauer hinschauen und uns stärker den Gegebenheiten der Versicherten anpassen.

Hat die SVA unterschätzt, wie rasch sich die Wirtschaft wandelt und die Zahl der Ein-Personen-Unternehmen zunimmt?

Ich kann nicht über die Vergangenheit sprechen, aber wir müssen noch wendiger und flexibler werden. Die Wirtschaft ist labil, die Geschäfte werden schwankender. Das kürzlich im Ministerrat beschlossene Maßnahmenbündel ist hier ein wesentlicher Schritt.

Welche Erleichterungen für Versicherte soll es künftig geben?

Die Vorauszahlungen an die SVA sind in flexibler Höhe möglich. Wenn gerade ein Projekt reinkommt, kann ich mehr in die Sozialversicherung einzahlen und habe dann weniger Nachzahlung. Wenn es mir gerade schlecht geht, zahle ich weniger ein.

Wie flexibel kann man bei den Einzahlungen sein?

Wir stellen zwar eine Quartalsrechnung, aber es wird möglich sein, die Beiträge auch monatlich ohne Zinsverzug einzuzahlen. Diese Quartalsabrechnungen haben schon viele Unternehmen kalt erwischt, auch mich. Die Versicherten stellen ihre Kundenrechnungen in der Regel ja auch monatlich und nicht quartalsmäßig aus. Und mit einer Überbrückungshilfe können wir Selbstständigen in Härtefällen unter die Arme greifen. Das Pilotprojekt von heuer fließt in den Regelbetrieb über. 468 Versicherte machten heuer davon Gebrauch.

Der 20-prozentige Selbstbehalt beim Arztbesuch stellt für Geringverdiener eine finanzielle Hürde da. Sozialdemokraten und Opposition fordern die Abschaffung. Ihre Meinung?

Wir sind ja nicht die einzigen, die einen Selbstbehalt haben. Eine Ur-Befragung der SVA brachte eine große Mehrheit für den Beibehalt. Die Leute wollen lieber einen Selbstbehalt als ständig höhere Versicherungsbeiträge. Der Selbstbehalt ist außerdem mit fünf Prozent des Einkommens gedeckelt.

Ihr Vorgänger sorgte mit der Einführung eines Bonus-Systems für Gesunde für Aufsehen. Wie erfolgreich ist dieses Programm?

Fast zehn Prozent der Versicherten sind schon in diesem Programm, das sind mehr als wir gedacht haben. Ich geb zu, ich habe selbst daran teilgenommen und dadurch erstmals eine Vorsorgeuntersuchung gemacht. Ich habe mit meinem Arzt Gesundheitsziele vereinbart, es ging um Gewichtsreduktion und Bewegung, und ich trage seither immer einen Schrittmesser bei mir (steht auf und zeigt ihn, Anm.). Anreiz ist, dass bei Erreichen der Gesundheitsziele der Selbstbehalt zwei bis drei Jahre auf zehn Prozent reduziert wird. Das kostet zwar am Anfang der SVA Geld, aber langfristig zahlt sich das auf jeden Fall aus, wenn die Leute gesünder sind und daher dem System weniger kosten. Wir überlegen derzeit, wie wir die Sache noch attraktiver machen und die Nutzerzahl in die Höhe bringen.

Wäre der Gesunden-Bonus eine Idee für alle Versicherten?

Ja, ich würde mir wünschen, dass diese Innovation Verbreitung im Sozialversicherungssystem findet.

Auch bei den Gebietskrankenkassen?

Ja, auch wenn ich weiß, dass das dort nicht einmal im Ansatz ein Thema ist. Ich bin überzeugt, dass finanzielle Anreize dazu führen, dass die Leute über sich selbst nachdenken und gesünder werden wollen.

Können Sie sich auch höhere Beiträge für jene vorstellen, die z.B. nie zur Vorsorgeuntersuchung gehen?

Nein, wir wollen niemanden bevormunden oder gar bestrafen. Ich bin ein Verfechter des Anreizsystems und glaube nicht an die Wirksamkeit von Strafmaßnahmen. Ich würde mir aber wünschen, dass Prävention stärker gesetzlich verankert wird. Wir sehen uns längst als Gesundheitsversicherung, nicht als Krankenversicherung. Wir sollten den Mut haben, noch mehr Sachen auszuprobieren. Ich sehe die SVA als Entwicklungslabor für das gesamte Sozialversicherungssystem.

Sind Sie für ein generelles Rauchverbot in Lokalen?

Als Privatperson gehe ich grundsätzlich in kein Lokal, wo geraucht wird. Ein generelles Rauchverbot würde gesundheitlich sehr viel bringen. Wir hoffen, dass wir mit unserem Bonus-Programm viele Raucher zu Nicht-Rauchern machen können.

Österreich hat 22 Sozialversicherungsträger mit unterschiedlichen Leistungen. Könnten da Fusionen nicht viel Kosten sparen?

Ich habe ehrlich gesagt ein Problem mit diesem Thema. Wir sollten uns zuerst überlegen, was sich durch Fusionen eigentlich ändern soll. Wenn ich einmal weiß, was ich will, überlege ich mir, wie ich dorthin komme. Zuerst die Strategie, dann die Struktur. Im Hintergrund läuft da ohnehin schon sehr viel, etwa in der IT.

Alexander Herzog (50), studierter Betriebswirt, ist seit Oktober geschäftsführender Obmann der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA). Der gebürtige Grazer ist selbstständiger Unternehmensberater und Manager der Wiener Connexio-Gruppe. Er war zuletzt erster Obmann-Stv. der Wiener Gebietskrankenkasse.

SVA
Die SVA ist der Sozialversicherungsträger für Österreichs Selbstständige und betreut als Krankenversicherung rund 750.000 Kunden.

Kommentare