Wenn es um Leben oder Tod geht

Bestatter - in Österreich ein reglementiertes Gewerbe
Reform der Gewerbeordnung: Welche Berufe sind potenziell gefährlich? Das sorgt für Zündstoff in der Debatte.

Floristen und Bestatter sind arm dran. Dass ein dilettantischer Sprengmeister eine Gefahr für die Sicherheit ist, leuchtet jedem sofort ein. Aber Floristen? Oder Bestatter? Sind sie eine Gefahr für Leib und Leben, wenn sie ihren Job schlecht machen?

Diese Frage taucht deshalb auf, weil wieder einmal über das Entrümpeln der Gewerbeordnung nachgedacht wird. Diese Berufe zählen zu 80 reglementierten Gewerben, für die eine besondere Befähigung nachgewiesen werden muss.

In der Arbeitsgruppe des Wirtschaftsministeriums ließ nun Rudolf Thienel, Präsident des Verwaltungsgerichtshofs, mit einer spektakulären Einschätzung aufhorchen. Vereinfacht gesagt: Die Gewerbeordnung sei in ihrer jetzigen Form nicht verfassungskonform, viele der verlangten Befähigungsnachweise seien nicht gerechtfertigt. Äußern wollte sich Thienel dazu auf KURIER-Anfrage nicht – es sei Vertraulichkeit vereinbart.

Radikaler Kahlschlag

Laut Teilnehmern berief sich Thienel auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs von November 2013, mit dem die Höchstrichter die Öffnung des Handwerks des Berufsfotografen erwirkten. Begründung: Ein reglementiertes Gewerbe sei nur gerechtfertigt, wenn Gefahren für die Gesundheit und Sicherheit bestünden oder das Vermögen der Kunden geschützt werden müsse. Und das sei – im Zeitalter der Digitalfotografie – nicht der Fall. Folgt man Thienels Sichtweise, wäre wohl ein radikaler Kahlschlag die Folge. Die liberale Denkfabrik Agenda Austria würde es begrüßen: Sie plädiert für nur noch 15 statt 80 reglementierten Gewerben.

Von Fall zu Fall

Wenn es um Leben oder Tod geht
ABD0126_20150427 - KLAGENFURT - ÖSTERREICH: Universitätsprofessor Michael Potacs (WU Wien) anlässlich eines Vortrags der Rechtsanwaltskammer Kärnten zum Thema "Konkurs eines Bundeslandes? - Heta-Abwicklung rechtswidrig?" in Klagenfurt am Montag, 27. April 2015. - FOTO: APA/GERT EGGENBERGER
Es gibt aber auch konträre Sichtweisen. "Das sehe ich eindeutig nicht so dramatisch", sagt Michael Potacs, Professor für Wirtschaftsrecht an der WU Wien, zum KURIER. Die Verfassungsrichter hätten nämlich klargestellt,dass auch der Konsumentenschutz ein legitimes und schützenswertes Ziel ist. Bei den Berufsfotografen seien sie jedoch zum Schluss gekommen, dass die Regelung dafür nicht angemessen war. Nach dem Motto: Was soll bei einem schlechten Fotografen Schlimmeres passieren, als dass der Kunde schief im Bild ist? Bei einem Elektriker stelle sich das womöglich ganz anders dar.

"Das ist immer auch eine Wertentscheidung und nicht so eindeutig", sagt Potacs. Er hält die meisten reglementierten Gewerbe auf den ersten Blick für gerechtfertigt. Über etwa zehn Berufe lasse sich diskutieren – Potacs erwähnt das Gastgewerbe, die Immobilientreuhänder sowie eben Floristen und Bestatter. "Selbst da ist aber nicht klar, dass sie weg gehören." Österreichs Wirtschaft habe sich in der Nachkriegszeit "phänomenal" entwickelt. Die Gewerbeordnung habe als Mittel zur Qualitätssicherung daran ihren Anteil gehabt habe. Und: "Sie wird ohnehin laufend in Richtung Liberalisierung geändert."

Trauerarbeit

Für die etwa 550 Bestattungsunternehmer in Österreich ist die Debatte nicht neu. Innungssprecher Rainer Wernhart sieht viele Punkte, die tatsächlich Leib und Leben berühren und Kenntnisse in Theorie und Praxis rechtfertigen – über Hygiene, über die Zusammenarbeit mit Behörden bis hin zu Ansteckungsgefahren etwa durch Hepatitis A oder im Extremfall Ebola.

"Wir haben mit Hinterbliebenen in Ausnahmesituationen zu tun", betont Wernhart die psychologische Herausforderung: "Was wir machen, ist nicht wiederholbar. Da soll nichts schiefgehen – ein Trauma bleibt ein Leben lang."

Die Gewerbeordnung geht ursprünglich zurück auf das Jahr 1859 und war ein Meilenstein der Liberalisierung. Über die Jahrzehnte kamen aber immer neue Berufsbarrieren dazu.

Aktuell gibt es in Österreich 80 reglementierte Gewerbe (von Arbeitsvermittlung bis Zahntechniker), für die ein Befähigungsnachweis erforderlich ist. Das muss nicht immer eine Meisterprüfung sein – so sind für den Bestatter etwa zwei Jahre einschlägige Praxis in einem Unternehmen nachzuweisen und eine Prüfung in vier Modulen abzulegen (mündlich, schriftlich, Unternehmerprüfung, praktische Prüfung).

Für mehr als 440 freie Gewerbe braucht es keinen berufsspezifischen Nachweis.

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