Welthandel? Darüber wollen die G7 nicht reden

G7-Finanzminister diskutieren in Italien über Steuerdumping, Digitalwirtschaft und Ungleichheit. Protektionismus ist kein Thema.

Es ist die Generalprobe für den großen G7-Gipfel Ende Mai: Das Treffen der Notenbankchefs und Finanzminister der großen Wirtschaftsmächte in Bari. Ausgerechnet zwei dominierende Fragen dieser Tage, der Welthandel und Protektionismus, sind aber von der Tagesordnung gestrichen: Gastgeber Italien wollte wohlweislich keinen Disput risikieren, nachdem die USA zuletzt ein gemeinsames Bekenntnis gegen Handelsbarrieren verhindert hatten.

Am Ende entschloss man sich auf Expertenebene, eine Formulierung zum Thema ins Abschlusskommunique aufzunehmen. Und zwar wurde die gleiche Wortwahl gewählt wie zuletzt in Baden-Baden in der Erklärung der weiter gefassten G20-Gruppe, zu der auch große Schwellenländer zählen. Die neue US-Regierung von Präsident Donald Trump will sich nicht ausdrücklich gegen Protektionismus und Handelshürden aussprechen, wie es bislang innerhalb der G7- und G20-Konsultationen unstrittig war. Das Kompromiss-Wording: „Wir arbeiten daran, den Beitrag des Handels zu unseren Volkswirtschaften zu stärken.“

Wie kompliziert und vielschichtig die globalen Wirtschaftsbeziehungen aktuell sind, illustrieren zwei aktuelle Episoden.

Vergiftete "Brieffreunde" EU und USA

Der EU-Botschafter in Washington formulierte seine Antwort auf ein Schreiben von US-Handelsminister Wilbur Ross als Lehrstück über die Wirtschaftspolitik im Allgemeinen und die Architektur der EU im Besonderen. Ross hatte sich über die großen Handelsbilanzdefizite beschwert, die für die USA gegenüber den EU-Staaten aufweisen. Die schulmeisternde EU-Antwort könnte einem Proseminar in Sachen Leistungsbilanz entstammen. So heißt es unter anderem:

"Der Ursprung von Handelsbilanzdefiziten liegt nicht in den Handelsbeziehungen, sondern in der Makroökonomie begründet. Handelsbilanzen spiegeln Unterschiede zwischen Einkommen und Ausgaben, zwischen Ersparnissen und Investitionen wider." Und außerdem dürften in der Statistik nicht einzelne EU-Staaten (Deutschland?) herausgepickt werden, weil die Handelspolitik aller EU28-Staaten einheitlich ausgeprägt sei. Zudem wiesen die USA einen Überschuss bei Dienstleistungen auf, was 40 Prozent des Defizits aus dem Güterhandel mit der EU aufwiege.

Der EU-Botschafter in Washington, David O'Sullivan, schließt seinen Brief mit dem Angebot, dass die EU und die USA bilateral und im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO eng zusammenarbeiten. Ein leicht vergiftetes Angebot, denn genau diese Institution wird von Präsident Trump in Frage gestellt.

Hingegen Entspannung mit China

Die Entspannung in den Handelsbeziehungen zu China, die sich atmosphärisch nach dem Besuch von Chinas Präsident Xi Jinping bei Trump in Florida abgezeichnet hatte, zeitigt hingegen tatsächlich konkrete Folgen. Die USA und China einigten sich, seit langer Zeit bestehende Einfuhrverbote aufzuheben. So darf spätestens ab 16. Juli US-Rindfleisch nach China eingeführt werden. Im Gegenzug sollen die Amerikaner gekochtes Geflügel aus China ins Land lassen und Flüssiggas-Exporte ins Reich der Mitte ermöglichen. Die Chinesen werden dafür Ratingagenturen, die rein in ausländischem Besitz stehen, zulassen und acht laufende Bewilligungsverfahren für US-Biotechnologiepatente beschleunigen.

Heikle Steuerthemen in Bari

An Konfliktstoff mangelt es beim G7-Vorbereitungsgipfel dennoch nicht: Intensive Diskussionen werden in Bari rund um den befürchteten Wettlauf um immer niedrigere Unternehmensteuern erwartet. Deutschlands Minister Wolfgang Schäuble ist besorgt, dass die angestrebten Steuersenkungen in den USA weltweit zu einer schädlichen Abwärtsspirale um die niedrigsten Steuersätze führen könnten. Der Minister äußerte sich aber zuversichtlich, dass man gute Lösungen finde werde. „Ich glaube, dass wir mit unserem Unternehmenssteuersystem in Deutschland und Europa ganz gut aufgestellt sind“, fügte er hinzu.

Aber auch der Zusammenhang von Wirtschaftswachstum und sozialem Zusammenhalt steht auf der Agenda. Gastgeber Italien hat dieses Thema unter dem Stichwort „Inklusives Wachstum“ ganz oben auf die Tagesordnung gesetzt.

Stichwort Google, Facebook und Co.: Auch die Besteuerung der US-dominierten Internetkonzerne ist ein konfliktbehaftetes Thema zwischen USA und Europa. Schäuble sagte, es gehe darum, welche globalen Schlussfolgerungen in der Steuerpolitik aus der Digitalisierung der Wirtschaft gezogen werden sollen.

Diskutiert werden sollen ferner ein wirksameres Vorgehen gegen Finanzierungsquellen von Terrorismus und eine Erhöhung der Cyber-Sicherheit.

Kein Griechenland-Deal mit IWF

Am Rande war Griechenland ein Thema. Im Streit zwischen dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und den Euro-Ländern über weitere Schuldenerleichterungen zeichnet sich keine rasche Lösung ab. IWF-Chefin Christine Lagarde pochte am Freitag in Bari auf eindeutige Zusagen der Europäer. „Es gibt noch nicht genug Klarheit“, sagte sie. „Unsere europäischen Partner müssen konkreter werden in der Frage der Schuldenerleichterungen, was zwingend ist.“

Schäuble strebt eine "politische Lösung am 22. Mai in der Eurogruppe“ an, sagte er in der italienischen Hafenstadt. Grundlage seien Vereinbarungen der Euro-Gruppe vom Mai 2016: Demnach soll über mögliche weitere Schuldenerleichterungen erst nach Abschluss des laufenden Hilfsprogramms im Sommer 2018 entschieden werden.

Der IWF hat bisher offen gelassen, ob er sich weiterhin am Hilfsprogramm beteiligt. Der Währungsfonds macht dies davon abhängig, ob die griechische Schuldenlast tragfähig ist.

Wer sind die G7?

Zur G7-Gruppe gehören die USA, Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Kanada. Ende Mai treffen sich dann die Staats- und Regierungschefs auf Sizilien beim G7-Gipfel. An den Treffen der Finanzminister nehmen auch Vertreter von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) teil.

Welthandel? Darüber wollen die G7 nicht reden
Japan's Finance Minister Taro Aso arrives for a G7 summit of Finance Ministers on May 12, 2017 in Bari. / AFP PHOTO / Filippo MONTEFORTE

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