Wellness, Städtetrip und dann noch auf eine Kreuzfahrt

Gehetzter Tourist: Für einen Tag in eine Stadt – Kreuzfahrtschiffe und Billigflieger machen es möglich.
Reisen. Wir werden älter und bleiben länger gesund, sagt die Statistik. Praktisch heißt das für viele, dass sie mehr Zeit für Urlaube haben.

Auch wenn das subjektive Gefühl ein anderes ist: Wir haben mehr Zeit als früher. Binnen drei Generationen hat sich die durchschnittliche Lebenszeit eines Europäers um 225.000 auf 700.000 Stunden erhöht, sagt Tourismus- und Freizeitforscher Peter Zellmann. Also um ein gutes Drittel. So eine Steigerung gab es nie zuvor. Zellmann: "Gleichzeitig ist die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 78 auf 39 Stunden gesunken und die Urlaubszeiten wurden auf bis zu sechs Wochen ausgedehnt."

Heute sind demnach 53 Prozent unserer Lebenszeit Freizeit, also Zeit, in der wir nicht arbeiten oder schlafen. Beruf und Ausbildung fressen demnach nur noch 14 Prozent unserer Lebenszeit auf – einst waren es mehr als 50 Prozent. Zellmann: "Das heißt nicht, dass wir eine hedonistische, leistungsverweigernde Gaudi-Gesellschaft sind." Der Lebensstil und die Werte haben sich nur gewandelt.

Sommerfrische, ade

Wellness, Städtetrip und dann noch auf eine Kreuzfahrt
Grado Copyright: ARCHIVIO CACCIAVILLANI/FÜRST/COMUNE DI GRADO
Urlaub vor ein paar Jahrzehnten hieß für viele Erholung von anstrengender, körperlicher Arbeit. Drei Wochen am Stück zur Sommerfrische war der Klassiker. Das heutige Urlaubsverhalten schaut anders auf. "Die vielen ,Kopfarbeiter‘ verteilen ihre Auszeit auf mehrere Kurzurlaube", sagt Petra Stolba, Chefin der Österreich Werbung. Um die Jahrtausendwende haben Billigflieger immer mehr Städte miteinander verbunden und die Preisspirale nach unten in Gang gesetzt. In der Türkei und Ägypten schossen All-inclusive-Clubs aus dem Boden und damit ein zuvor nie dagewesenes Bettenangebot, das zusätzliche Chartermaschinen anlockte und den Preiskampf anheizte.

Neue Komfortzonen

Vor allem die Generation 50 Plus leistet sich deutlich mehr Urlaube als früher – weil die Gruppe immer größer und agiler wird. "Die Kredite sind abbezahlt, die Kinder aus dem Haus, die finanziellen Mittel vorhanden", schätzt Walter Krahl, Geschäftsführer der Ruefa Reisebüros.

Im Vergleich zu früher tun sich viel mehr Reiseziele auf. Einst war Afrika Abenteurern vorbehalten, heute steigen Safari-Touristen bequem in komfortablen Hotels ab. Auch die Kreuzfahrtindustrie hat sich gewandelt. Das Bild von engen Kabinen und Passagieren, die sich in feiner Abendrobe zum Dinner treffen, entspricht nicht mehr der Realität. Heute kreuzen All-inclusive-Clubs übers Meer, wahlweise mit Rock- oder Volksmusikkonzerten. Die Anlegestellen werden oft zum Nebenschauplatz. Der Erfolg gibt den Konzepten recht. Die Nachfrage steigt. "In Österreich gibt es schon 140.000 Kreuzfahrtpassagiere, das ist für ein Binnenland nicht wenig", meint Krahl. Europaweit haben 2015 fast 6,6 Millionen Menschen eine Kreuzfahrt gemacht. Die Zeiten, in denen Pensionisten auf Mallorca überwintert haben, sind vorbei. Krahl: "Die Menschen sind bis ins hohe Alter aktiv und mobil. Sie wollen mehr als nur eine Destination sehen."

Andere Destinationen

Auswertungen der Statistik Austria zeigen, dass 1969 nur 27,5 Prozent der Österreicher mehr als vier Tage verreist sind. 2015 war die Quote mehr als doppelt so hoch (58,8 Prozent). Deutliche Verschiebungen gab es auch bei den Destinationen. Zwischen 1969 und 1981 führte jede dritte große Auslandsreise nach Italien, Kroatien war noch touristisches Niemandsland. Mittlerweile ist Kroatien zur zweitbeliebtesten Auslandsdestination aufgestiegen – auch, weil die Preise im Vergleich zu Italien moderater sind, sagen Touristiker. 1969 leisteten sich nur drei Prozent der Auslandreisenden einen Flug, aktuell sind es 29 Prozent. Wollten 1987 noch fast vier von zehn Urlaubern am Strand liegen, so sind es jetzt nur noch 18 Prozent.

"Reisen ist einfacher geworden", meint auch Andreas Reiter vom Wiener ZTB Zukunftsbüro. "Touristen bewegen sich durch ihre Urlaubswelten so einfach wie durch ihr Handy-Display. Sie haben jederzeit Zugriff auf Informationen, Angebote und sofortige Buchungen." In Österreich wird bereits jedes zweite Hotelzimmer online gebucht, mehr als 20 Prozent davon über Plattformen wie booking.com, HRS oder Expedia.

Trend zum Teilen

Immer beliebter – zumindest bei Reisenden – wird der Online-Zimmervermittler Airbnb. "Letztlich ist Airbnb nichts anderes als das alte Modell der Privatzimmervermieter, gekoppelt mit mobiler Technologie", meint Reiter. Den von vielen heraufbeschworenen Trend der Sharing-Economy sieht er nüchtern. Diese sei meist "nicht viel mehr als ein Markting-Slogan von Risiko-Kapitalisten und technologischen Großkonzernen", die hinter Anbietern wie dem Taxi-Dienst Uber stehen. "Sie suggerieren, dass Urlaub oder Mobilität billig zu haben sind und alles geteilt werden kann. Aber einzig Airbnb hat tatsächlich etwas mit Sharing zu tun. Es profitiert auch der Vermieter, nicht nur die Plattform."

Plattformen bewegen die Massen

Dennoch: Plattformen bewegen die Massen. So reisen auch immer mehr Europäer mit Bussen quer über den Kontinent – dank Anbietern wie MeinFernbus. Die Plattform besitzt keine Busse, arbeitet aber mit mittelständischen Busunternehmen zusammen. Das Portal übernimmt die Streckenplanung, den Vertrieb und die Preisgestaltung, Busunternehmer stellen die Busse parat. Die Konkurrenzkampf ist groß. In Österreich rittern Flixbus, Westbus, Postbus, Leo und Hellö mit Kampfpreisen um Reisende. Die neu unter den Namen Hellö gestarteten ÖBB-Fernbusse transportieren Kunden ab 15 Euro in Städte wie Berlin – WLAN, Steckdosen und USB-Stecker auf der Fahrt inklusive.

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