Von der Echtzeit-Auswertung meiner Gehirnwellen

Ich bekomme eine Art Headset aufgesetzt – plus einen Sensor auf die Stirn. Dann soll ich mir Bilder anschauen.
Simone Hoepke

Simone Hoepke

Ein Herr schreibt mir, er habe einen Beitrag von mir gelesen. Jetzt würde er gerne in mein Hirn schauen.

Ich checke den Absender. Es ist nicht die Giga Society, also jene geheimnisvolle Vereinigung der Oberschlauen, die einen IQ von 200 oder noch mehr haben. Ich kontrolliere sicherheitshalber, ob sie mich ohne mein Wissen in ihre Hochbegabten-Liste aufgenommen haben. Auch nicht.

Absender ist eine Werbeagentur. Sie hat einen „Emotion Analyzer“, der in Echtzeit Gehirnwellen auswertet. Angeblich. Der Kollege sagt, ich soll das Ding nicht testen. Das Risiko, dass auf dem Monitor nur eine Nulllinie aufscheint und ich für tot erklärt werde, scheint ihm offenbar unkalkulierbar hoch.

Ich gehe hin. Bekomme eine Art Headset aufgesetzt – plus einen Sensor auf die Stirn. Dann soll ich mir Bilder anschauen. Die Herrn wollen mir später erklären, bei welchen Fotos Konzentration, Stresslevel, Interesse oder Gelassenheit in welche Richtung ausgeschlagen haben.

Zu sagen, dass das eine angenehme Situation ist, wäre gelogen. Mal ehrlich: Laut Forschern lügt man bis zu 200-mal am Tag. Das gehört zur Überlebensstrategie. Würde man der Kollegin ehrlich sagen, was man von ihrer neuen Frisur hält, wäre das wie eine Kriegserklärung – noch bevor man morgens den Computer hochgefahren hat. Der Agentur-Mensch scheint meine Gedanken zu lesen. Erklärt, dass ich das Unterbewusstsein nicht austricksen kann, dass 90 Prozent der Entscheidungen unterbewusst getroffen werden. Ich erwäge, das Projekt abzubrechen. Zu spät. Es geht los.

Erstes Bild. Schweinshax’n mit Sauerkraut und Knödel. Mein Interesse steigt, meine Konzentration auch. Zweites Bild. Ein Salatteller. Beide Kurven fallen scharf nach unten ab. Vegetarier bin ich keiner, sagt der Tester. Treffer. Ich bin froh, dass er nur testen will, was für ein Urlaubstyp ich bin.

Ergebnis: Winterurlauber, Neigungsgruppe Rodeln. Eher unsportlich also. Verdammt! So ein Ergebnis, obwohl ich bei den Extremsport-Fotos mit aller Kraft versucht habe, an etwas zu denken, das mich wirklich interessiert.

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