Voest findet Freunde in Texas

Arbeiten zu Vertiefung des Tiefseekanals vor dem voest Produktionsgelände in Corpus Christi
Der österreichische Stahlkonzern errichtet aus Kostengründen ein neues Werk in den USA.

Die County Judges, eine Art amerikanische Bezirksvorsteher, sind hier mächtige Leute. Wenn sie einer Sache zustimmen, dann ist auch die Gemeinde damit einverstanden. „In den USA ist es nicht wie bei uns in Europa. Hier wiegt ihr Wort viel mehr, und wenn sie sagen, dass etwas passt, dann glauben ihnen die Menschen“, erklärt Matthias Pastl, das Gesicht und der Motor vor Ort hinter der größten Auslandsinvestition des Stahlunternehmens voestalpine, zum KURIER.

Ein neues Werk, das sogenannten Eisenschwamm – der statt Schrott oder Roheisen Basis für die Stahlerzeugung ist – herstellt, soll 2016 neben der südtexanischen Hafenstadt Corpus Christi entstehen; auf einem zwei Quadratkilometer großen Grund am Ufer der Mexikanischen Bucht, wo jetzt noch Baumwollfelder liegen. Der County Judge fand das gut.

Voest findet Freunde in Texas
Matthias Pastl, voest, Corpus Christi
Pastl war an der Standortsuche beteiligt und kümmert sich nun um die Ausführung des Bauprojekts. „Corpus Christi ist sicher nicht der billigste Standort, aber wir glauben, dass er langfristig der beste ist“, sagt er.

Die Voest hat den Grund für 50 Jahre, mit der Option für zwei 15-jährige Verlängerungen, vom Eigentümer – dem Tiefseehafen gepachtet. „Es ist ein sehr gutes Stück Land“, findet der Voest-Repräsentant. Denn es sei nicht nur flach, sondern auch der höchste Punkt an der Golfküste, was in einer Region, die von Orkanen heimgesucht wird, sehr wichtig sei.

Nicht weniger als 17 Standorte in acht Ländern hat der österreichische Konzern begutachtet und sich am Ende für Corpus Christi entschieden. Politische Stabilität sei bei vielen, wie etwa nordafrikanischen Standortalternativen, ein Schwachpunkt gewesen. Politisch korrekt will man auch sein und keine fragwürdige Regime durch Investitionen im Land indirekt unterstützen. „Und das ist nicht so selbstverständlich in der Branche“, meint Pastl. Wichtig bei den Überlegungen für das neue Werk sei auch das administrative Umfeld gewesen.

Schiefergas

Gas ist der Schlüssel für die Entscheidung über die 550-Millionen-Euro-Investition. Neue Technologien erlauben den USA seit einigen Jahren, billiges Schiefergas zu gewinnen. Es kostet ein Viertel von dem, was man in Europa dafür zahlt. Die niedrigen Energiepreise locken Produzenten auch aus dem Ausland. Trotz der Entfernung ist es für die Voest deshalb günstiger, in Texas zu produzieren und die Hälfte zurück zu den Werken in Linz und Donawitz zu verschiffen. Die texanische Direktreduktionsanlage wird 150 Mitarbeiter vor Ort beschäftigen und soll Eisenerzpellets zu jährlich zwei Millionen Tonnen Eisenschwamm reduzieren.

Erdgas kommt in dem Produktionsprozess direkt zur Anwendung. Das ist umweltverträglicher als Koks, ebenso wie die geplanten geschlossenen Lagerräume für die Eisenerzpellets und die abgedeckten Förderbänder zum unternehmenseigenen Steg am Kanal des Tiefseehafens. Speziell auf die Anforderungen der Voest gebaute Schiffe werden dort andocken.

Der Bau der Produktionsanlage wird erst beginnen, wenn die Umweltverträglichkeitsprüfung abgeschlossen ist, was gegen Ende des Jahres passieren soll. Es sei ein Mythos, dass Umweltanforderungen in den USA locker seien. „Die Vorschriften hier sind genau so wie bei uns“, sagt Pastl. „Wir kennen mittlerweile jeden Fisch beim Namen, der hier vorbeischwimmt“, scherzt er. Die texanischen Behörden würden ihre Arbeit ernst nehmen. Derzeit werde der Sand aus dem Meeresboden vor dem Baugrund abgesaugt, um den Kanal auf fast 14 Meter zu vertiefen, was für die schweren Voest-Frachtschiffe wichtig sei. Um das lokale Biotop nicht zu zerstören, wird das Ufergras auf einer künstlichen Sandstrecke am gegenüberliegenden Kanalufer umgepflanzt.

„Wasser ist ein sehr emotionales Thema in Texas“, so Pastl. Der Bundesstaat wird oft von Dürren geplagt und muss deswegen mit strengen Wasserkürzungen leben. Um die Texaner nicht zu verärgern, hat sich die Voest entschieden, das Wasser aus dem Meer zu schöpfen. Und das trotz der speziellen technischen Anforderungen für die Arbeit mit Flüssigkeit, die einen sehr hohen Salzgehalt aufweist.

Image

Dem Konzern liege sehr an seinem Image in Texas, erklärt Pastl. Er habe es sich zu seiner Aufgabe gemacht, regelmäßig bei den lokalen Behörden vorbeizukommen, und zu fragen, ob alle Unterlagen in Ordnung seien. Man möchte zeigen, dass man nicht nur da ist, um die Region wegen des billigen Gases auszubeuten, sondern auch, um sich in der Gemeinde wirklich zu engagieren. „Wir haben keine PR-Agentur und keine Lobbyisten; sondern wir glauben daran, dass unser Projekt gut ist“, erklärt der Voest-Mann in Texas. „Matt ist ein total lieber Mensch, sehr seriös, und engagiert“, schwärmt die Pressesprecherin der Corpus Christi Hafenbehörde Patricia Cardenas.

Mittlerweile hat die Voest in Corpus Christi schon Fuß gefasst. Vom künftigen Werk gibt es eine gute Sicht auf eine Bohrinselbauanlage, wo gerade mit Voest-Stahl gearbeitet wird.

Nicht nur niedrige Energiepreise durch billiges Gas locken ausländische Produzenten in die USA. Mit Steuererleichterungen und anderen Vergünstigungen versuchen die US-Regierung und die Bundesstaaten die Re-Industrialisierung im Land in Gang zu setzen und vernachlässigte Regionen wieder zu beleben. „Wo sich ein Industrieunternehmen niederlässt, hängt vom gesamten Angebot ab“, meint Franz Rößler von der Österreichischen Handelsvertretung in der US-Industriestadt Chicago zum KURIER. „In vielen Fällen sind die Energiekosten nur ein geringer Prozentsatz der Gesamtkosten und machen nicht die große Entscheidung aus“, sagt Rößler.

Die Vergünstigungen sind in jedem Bundesstaat unterschiedlich. „Je schlechter die Lage eines Standortes, je strukturschwächer die Region, desto höher sind die Förderungen“, erklärt der Handelsvertreter. Dabei spiele Arbeitslosigkeit eine große Rolle. Bundesstaaten wie etwa Michigan, Indiana, Alabama, Georgia, Nord- und Süd-Carolina seien besonders um neue Produktionsansiedlungen bemüht. Wenn eine Firma vorhat, mindestens zehn Mitarbeiter zu beschäftigen, darf sie die Förderungen mit den lokalen Behörden individuell aushandeln. „Steuererleichterungen sind am einfachsten durchzusetzen. Sehr üblich ist auch, dass die Kosten für die Ausbildung der Mitarbeiter von der Standortagentur übernommen werden. Aber es geht so weit, dass auch bei der Finanzierung von Betriebsanlagen geholfen wird“, sagt Rößler. Die Förderungen hängen von der Branche ab. Besonders beliebt seien etwa der Alternativenergiebereich und die Medizintechnik.

Anfragen

Viele österreichische Unternehmen haben bereits die günstigen Produktionsbedingungen in den USA erkannt und in Anspruch genommen. Etwa 400 Produktions- und Vetriebsniederlassungen stehen bereits in den Büchern der österreichischen Handelsvertretung. „Generell 80 Prozent aller größeren Betriebe sind schon in den USA vertreten mit eigener Repräsentanz oder eigener Produktionsgesellschaft. Aber jene 20 Prozent, die noch nicht da waren, schauen sich jetzt den Markt sehr genau an“, so Rößler. Etwa 15 Neuanfragen habe man bereits auf dem Tisch.

Da viele österreichische Unternehmen Zulieferer für andere Produzenten sind, etwa für die großen deutschen Autohersteller, ziehen sie ihren Kunden in die USA nach.

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