Land der Eineinhalbverdiener

Durchschnittlich 49,1 Prozent des Bruttolohns, den Arbeitgeber zahlen müssen, gehen an den Staat und an die Sozial-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung.
Er arbeitet Vollzeit, sie Teilzeit – Konzerne und Kleinbetriebe bei Arbeitszeit am flexibelsten.

Der Alleinverdiener hat ausgesorgt. Heute arbeitet der Mann in Vollzeit, die Frau hat einen Teilzeitjob und kümmert sich um die Kinder. Das Eineinhalbverdienermodell ist bei 71 Prozent der Österreicher verbreitet, ergab eine neue Umfrage der Arbeiterkammer (AK) zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie unter 570 Beschäftigten. Damit die Arbeitsteilung gerechter wird, sei die Politik gefragt, so AK-Präsident Rudi Kaske: "Damit Eltern eine gerechte Arbeitsteilung schaffen, sind die Rahmenbedingungen im Betrieb nicht immer günstig. Die Unterstützung und die Anreizsysteme vonseiten der Politik reichen nicht aus." Die AK fordert u. a. den Ausbau der Kinderbetreuung, Elternteilzeit für kleine Betriebe und Väterkarenz in den Unternehmen.

Laut Elisabeth Wenzl, Geschäftsführerin der Familie und Beruf Management GmbH, die Vereinbarkeitslösungen konzipiert, würden vor allem Konzerne Maßnahmen setzen – wie Home Office und familienorientierte Arbeitszeit. "Aber auch immer mehr kleinere Betriebe bieten Maßnahmen zur Arbeitszeitflexibilisierung an."

Die Unternehmen schneiden in der AK-Studie selbst gut ab: 84 Prozent der Befragten befinden die betriebliche Vereinbarkeitskultur als "sehr" bzw. "eher positiv".

Einteilung möglich

Immerhin jeder zweite Befragte gab an, Arbeitsbeginn und -ende flexibel einteilen zu können, wenn für die Familie nötig. Andererseits haben 46 Prozent der befragten Väter und 28 Prozent der Mütter in Vollzeit regelmäßig Überstunden zu leisten. Jeder Fünfte sagte, dass es in seinem Unternehmen betriebliche Förderungen gibt – wie Unterstützung vom Betriebsrat, finanzielle Hilfen oder Betriebskindergärten. Kleinbetriebe mit weniger als 21 Mitarbeitern kommen den Betroffenen bei familienfreundlichen Arbeitszeiten mehr entgegen als Großunternehmen. Andererseits sagen zwei Drittel der Befragten in Großunternehmen, dass sie ihr Kommen und Gehen flexibel einteilen können, in kleinen Betrieben waren es 45 Prozent. Am unzufriedensten waren die Mitarbeiter in mittleren Betrieben.

Auch die Branchen unterscheiden sich stark in Sachen Familienfreundlichkeit bei den Arbeitszeiten. In IT und Kommunikation arbeiten 80 Prozent flexibel, in Gastronomie und Bau ist es nur jeder Dritte. Letztere will Elisabeth Wenzl "davon überzeugen, dass es auch hier Lösungen gibt, um eine familienfreundliche Personalpolitik umzusetzen".

Am wenigsten flexibel könnten laut Studie Alleinerziehende und Teilzeitangestellte arbeiten. Arbeitgeber mit vielen weiblichen Teilzeitangestellten wie die Supermarktkette SPAR sehen das naturgemäß weniger drastisch. "Beginn und Ende des Arbeitstages müssen zwar den Bedürfnissen des Marktes entsprechen," sagt Unternehmenssprecherin Nicole Berkmann, "es wird aber versucht, auf Kinderbringzeiten Rücksicht zu nehmen."

Was die AK noch moniert: Jeder Zweite arbeitet auch zu Randzeiten, früh morgens, abends, am Wochenende. Für die Arbeitnehmervertreter ein Schritt in Richtung Unvereinbarkeit – aus Unternehmenssicht das Gegenteil: Gerade wegen der besseren Vereinbarkeit mit der Kinderbetreuung seien solche Dienste gefragt, "wenn zum Beispiel zu diesen Zeiten der Mann zu Hause ist". Die Wahrheit liegt wohl wie so oft irgendwo dazwischen.

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