USA: Herber Schlag für Ratingagenturen

USA: Herber Schlag für Ratingagenturen
S&P oder Moody’s könnten zu Milliarden-Zahlungen verdonnert werden, wenn ein neues Urteil bestätigt wird.

Die US-Justiz und die Börsenaufsicht SEC sind den großen Ratingagenturen wie Standard & Poor’s und Moody’s schon länger auf den Fersen. Nun lässt ein Urteil aus New York aufhorchen. Und Investoren, die wegen den seinerzeit absurd guten Bewertungen für Ramschpapiere auf dem US-Immobilienmarkt auf Schadenersatz in Milliardenhöhe geklagt haben, können erstmals hoffen.

In den bisherigen Klagen konnten sich Ratingagenturen stets mit zwei Hauptargumenten herauswinden:

■ die Eigenverantwortlichkeit der Anleger. Niemand ist ja gezwungen, ein Rating zu glauben oder wegen einer Top-Bewertung in bestimmte Papiere zu investieren.

■ Meinungsfreiheit Vor allem aber verwiesen Ratingagenturen bisher immer auf den Schutz der Meinungsfreiheit für ihre Bewertungen. Die Meinungsfreiheit ist in den USA ein sehr hohes Rechtsgut – geschützt seit einem Verfassungszusatz aus dem Jahr 1791.

Die überaus engagierte Richterin Shira Scheindlin, die schon viele spektakuläre Fälle entschieden hat, sieht die Sachlage jedoch anders: Scheindlin meint, dass Ratingagenturen "faktenbasierte Meinungen" abgeben und nicht nur bloße Meinungen "wie die Ansicht, dass in dem einen Restaurant besser gekocht wird als in dem anderen". Ratings und Bonitätsnoten seien insofern noch keine objektiv messbaren Darstellungen, aber mehr als eben nur Meinungsäußerungen und für Haftungsfragen sehr wohl relevant.

Durch die Instanzen

USA: Herber Schlag für Ratingagenturen

Spannend wird es aber erst, sollte der Supreme Court, das US-Höchstgericht, dieser Rechtsauffassung folgen. Dann könnten die Rating­agenturen in letzter Konsequenz auch zu sehr hohen Schadenersatz-Zahlungen verdonnert werden und finanziell arg in Bedrängnis kommen.

Shira Scheindlin (Jahrgang 1946) wurde 1994 vom damaligen Präsidenten Bill Clinton zur Richterin am Manhattan Federal Court ernannt. Seither hat sie beispielsweise die Schweizer Großbank UBS zu einer Zahlung von 29 Mio. Dollar verdonnert, weil die Bank eine Mitarbeiterin diskriminiert haben soll. Oder Waffenhändler Victor Bout zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Oder etwa auch Harry-Potter-Autorin Joanne K. Rowling nach Plagiatsvorwürfen vor millionenschweren Schadenersatzklagen be-wahrt. Richterin Scheindlin ist in New York also ein Star.

15 Kläger

Geklagt haben im konkreten Anlassfall 15 institutionelle Investoren. Die Großanleger haben vor dem Platzen der US-Immobilienblase (ab 2007) Milliarden in ein Investmentvehikel gesteckt, das trotz bester Bonitätsnoten rasch kollabierte.

Ratingagenturen: Verstärker der Krise?

Ratingagenturen verarbeiten Informationen über die politische und wirtschaftliche Situation in einem Land zu einer Bonitätsbewertung. Im Zuge der Finanzkrise tauchten immer wieder fragwürdig gute Ratings für Investmentvehikel auf, die sich später als Ramsch herausstellten. Oder schlechte Ratings wurden just zu einem Zeitpunkt veröffentlicht, als ein Land ohnehin schon von Anlegern mit Strafzinsen bestraft wurde. So wurde die Krise in Griechenland oder Spanien nur verschärft, sagen Kritiker. Ein US-Gericht hält es nun für grundsätzlich möglich, Agenturen für nachlässig erstellte Ratings haftbar zu machen.

Mehr zum Thema

  • Hauptartikel

  • Hintergrund

  • Kommentar

  • Hintergrund

Kommentare